Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

298 II. Geschichte uud System des deutschen und römischen Rechts. 
gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach BGB., wie dies auch für das 
Preuß. LR. angenommen wurde (RGer. XXI Nr. 50), lediglich eine reine Geldforderung in 
Höhe des Wertes der Erbteilsquote. Die Entziehung oder Schmälerung des Pflichtteils kann 
nur aus bestimmten Gründen durch letztwillige Verfügung erfolgen. — Näher an das ger- 
manische Recht schließen sich das französische Gesetzbuch (a. 713 sq.) und schweizerische Gesetze 
(ietzt B6B. a. 470 ff.) an, indem sie dem Erblasser überhaupt nur die Verfügung über den 
nicht den nächsten Erben vorbehaltenen „verfügbaren Teil“ gestatten, so daß der Pflichtteilsberech- 
tigte, wenn er nicht aus einem gesetzlichen Grunde enterbt ist, immer Miterbe sst. 
K Literatur: Brunner, Der Totenteil in germanischen Rechten, Z. f. R.G. XXXII 
107 ff.; Das rechtliche Fortleben der Toten bei den Germanen, 1907. Gäl, Z. f. R.G. 225 ff. 
Bartsch, Seelgerätsstiftungen im 14. Jahrh. (in Festgabe f. v. Amira), 1908. Auffroy, 
Evolution du testament en France, 1899. v. Wyß, 3. f. schweiz. R. XIV 68 ff. K. Thomas, 
Das kanonische Testament, 1897. O. Loening, Das Testament im Gebiet des Magdeb. Stadtr. 
(Unters. H. 82), 1906. 
§ 126. Gemeinschaftliche Testamente. Als ein Zwischengebilde zwischen Erbvertrag 
und Testament entwickelten sich die gemeinschaftlichen Testamente, die besonders unter Ehe- 
gatten üblich wurden und nach BGB. (wie nach Preuß. LR. und Osterr. G.) überhaupt 
nur unter Ehegatten zulässig sind. Das gemeinschaftliche Testament, das nur einfacher Testa- 
mentsform bedarf, ist wechselseitig, wenn die Erblasser einander zu Erben einsetzen oder sonst 
bedenken; gewöhnlich treffen sie dann zugleich Verfügungen über den Nachlaß für den zweiten 
Todesfall, wobei im Zweifel anzunehmen ist, daß der für diesen Fall eingesetzte Erbe hinsicht- 
lich des Gesamtnachlasses Erbe des Letztlebenden sein und ebenso ein für diesen Fall ausgesetztes 
Vermächtnis erst mit dem Tode des Letztlebenden anfallen soll. Das gemeinschaftliche Testa- 
ment ist korrespektiv, wenn die beiderseitigen Verfügungen voneinander abhängig sein sollen, 
wofür beim wechselseitigen Testament die Vermutung spricht. Dann wird mit der Nichtigkeit 
oder dem Widerruf der einen Verfügung auch die andere hinfällig. Der Widerruf seitens 
eines jeden Testators ist zulässig, solange beide Testatoren leben. Nach dem Tode des einen 
kann der andere widerrufen, wenn er ausschlägt. Sobald er aber auf Grund der Verfügung 
des Verstorbenen endgültig Erbe geworden ist oder einen anderen erbrechtlichen Vorteil erlangt 
hat, ist er auch an die eigenen Verfügungen (vorbehaltlich eines Entziehungsrechts aus den 
Pflichtteilsentziehungsgründen) gebunden. 
Literatur: Hasse, Rheinisches Museum II u. III. E. Demuth, Die wechselseitigen 
Verfügungen von Todes wegen nach alemannisch--zürch. R. (Unters. H. 65), 1901. 
§ 127. Testamentsvollstrecker. Die Salmannen oder Treuhänder, deren man sich bei 
den Vergabungen von Todes wegen bediente, wurden auch bei den Seelgeräten und Gemächten 
beibehalten und verwandelten sich hier in Testamentsvollstrecker (testamentarü, executores, 
viceheredes), die vom Erblasser die erforderliche Rechtsmacht empfingen, um seine Anordnungen 
den Erben gegenüber durchzuführen. Das kanonische Recht begünstigte ihre Ernennung, unter- 
stellte sie aber bischöflicher Oberaufsicht. Das Institut der Testamentsvollstrecker blieb auch 
nach der Aufnahme des römischen Testaments mit seiner Erbeseinsetzung lebendig und wurde 
in alle neueren Gesetzbücher und so auch ins BGB. ausgenommen. 
Über das rechtliche Wesen der Testamentsvollstreckung wird seit langer Zeit gestritten. 
Romanisierende Theorien, die vielfach auf die Gesetze einwirkten und zum Teil das Institut 
verkümmerten, stempelten die Testamentsvollstrecker zu Vertretern der Erben. Diese Stel- 
lung gründete man bald auf ein ausnahmsweise über den Tod hinaus wirkendes Mandat des 
Erblassers, bald auf eine gesetzliche Vertretungsmacht, die man mit der des Vormundes ver- 
glich (executores ultimarum voluntatum tutoribus acquiparantur“") oder neuerdings im 
Sinne eines besonderen Amtes konstruierte. Demgegenüber machten zuerst Germanisten 
(bes. Beseler) geltend, daß der Testamentsvollstrecker vielmehr ein erbrechtlicher Vertreter 
des Erblassers auch gegenüber den Erben sei. Andere machten ihn zum Vertreter des Nachlasses. 
In der Tat ist der Testamentsvollstrecker ein vom Erblasser als Organ seines Willens bestellter 
Vertrauensmann mit eigenem und selbständigem Machtbereich. Er ist aber überhaupt kein 
Vertreter im technischen Sinne, sondern auch heute ein Treuhänder im Sinne des germanischen
	        
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