Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

264 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
mäßig nur im Wege der Zwangsvollstreckung, beim Forderungspfande auch mittels Einziehung 
der Forderung suchen. 
Literatur: Oben zu § 81, auch § 18. H. Meyer, Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 
1903. Gierke, D. P.N. l 169—172. Hübner 65—66. v. Schwerin S. V1 ff. 
Planitz, Die Vermögensvollstreckung im deutsch. mittelalterl. R., Bd. I: Die Pfändung, 1912. 
§ 85. Beschränkung der Rechtsverfolgung. Das deutsche Recht gewährte zur Ver- 
folgung des Rechtes an fahrender Habe nur auf Grund unfreiwilligen Besitz- 
verlustes eine Klage gegen jeden dritten Besitzer. Die Klage konnte als „Anefangsklage“ 
in rechtsförmlicher Weise mit beiderseitiger Bußgefahr, aber auch mindestens später als „schlichte" 
Klage angestellt werden. Klagegrund ist die unfreiwillig verlorene Gewere, so daß nicht nur 
der Eigentümer, sondern jeder frühere Besitzer die Herausgabe der Sache erzielt, wenn der 
Beklagte nicht ein besseres Besitzrecht erweist. Der Besitzer muß die Sache, auch wenn er 
sie redlich und öffentlich („unverhohlen und unverstohlen“) gekauft oder in Pfand genommen 
hat, umsonst herausgeben; nur die Juden hatten das Privileg, daß sie Ersatz des Kauf= oder 
Pfandschillings fordern konnten. Wer dagegen eine bewegliche Sache freiwillig weg- 
gegeben (verpfändet, vermietet, verliehen, hinterlegt) hat, kann nur eine als „Forderung“ 
bezeichnete Klage aus anvertrauter Gewere gegen den Empfänger anstellen, sobald dessen Be- 
sitzrecht erledigt ist. Es gilt der Satz „Hand wahre Hand“ oder „Wo man seinen Glauben ge- 
lassen hat, da soll man ihn suchen“. Die Klage geht auch gegen den Erben des Empfängers, 
gegen den Richter im Falle der Einziehung und meist auch gegen den Gläubiger, der die 
fremde Sache gepfändet hat. Dagegen versagt sie gegenüber jedem dritten Besitzer, mag die 
Sache durch Veräußerung oder im Wege des unfreiwilligen Besitzverlustes aus der Hand des 
Empfängers gekommen sein; doch geben manche Quellen dem früheren Besitzer dann die Dieb- 
stahlsklage, wenn der Bestohlene nicht klagen kann oder will. Ursprünglich brauchte selbst der 
unredliche dritte Besitzer dem früheren Besitzer nicht Rede zu stehen; mehr und mehr aber wurde 
die dingliche Klage gegen jeden unredlichen Erwerber zulässig. Sehr verbreitet ist der Aus- 
nahmesatz, daß, wer eine Sache einem Handwerker zur Bearbeitung gegeben hat, sie, wenn 
der Handwerker sie veräußert hat, dem Besitzer gegen Ersatz des Arbeitslohnes abfordern kann. 
Seit der Rezeption gald der römische Satz „ubi rem meam invenio ibi vindico“ 
als gemeines Recht und drang auch in manche Partikularrechte (sogar ins Sachsenrecht) ein. 
Bisweilen jedoch mit deutschrechtlichen Abwandlungen. So gewährte das Preuß. LR. zwar die 
dingliche Klage gegen jedermann, gab aber stets (auch bei abhanden gekommenen Sachen) 
dem redlichen entgeltlichen Erwerber einen Anspruch auf Ersatz des für die Sache Geleisteten 
(„Lösungsanspruch“). In anderen Partikularrechten erhielt sich das deutsche Recht; im fran- 
zösischen, österreichischen und schweizerischen Recht wurde es durchgeführt, im alten HG. für 
Sachen, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes veräußert und über- 
geben sind, anerkannt und endlich durch das BGB. zu gemeinem deutschen Recht erhoben. 
Hierbei ist aber mehr und mehr an Stelle der Beschränkung der Rechtsverfolgung der unmittel- 
bare Rechtsverlust des einen und der unmittelabre Rechtserwerb des anderen gesetzt. 
Im heutigen Recht bedeutet also die Regel „Hand wahre Hand“, daß im rechts- 
geschäftlichen Verkehr der redliche Erwerber auch vom Nichtberechtigten das dingliche Recht 
erwirbt, zu dessen Ubertragung oder Begründung anvertrauter Besitz legitimiert. Er erwirbt 
also durch formgerechte Ubereignung oder Belastung auch dann, wenn der Verfügende nicht 
Eigentümer ist, mit dem Besitz zugleich Eigentum, Nießbrauch oder Pfandrecht, während das 
bisherige Eigentum erlischt oder belastet wird; die ihm unbekannten dinglichen Rechte er- 
löschen oder treten hinter sein Recht zurück. Erforderlich ist aber stets ersichtlicher Besitzüber- 
gang; insbesondere wird hier die Übergabe nicht durch Besitzauftragung ersetzt. Den Mangel 
des guten Glaubens muß der Gegner beweisen. Entgeltlichkeit des Erwerbes ist nicht erforder- 
lich; gegen den unentgeltlichen Erwerber behält aber der Geschädigte einen Bereicherungs- 
anspruch. — An abhanden gekommenen Sachen geht in Ubereinstimmung mit dem deutschen 
Recht Eigentum oder sonstiges Recht an der Sache auch auf den redlichen Erwerber nicht über; 
er hat auch keinen Lösungsanspruch (Ausnahmen bei Leihhäusern). Die Tatsache des unfrei- 
willigen Besitzverlustes muß der sein Eigentum oder dingliches Recht Verfolgende beweisen.
	        
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