2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 259
Nutzung erlangte. Die Früchte bezieht er je nach der Abrede entweder behufs allmählicher
Tilgung der Schuld durch Verrechnung („Satzung auf Totschlag“, franz. vifgage) oder als
Entgelt für Entbehrung seines Geldes („Zinssatzung“ oder „ewige Pfandschaft“, franz. mort-
gage). Mit der Tilgung der Schuld fällt das Gut pfandfrei an den Eigentümer zurück. Der
Eigentümer hat mangels anderer Abrede stets das Einlösungsrecht; doch wurde die Einlösung
einerseits oft an Zeitablauf oder Kündigung gebunden, andererseits oft durch die Verfallklausel
(lex commissoria) befristet. Ein Verkaufsrecht hat der Pfandgläubiger nicht. — Die ältere
Satzung erhielt sich, wennschon zum Teil mit der römischen Antichrese vermischt, als Nutzungs-
pfandrecht an Grundstücken auch nach der Rezeption. Das BGB. kennt kein dingliches
Besitzpfandrecht an Grundstücken.
Neben der älteren Satzung kam besonders in den Städten die sog. jü ngere Sa tzung
(franz. obligation) auf, bei der der Eigentümer Besitz und Nutzung behält, jedoch dem Gläubiger
das Gut für den Fall der Nichtbefriedigung als Exekutionsobjekt überweist. Die Pfandsetzung
erfolgt durch gerichtliche Bestellung und mehr und mehr hinzutretende Eintragung in das
Grund= oder Pfandbuch, oft unter Erteilung eines Pfandbriefes. Der Pfandgläubiger kann
sich eintretendenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung in das Grundstück befriedigen; an-
fänglich im Wege eines gerichtlichen Ubereignungsverfahrens, das dann allmählich durch ein
gerichtliches Verkaufsverfahren (Vergantung) verdrängt wurde. Wird dasselbe Grundstück
mehreren Gläubigern zum Pfande gesetzt, so bestimmt sich die Rangordnung nach dem Alter
der gerichtlichen Bestellung oder Eintragung.
Seit der Rezeption wurde zur schweren Schädigung von Wirtschaft und Kredit
das römische Pfandrecht mit seiner Gleichstellung von Liegenschaften und Fahrnis, seinen Ver-
trags-, Legal- und Generalhypotheken, seiner unzureichenden Fürsorge für Feststellung des
Alters und seiner Durchbrechung des Altersvorzuges durch massenhafte Privilegien als gemeines
deutsches Recht behandelt. Auch in den Partikularrechten erhielt sich das einheimische Recht
nur selten rein (wie in Lübeck), vielfach aber wenigstens in Resten, indem gerichtliche Pfand-
bestellung mit oder ohne Eintragung üblich blieb und zum mindesten einen Vorrang vor bloßen
Vertragshypotheken begründete. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgte (insbesondere
in Preußen durch die Konkurs- und Hypothekenordnung von 1722 und in Kursachsen durch die
erläuterte Prozeßordnung von 1724 angebahnt) die Rückkehr zum deutschen Recht. Mit der
Durchführung des Systems der Hypothekenbücher wurde hinsichtlich der hypothekarischen Be-
lastung der Grundstücke das Publizitätsprinzip schon vor seiner allgemeinen Erneuerung durch
volles Grundbuchrecht wiederhergestellt loben § 44 V). Zugleich aber mit der Bindung an
die deutschrechtliche Erscheinungsform vollzog sich die innere Umbildung der römischen Hypothek
zur modernen Hypothek, die trotz des fremden Namens mehr und mehr sich mit deutschrecht-
lichem Inhalt füllte. Die Kraft hierzu schöpfte sie aus einer im einzelnen freilich mannigfach
ungleichartigen Verschmelzung der jüngeren Satzung und des Rentenkaufs. Von der jüngeren
Satzung überkam sie namentlich den Charakter als Vollstreckungspfandrecht. Dem Rentenkauf
aber entlehnte sie vor allem den Gedanken der dinglichen Schuld, vermöge dessen sie sich in
wachsendem Maße der Reallast näherte und zuletzt in eine selbständige Grundschuld übergehen
konnte. Das BG#B. bringt diese Entwicklung zu einem freilich durch die Fassung und An-
ordnung seiner Rechtssätze verhüllten Abschluß.
Literatur: v. Meibom, Das deutsche blane 1867. v. Madai, 3Z. f. D. R. VIII
284 ff. Budde, ebenda IX 141 ff. ranken, Geschichte des französ. Pfandrechts I, 1879.
Brunner, Forsch. S. 620 ff.; Urk. J 195 ff. Lo hler, Pfandrechtliche Forschungen, 1882.
v. Sch wind, Wesen u. Inhalt des Pfandrechts, 1899. Egger, Vermögenshaftung und
Hypothek (Unterf. H. 69), 1903. Kapras, Das Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt-
und Bergrecht (Unters. H. 83), 1906. Hazeltine, Die Geschichte des englischen Pfandrechts
(Unters. H. 92), 1907. Gierke, D. P.R. 8# 155. 166; Schuld u. Haftung S. 22 ff. Hübner
53—59. v. Schwerin S. 72 ff. — Eine Sammlung von Bearbeitungen der vor dem BG.
in Geltung gewesenen deutschen Hypothekenrechte, hrsg. von Meibom ist seit 1871 erschienen.
§# 82. Das heutige deutsche Grundpfandrecht. Das BG. regelt unter der Uberschrift
„Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld“ verschiedene Typen von dinglichen Rechten, ohne sie
unter einem Gattungsnamen zusammenzufassen. Sie sind indes sämtlich, Arten eines im
Kem einheitlichen Rechts, das wir „Grundpfandrecht" nennen können. Ihre Wesensverwandtschaft
17“