272 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Der Dienstvertrag entwickelte sich im Mittelalter aus dem personenrechtlichen
Treudienstvertrage. Er wurde zum gegenseitigen Schuldvertrage, der den einen Teil zu be-
stimmten Dienstleistungen, den anderen Teil zur Vergütung verpflichtete, wahrte aber per-
sonenrechtliche Wirkungskraft und begründete insbesondere ein beiderseitiges Treuverhältnis.
Gegenüber dem nach dem Vorbilde der Sachmiete ausgestalteten römischen Recht der Dienst-
miete hat sich der deutschrechtliche Dienstvertrag stets erhalten und im modernen Recht voll
wieder durchgesetzt. Der heutige Dienstvertrag umfaßt jede Art entgeltlicher persönlicher
Dienstleistung. Doch gelten Besonderheiten, wenn Dienstleistungen höherer Art (z. B. bei
Anstellungsverträgen von Privatbeamten und bei sog. Honorawerträgen), wenn ständige Dienst-
leistungen mit Eintritt in die Hausgemeinschaft (z. B. bei Hauslehrern), wenn Dienstleistungen,
die den Inhalt der ganzen Berufstätigkeit bilden, in Frage stehen. Für viele Gattungen der-
artig qualifizierter Dienstverträge gilt überdies ein umfassendes Sonderrecht. Schon seit dem
Mittelalter wurde ein Sonderrecht für den Gesindevertrag ausgebildet, bei dem mit dem Ein-
tritt in die Hausgemeinschaft familienrechtliche Beziehungen (Hausgewalt, aber auch Fürsorge-
und Vertretungspflicht des Dienstherrn) entstanden, eigenartige Formen des Abschlusses („Miets-
geld“) und zum Teil besondere Beendigungsgründe (z. B. Gelegenheit zur Heirat nach dem
Satz „Freite geht vor Miete“ und Tod des Dienstherrn) anerkannt waren, später auch die
öffentliche Gewalt mit gesindepolizeilichem Zwang und Schutz eingriff. Das Gesinderecht
ist auch heute in landesgesetzlichen Gesindeordnungen, die das ältere Recht zum Teil festhalten
(z. B. preuß. vom 8. Nov. 1810), zum Teil reformiert haben, besonders geregelt. Schon im
Mittelalter ferner hat das Gewerberecht den Vertrag mit Handwerkslehrlingen und Handwerks-
gesellen besonders ausgestaltet; das neuere Gewerberecht schuf mehr und mehr ein umfassendes
Sonderrecht für den gewerblichen Arbeitsvertrag überhaupt und innerhalb dieses Rahmens
neben dem Handwerkerrecht ein Sonderrecht für Fabrikarbeiter, Werkbeamte usw. Das Berg-
recht hat für die Dienstverträge mit Bergleuten (oben § 54), das Handelsrecht für die mit
Handlungslehrlingen und Handlungsgehilfen sowie mit Agenten, das Seerecht für die mit
dem Schiffer und der Schiffsmannschaft ein Sonderrecht hervorgetrieben. In allen diesen
Sonderrechten spielen neben subsidiären gesetzlichen Regeln zwingende Vorschriften, die um
des Schutzes der Persönlichkeit willen die Vertragsfreiheit einschränken, eine gewaltige Rolle.
Arbeitsvertrag ist auch der Werkvertrag; besondere Typen deutschrechtlicher Her-
kunft sind der Mäkeleivertrag, das Kommissions-, das Speditions- und das Frachtgeschäft.
VII. Bürgschaft. Die Bürgschaft war im deutschen Recht Haftungsübernahme
für fremde Schuld und forderte daher eine haftungsgeschäftliche Form; nach der Rezeption
wurde sie formfrei, blieb aber nach Partikularrechten an eine Form gebunden; nach dem BGB.
muß sie schriftlich erteilt werden. Ursprünglich haftete der Bürge, ohne zu schulden; schon im
Mittelalter aber nahm die Bürgschaft vielfach Schuldinhalt in sich auf; doch schuldet auch heute
der Bürge zum Unterschiede vom Gesamtschuldner nicht dasselbe wie der Hauptschuldner,
sondern nur die Beschaffung der Leistung des Hauptschuldners oder Ersatzleistung für diese.
Andererseits haftete ursprünglich der Bürge dem Gläubiger anstatt des Schuldners, so daß der
Gläubiger sich nur an den Bürgen halten konnte; auch als die Haftung des Schuldners zur
Regel wurde, blieb lange noch der Bürge vor dem Schuldner oder doch neben ihm verhaftet;
erst seit dem Ende des Mittelalters wurde die Bürgenhaftung subsidiär, doch blieb die Ein-
rede der Vorausklage der Handelsbürgschaft fremd und im übrigen im Falle der selbstschuldneri-
schen Bürgschaft ausgeschlossen. Die Bürgschaftshaftung war ursprünglich unvererblich; daher
war die Verbürgung mehrerer zu gesamter Hand (oft mit Übernahme der Verpflichtung zur
Stellung eines Ersatzmannes bei Wegfall eines Mitbürgen) überaus üblich. Heute ist die Bürg-
schaftsschuld vererblich. Der Bürge, der geleistet hat, hat nach älterem deutschen und nach
heutigem Recht ohne weiteres ein Rückgriffsrecht gegen den Hauptschuldner und tritt von
Rechts wegen in die Rechte des Gläubigers ein.
VIII. Spiel und Wette waren ursprünglich bindend und klagbar, nur ging die
Schuld nicht auf die Erben über. Im Mittelalter (zuerst in den Städten) entwickelte sich der
Satz, daß Spiel und Wette keine Forderung begründen, daß aber (außer bei verbotenem Spiel)
auch die Rückforderung der geleisteten Schuld ausgeschlossen ist („Spielschulden sind Ehren-
schulden"). Nach der Rezeption erhielt sich das deutsche Spielrecht (bestritten), die Wette