22 I. Rechtsphilosophie und Universalrechtsgeschichte.
Völkern ursprünglich fremd. Nicht darin liegt der Ursprung des Privateigentums, wie man
gemeint hat; denn die Arbeit, die der Einzelne leistet, leistet er ursprünglich der Familie und
dem ganzen Geschlecht. Zuerst entwickelte sich der Begriff des Privateigentums bei den Gegen-
ständen, welche von Anfang an die einzelne Persönlichkeit auszeichnen mußten; es sind Kleidung,
Waffen, und es ist vor allem dasjenige, was sich auf den persönlichen Schutzgeist und darum
auf die Einzelpersönlichkeit bezieht. Dies reicht so weit, daß man dem Verstorbenen seine Habe
mit ins Grab legt oder mit ihm verbrennt. Der Glaube an das Fortleben im Jenseits wirkt
hier überwältigend; nicht nur leblose Sachen, sondern auch Tiere, auch Sklaven, Witwen schickt
man dem Verstorbenen nach. Allmählich mildert sich dieser Brauch; der Gedanke des Fort-
lebens wird vergeistigt, und man nimmt nicht an, daß der Verstorbene der Sache in ihrer körper-
lichen Eigenschaft bedarf, sondern nur gewissermaßen eines Extrakts, des in der Sache liegenden
Geistes, ihres Schattens. Und so betrachtet man es als genügend, wenn man die Sache über
das Grab oder über die Leiche hält und sie dann wieder dem gemeinen Verkehr überläßt, oder
wenn man statt der Sache ein Bild ins Grab gibt.
Viel länger hat das gemeine Eigentum an unbeweglichen Sachen fortbestanden, und noch
heutzutage ist bei den NRegern, ebenso wie bei den Malaien und bei anderen Stämmen, der
durchschlagende Gedanke der: das Land gehört dem Stamm; es kann aber einem Einzelnen
oder einer Familie zur Bearbeitung übergeben werden, und dann ist der Besitzer geschützt, so-
lange er die Sache verwendet, bebaut oder bebauen will. Das ist der Gesichtspunkt, mit dem
wir in Afrika noch heutzutage zu rechnen haben: von der Veräußerung, von dem Gedanken, daß
das Land, das ich innegehabt habe, an mir klebt und mir einen Tauschwert erbringt, ist lange Zeit
keine Rede. Dieser neue Gedanke kann sich erst entwickeln, wenn entweder durch Aufwendung
auf die Grundstücke bedeutende Werterhöhungen und damit Wertunterschiede eingetreten sind,
oder wenn die Kultureigenschaften der Sache durch ihre Lage sehr bedeutend verschiedenfacht
werden: dann erst entsteht der Gedanke, daß man nicht nur die Sache benutzen darf, solange
man sie besitzt, daß man vielmehr, auch wenn man sie aufgibt, noch einen gewissen Gegenwert
erlangen kann, der ursprünglich nichts anderes ist als der Mehrwert infolge der Aufwendungen
oder infolge der besonders günstigen Lage gegenüber anderen Grundstücken, die man umsonst
haben kann 1.
Wo der Ackerbau intensiver betrieben wird, wo er nicht nur die zufällige Tätigkeit Ein-
zelner, sondern die allgemeine Erwerbsweise aller ist, findet dieser Gedanke eine besondere Aus-
prägung. Der Ackerbau wird genossenschaftlich; das Land wird vom ganzen Stamme in Besitz
genommen, und der Stamm bearbeitet das Land in Gemeinschaft; er rodet die Wälder, sät
und erntet; und ist das Land nach 14—2 Jahren erschöpft, so zieht man weiter, wo sich dann
dasselbe Schauspiel wiederholt. Diese Feldgraswirtschaft (Jumsystem, Humasystem)
gibt einem anderen System Raum: man bleibt seßhaft, teilt aber das Land in Kulturland und
in Bracheland, das unbebaut bleibt und ausruht, um einer späteren Kultur zugänglich zu werden.
Und hier kann wiederum die Kultur gemeinschaftlich bleiben, so das zamindari-System in Indien,
so das System des cyvar bei den alten Kelten; oder aber das Land wird zeitweilig zur Kultur
an die einzelnen Familien ausgeteilt: das pattidari-System der Inder, das Rebningsverfahren
der Germanen, das comachad-System der Kelten, das System des mir bei den Russen?; und
ein ähnliches System bestand bei den Chinesen bis in das 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. und
so noch das kubunden-System in Japan im 7. Jahrhundert nach Chr. Aber auch diesem System
schlägt allmählich die Stunde: die periodische Neuverteilung hört auf, die Familien bleiben
seßhaft, sie behalten das Land für immer, und nur einige genossenschaftliche Einrichtungen
: Dies ist die Wahrheit der Ricardoschen Grundrente.
Ob der mir eine altrussische Einrichtung oder erst eine Entwicklung späterer Frin vom
17. Jahrhundert an ist, ist allerdings neuerdings behr streitig; vgl. die Darstellungen von Engel-
mann, Keußler, Me l en (Wanderung, Anbau und Agrarwesen II S. 223) und nament-
lich Simkhowitsch, Feldgemeinschaft in Rußland (1898) S. 18 ff., 56 f., 71 f. Es ist zuzu-
geben, daß die Feldgemeinschaft an manchen Orten nachträglich entstanden ist; wo dies aber
##laa ist sie immer nur ein Rückfall in frühere markgeno senschastiiche Zustände, eine rückläufige
ildung, wie sie im Laufe der Zeit häufig sind. Dies zeigt insbesondere die Anqlogie des ger-
manischen Rechts in Deutschland wie in Skandinavien. Bgl. Beauchet, Histoire de —
fonciè###n Susde (1904) und darüber Z. vgl. Rechtsw. XXI S. 304 und über Java XXVII S. 464.