282 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
die allgemeine Gütergemeinschaft überwiegend (jedoch zum Teil nur für fruchtbare Ehen) in
den fränkischen Ländern und in Westfalen (einheitlich geregelt durch preuß. Ges. für die Prov.
Westfalen v. 16. April 1860). Vereinzelt wurde sie in Bayern und Schwaben (z. B. Hohen-
zollern) angenommen. Sie galt ferner in ostfälischen und mecklenburgischen Städten, in
Hamburg, in Bremen und für beerbte Ehen nach lübischem Recht; sodann in Pommern im
Geltungsbereiche der Bauerordnungen und in Ost= und Westpreußen kraft Provinzialrechts.
Das Preuß. AL#sg stellte für sie subsidäre Regeln auf, die prinzipale Geltung in der Provinz
Posen erlangten. Im BG ist sie als vertragsmäßiger Güterstand ausführlich geregelt.
Ihrem rechtlichen Wesen nach ist sie eine das ganze beiderseitige Vermögen der
Zuständigkeit nach verschmelzende Gemeinschaft zur gesamten Hand mit ungesonderten und
während bestehender Gemeinschaft unwirksamen Anteilen. Durch romanisierende Theorien,
die sie für eine modifizierte „societas“ oder doch „communio“ erklärten oder ein Alleineigentum
des Mannes annahmen oder mit dem Eigentum einer juristischen Person operierten, vielfach
verdunkelt, wurde das Prinzip der gesamten Hand gerade für die allgemeine Gütergemein-
schaft in der Lehre vom deutschrechtlichen Gesamteigentum zuerst wieder in zunächst unklarer
Weise erneuert und endlich (auch im BGB.) von neuem rein durchgeführt.
Dem Umfange nach ergreift die Gemeinschaft von Rechts wegen alles gegenwärtige
und künftige Vermögen der Ehegatten, das infolge der personenrechtlichen Ehegemeinschaft
zum „Gesamtgut“ verschmilzt; auch Grundstücke werden ohne Übereignungshandlung gemein-
schaftlich, die Eintragung ist nur zur Wirksamkeit gegen gutgläubige Dritte erforderlich. Nur
Gegenstände, die nicht der freien Verfügung der Ehegatten unterliegen (z. B. ein Familien-
fideikommiß), bleiben der Substanz nach Sondergut, während die Einkünfte und die übertrag-
baren Surrogate in das Gesamtgut fallen (BGB. F 1431). Gesetzliches Vorbehaltsgut gibt
es nicht; doch kann durch Ehevertrag oder Zuwendung eines Dritten Vorbehaltsgut nicht nur
der Frau, sondern auch des Mannes begründet werden.
Das Gesamtgutt unterliegt der Verwaltung des Mannes als Haupt der Gemein-
schaft (ehemals kraft seiner durch die gesamte Hand keineswegs aufgehobenen Munt), jedoch
mit Vertretungsmacht der Frau im Bedürfnisfalle. Zur Verfügung über die Substanz sind
grundsätzlich nur die Ehegatten gemeinschaftlich befugt. Nach dem BGB. kann der Mann
verfügen, bedarf aber der Zustimmung der Frau, wenn es sich um das Vermögen im ganzen
oder einen Bruchteil, um die Veräußerung oder Belastung eines Grundstücks oder um eine
Schenkung handelt. Dies entspricht dem bisherigen Durchschnittsrecht, während in manchen
Rechten (z. B. im westfälischen) die einseitige Verfügungsmacht des Mannes weiter bemessen,
in anderen enger begrenzt ist.
Die allgemeine Gütergemeinschaft begründet zugleich eine Schuldengemeinschaft,
indem für die beiderseitigen Schulden (mit Ausnahme der von der Frau während der Ehe
ohne Zustimmung des Mannes rechtsgeschäftlich eingegangenen Verbindlichkeiten) den Gläu-
bigern das Gesamtgut haftet („Gesamtgutsverbindlichkeiten“). Eine persönliche Haftung für
die Schulden des anderen Ehegatten trifft nach dem BGB. nur den Mann, nach anderen
Rechten auch die Frau, jedoch regelmäßig mit Vorbehalt der Befreiung durch Preisgabe des
Anteils am Gesamtgut. Bei der Auseinandersetzung werden die im inneren Verhältnis nur
einen Gatten belastenden Schulden (z. B. Deliktsschulden), soweit sie aus dem Gesamtgut be-
zahlt sind, auf dessen Anteil angerechnet.
Im Falle der Beendigung der Gemeinschaft bei Lebzeiten beider Ehegatten (durch
gerichtliche Aufhebung oder Ehescheidung) zerfällt das Gesamtgut stets in Anteile, und zwar
regelmäßig in Hälften (vorbehaltlich des oben § 102 erwähnten Wahlrechts bei der Scheidung).
Bei der Auflösung der Ehe durch den Tod aber entwickelte das deutsche Recht zwei ungleiche
Systeme. 1. Nach dem Teilungssystem zerfällt auch hier das Gesamtgut in gesonderte
Anteile, deren einer zum Nachlaß des verstorbenen Ehegatten gehört, während der andere
den Auseinandersetzungsanteil des überlebenden Ehegatten bildet. Nach älteren Rechten sind
die Anteile ungleich, indem der Uberlebende einen größeren Anteil (z. B. zwei Drittel) oder
auch der Witwer mehr als die Witwe erhält; neuerdings drang die Hälftenteilung durch, jedoch
mit Voraus, UÜbernahmerechten und Erbrecht des rbeerlebenden Das Teilungssystem gilt
nach BG. wie nach vielen bisherigen Rechten bei unbeerbter Ehe. Oft gilt es auch bei be-