256 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
lösten „Herrenfronden“ (Gutsfronden) erhielten sich die heute weggefallenen „Staatsfronden“
und die als öffentliche Reallasten (für Schul-, Kirchen-- und Wegebau) noch vorkommenden
„Gemeindefronden“. Die Fronden waren gemessene oder ungemessene (nach Bedürfnis);
ordentliche (für Ackerbestellung und Ernte) oder außerordentliche (für Bauten, Jagd, Forst-
und Wachtdienst usw.); „sässige“ oder „walzende“ (Reihefronden); Hand= oder Spanndienste
(wobei der Pflichtige dort das Gerät, hier Zugvieh und Geschirr instand halten und mitbringen
muß). Die Leistung braucht nie in Person, sondern nur durch taugliche Arbeiter (Gesinde
oder angenommene Leute) bewirkt zu werden. Sie wird nur auf rechtzeitige Ansage fällig.
Meist schuldet der Berechtigte eine Gegenleistung (Verköstigung oder Tagelohn; möglicher-
weise als Reallast des Gutshofes, RGer. X Nr. 47). Sehr allgemein galt auch die dem Guts-
hofe obliegende Reallast zur Unterhaltung des Wucherviehs für die Gemeinde als Entgelt für
die Dienste.
Literatur: C. Meurer, Das Zehnt- und Bodenzinsrecht in Bayern, 1898. Birn-
baum, Die rechtliche Natur der Zehnten, 1831. Sicherer, Der Zehnte, 1845. Stutz,
Das karolingische Behntgebot, Z. f. R. G. XIII 180 ff. Wigand, Die Dienste, 1828. Gierke,
D. P. R. 150. "
§ 78. Der Rentenkauf. In den mittelalterlichen Städten entwickelte sich aus Erbleihe
und Grundzins als wichtiges Immobiliarkreditgeschäft der Rentenkauf, bei dem ein Grund-
eigentümer eine dingliche Rente, die er in Form der Auflassung bestellt, gegen Empfang
eines Kapitals als Kaufpreis abverkauft. Der Rentenkauf verbreitete sich auch auf das Land
und stand bis zum 18. Jahrhundert in voller Blüte. Die Reichsgesetzgebung erkannte ihn an,
griff aber regelnd ein und verbot zur Vermeidung von Wucher, daß die Rente fünf vom Hundert
des Kaufgeldes übersteige (RPO. von 1577 t. 17 +9).
Bei dem Rentenkauf erfuhr das Recht der Reallasten eine mehrseitige Fortbildung, die
auch für andere als gekaufte Geldrenten bedeutungsvoll wurde. Der Gedanke einer rein
dinglichen Schuld kam hier zum vollen Durchbruch. Zugleich aber verband sich damit der
Gedanke des Wertrechts, der namentlich in der Zulassung einer den Mehrwert belastenden
nachfolgenden Rente Ausdruck fand. Das Rentenrecht erschien als ein ausgeschiedener Grund-
stücksteil (Wertteil), der als selbständige unkörperliche Sache den Gegenstand einer Gewere
bildete und für sich vererblich und übertragbar war. An sich war es „liegendes Gut“; zum
Teil aber wurde die darüber erteilte öffentliche Urkunde (Rentenbrief) zum Wertpapier (mit-
unter zum Inhaberpapier) ausgestaltet. Behufs Geltendmachung hatte der Rentenberechtigte
ursprünglich ein eigenmächtiges Pfändungsrecht an der auf dem Gute befindlichen Fahrnis
und konnte weiterhin das Gut mit Gerichtshilfe sperren und schließen und nach Ablauf einer
Frist in sein Eigentum ziehen; später bildete sich gerichtliche Vergantung aus. Während ur-
sprünglich die Rente nur mit beiderseitigem Willen „ablöslich" war, wurde mehr und mehr
der Vorbehalt des „Wiederkaufsrechts“ für den Rentenschuldner üblich und endlich sein Wieder-
kaufsrecht nach gehöriger Kündigung gesetzlich festgestellt; die Ablösungssumme beträgt den
Kaufpreis, eventuell das Zwanzigfache der Rente. Der Rentengläubiger erlangte niemals
ein Kündigungs= oder Ablösungsrecht; selbst die Ausbedingung eines solchen war nur für den
Verzugsfall gestattet (RDA. von 1600 F 33).
Seit dem 18. Jahrhundert ging der Rentenkauf mehr und mehr in das zinsbare Dar-
lehen mit Pfandsatzung über und erhielt sich nur hier und da, am reinsten als „Ewiggeld“" in
München und als „Gült“ in manchen Schweizer Kantonen, in voller Lebenskraft. Allein er
lieferte wesentliche Bausteine für den Aufbau der modernen Hypothek. Das BGB. knüpft
in seinem Grundpfandrecht durchaus an Gedanken an, die dem Rentenkauf entstammen, und
kommt den Bestrebungen nach Wiederbelebung des Rentenkaufs dadurch entgegen, daß es
ein Grundpfandrecht in Form der „Rentenschuld“ zuläßt. Daneben bleibt die Bestellung von
Renten als Reallasten möglich.
Literatur: Oben zu §69. Stobbe, Z. f. D. R. XIX Vofta. Paul i, Die sog. Wiebolds-
renten oder die Rentenkäufe des Lüb. Rechts (Abh. IV), 1865 iedel, Das Ewiggeldinstitut
in München, 1819. Huber, Schweiz. P.R. IV 780 ff. Rehme, Die Lübecker Grundhauern,
1905. Gierke, D. P.K. II &+ 151. Hübner 52 IV.