Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 295 
Sie wurde gleichfalls durch bedingte Investitur eines Grundstücks oder des ganzen Ver- 
mögens und oft unter Verwendung von Salmannen vollzogen. Die gesetzlichen Erben waren 
gegen Verletzung ihres Wartrechts durch ihr Beispruchsrecht geschützt. Die Vergabung von 
Todes wegen war ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit Wirkung für den Todesfall. Ent- 
weder wurde sofortige (oft durch einen kleinen Anerkennungszins betätigte) Eigengewere mit 
Vorbehalt der Leibzucht eingeräumt oder nur anwartschaftliche Eigengewere, die mit dem Tode 
des Vergabenden in Wirksamkeit treten sollte, übertragen. Die Vergabungen von Todes wegen, 
die namentlich auch als gegenseitige Vergabungen vorkommen, waren noch im 16. Jahr- 
hundert allgemein üblich. Dann gingen sie entweder in Erbverträge oder (durch Vermitte- 
lung von Widerrufsvorbehalten) in Testamente über. Nur im Bauernrecht blieben sie in ein- 
zelnen Landschaften als Gutsabtretung mit Vorbehalt der lebenslänglichen Herrschaft ge- 
bräuchlich (Seuff. XXXVII Nr. 51, XLV Nr. 198, XLVI Nr. 34). 
Literatur: Pappenheim, Launegild und Garethinx (Unters. H. 14), 1882. R. Schmidt, 
Die Affatomie der I. Salica, 1891. F. Schu pfer, e Affatomia, 1892. R. Hübner, 
Die donationes post obitum und die Schenkungen mit Vorbehalt des Nießbrauchs (unters. 
H. 26), 1888; Grundz. 110. 
– 1123. Erbverträge. Eine vertragsmäßige Begründung von Erbrecht wurde schon im 
Mittelalter durch Eheverträge und Einkindschaftsverträge mittelbar herbeigeführt. In Süd- 
deutschland nahmen auch die Vergabungen von Todes wegen frühzeitig die Natur von erbrecht- 
lichen Verträgen an. Allgemein wurden solche Vergabungen von der Jurisprudenz als Erb- 
verträge aufgefaßt und anfangs bekämpft, schließlich aber anerkannt und demgemäß umge- 
bildet. So wurden die Erbverträge ein gemeinrechtliches Institut. Auch die neueren Gesetz- 
bücher lassen sie zu (der Code freilich nur bei Gelegenheit von Eheverträgen zum Vorteil der 
Ehegatten und ihrer Kinder, das Osterr. GB. nur unter Ehegatten). So auch das BGB. und 
das Schweiz. ZGG. 
Seinem rechtlichen Wesen nach ist der Erbvertrag eine vertragsmäßige Ver- 
fügung von Todes wegen; zum Unterschiede vom Testament ist er keine „letztwillige“ Ver- 
fügung, sondern bindender Vertrag; zum Unterschiede von der Vergabung hat er nicht sachen- 
rechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen. 
Der Abschluß setzt auf seiten des Erbgebers die Fähigkeit, sich vertragsmäßig zu ver- 
pflichten, und die Fähigkeit, von Todes wegen zu verfügen, auf seiten des Erbnehmers Er- 
werbsfähigkeit voraus. Der Erbvertrag, der gemeinrechtlich formfrei war, bedarf nach BGB. 
gerichtlicher oder notarieller Testamentsform. 
Inhaltlich kann der Erbvertrag als Erbeinsetzungsvertrag Erbrecht schaffen 
oder sichern; er kann einseitiges Erbrecht eines Vertragsteils oder gegenseitiges Erbrecht oder 
Erbrecht eines Dritten begründen; er kann bedingtes, befristetes oder beliebig beschwertes Erb- 
recht herstellen. Der Erbvertrag kann aber auch als Vermächtnisvertrag einen 
bloßen Vermächtnisanspruch begründen; der Vermächtnisvertrag hat die römische Schenkung 
von Todes wegen verdrängt. Der Vertragserbe kann eine Gegenleistung (z. B. lebensläng- 
liche Verpflegung) zusagen. Im Erbvertrage können auch einseitige Verfügungen (z. B 
Ernennung eines Vormundes oder Pflichtteilsentziehung) getroffen werden, die aber wider- 
ruflich bleiben. 
Die Wirkung des Erbvertrages ist Schaffung eines vertragsmäßigen Erbrechtes, das 
der Erbgeber, soweit er sich dies nicht vorbehalten hat, einseitig nicht entziehen, belasten oder 
schmälern kann. In der Verfügung über sein Vermögen durch Rechtsgeschäfte unter Leben- 
den bleibt er unbeschränkt; doch gewährt das bisherige Recht dem Vertragserben ein An- 
fechtungsrecht gegenüber arglistigen Schenkungen, das BGB. einen Bereicherungsanspruch 
gegen den Beschenkten. Mit dem Tode des Erbgebers tritt das bedungene Erbrecht in gleicher 
Weise wie auf Grund letztwilliger Verfügung ein. 
Die Aufhebung des Erbvertrages erfolgt durch Vertrag in gleicher Form (unter 
Ehegatten auch durch wechselseitiges Testament); durch einfeitigen Rücktritt kraft Vorbehalts 
oder eines gesetzlichen Rücktrittsgrundes; durch Tod des Vertragserben vor dem Erbfalle, da 
das Erbrecht unvererblich ist; unter Verlobten auch durch Auflösung des Verlöbnisses, unter 
Ehegatten durch Nichtigkeitserklärung der Ehe und durch Ehescheidung.
	        
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