262 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
anderweiter gehöriger Kundmachung verschweigt. Mitunter fällt ein Teil des Fundes an den
Staat oder die Gemeinde. — Hinsichtlich des Schatzes, den das ältere deutsche Recht dem
Könige zusprach, ist das römische Recht durchgedrungen; doch besteht partikularrechtlich (ins-
besondere in Schleswig) das Schatzregal fort.
Eine weitere ursprüngliche Erwerbsart ist die Erzeugung einer Sache. Neben
Verbindung, Vermischung und Verarbeitung ist im deutschen Recht besonders die Frucht-
erzeugung als Eigentumserwerbsgrund ausgebildet. Während nach dem römischen „Sub-
stantialprinzip“ die Früchte grundsätzlich dem Eigentümer der Hauptsache gehören, sind sie
nach dem deutschen „Produktionsprinzip“ grundsätzlich „verdientes Gut“ dessen, der Arbeit
und Kosten darauf verwandt hat: „Wer sähet, der mähet.“ Darum erwirbt an den Boden-
früchten das Eigentum oder doch ein ausschließliches Aneignungsrecht der (nicht etwa unred-
liche) Besteller, soböld er die Bestellungsarbeit ganz oder überwiegend getan hat. Dies ist bei
Saatfrucht der Fall, „wenn die Egge das Land bestrichen hat“, bei Wein und Obst am
St. Urbanstage usw. Hiernach richtet sich die Auseinandersetzung zwischen dem Eigentümer
und dem redlichen Besitzer, dem Nießbraucher oder dem Pächter, die Lehnssonderung usw.
Das Prinzip des verdienten Gutes wurde auch auf die bürgerlichen Früchte ausgedehnt
(Sachsensp. II a. 28, III a. 76). Während in manchen neueren Gesetzen das deutsche Recht
festgehalten oder (wie im Preuß. LR.) im Sinne verhältnismäßiger Verteilung fortgebildet
wurde, ist das BGB. zum römischen Prinzip zurückgekehrt, wandelt dasselbe aber durch zahl-
reiche Einzelbestimmungen im Sinne des deutschen Rechtes ab.
Die Ubertragung des Eigentums an Fahrnis erfolgt, soweit nicht Fahrnisstücke
als Zubehör einer Liegenschaft durch Auflassung und Eintragung mit übereignet werden
(BGB. F. 926), durch dinglichen Vertrag und Ubergabe oder einen die Übergabe ersetzenden
Besitzvertrag. Das ältere deutsche Recht verlangte Einräumung leiblicher Gewere, sah daher
namentlich das constitutum possessorium nicht als ausreichend an. Dagegen bildete es die
UÜbergabe durch Zeichnen mit der Marke des Erwerbers aus. Deutschen Ursprungs ist auch
die ÜUbergabe mittels eines das Recht auf Herausgabe bestimmter Waren verkörpernden Wert-
papiers (Waren= oder Traditionspapiers), des Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins.
Nach der Rezeption forderte man Tradition im Sinne des römischen Rechtes, erleichterte aber
den Eigentumsübergang ohne leibliche UÜbergabe durch Erweiterung des constitutum posses-
sorium und anderer Formen einer sog. „symbolischen“ oder „fingierten“ Tradition. Das fran-
zösische Recht ließ schließlich das Erfordernis der Übergabe ganz fallen. Das B##B. hält es
fest, erkennt aber in weitem Umfange Besitzverträge (Besitzzuweisung, Besitzauflassung, Besitz-
auftragung und Besitzabtretung) als Ersatz der Übergabe an.
Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten wurde im deutschen Recht durch
die Beschränkungen der Fahrnisklage ermöglicht (unten § 85). Dagegen gab es keine Er-
sitzung. Mit dem römischen Recht drang die Usukapion ein. Das BG. hat die ordentliche
Ersitzung beseitigt und kennt nur eine außerordentliche zehnjährige Ersitzung, die gutgläubigen
Besitz, aber keinen Titel fordert.
Literatur: v. Brünneck, De dominio ferarum, quae illicite capiuntur, 1862. Jähner,
Der Erwerb des Eigentums am Wilderergut, 1897. — Busch, Handbuch des Bienenrechts, 1830.
Kolligs, Arch. f. ziv. Pr. LXXIV 433 ff. — Delbrück, Jahrb. f. Dogm. III 1 f. Ries,
De inventione rerum casu amissarum, 1869. — Pappen h eim, Eigentumserwerb an Alters-
funden, Jahrb. f. Dogm. XIV 141 ff. — R. Schück, Gegensatz des röm. und des deutsch. Rechts
in der Lehre vom Fruchterwerb, 1881. — Bierm an n, Traditio ficta, 191. Heymann,
Die bingliche Wirkung der handelsrechtlichen Kditionswariere (aus Festgabe f. Dahn), 1905. —
Gierke, D. P.R. II & 130—138. Hübner 59—64
§ 84. Begrenzte dingliche Rechte an fahrender Habe.
I. Uberhaupt. Das deutsche Recht kannte auch an Fahrnis eine unbestimmte Zahl
begrenzter dinglicher Rechte, die aber sämtlich leibliche Gewere voraussetzen. Wer eine Sache
behufs Ausübung eines Rechtes (auch als Mieter, Pächter, Entleiher usw.) in Gewere hat, hat
an ihr ein entsprechendes dingliches Recht. Die deutsche Auffassung ging ins Preuß. M.
über. Dagegen erkennt das BGB. im Anschluß an das römische Recht als selbständige dingliche
Rechte an beweglichen Sachen nur Nießbrauch und Pfandrecht an. Doch folgt es darin dem