2. O. v. Gierke, Grundzüge des deutschen Privatrechts. 299
Rechts. Als solcher übt er ein eigenes Recht in eigenem Namen, jedoch in fremdem Interesse
aus (oben § 16). Die ihm zu diesem Behuf durch Verfügung von Todes wegen eingeräumte
Rechtsmacht ist begrenzt und gebunden, gewährt aber innerhalb ihres Bereiches nach dem
BGB. ein dingliches Recht am Nachlasse.
Die Berufung zum Testamentsvollstrecker erfolgt unmittelbar oder mittelbar durch
letztwillige Verfügung des Erblassers, bedarf aber der Annahme. Mehrere sind im Zweifel
zu gesamter Hand berufen.
Auch der Wirkungsbereich des Testamentsvollstreckers richtet sich in erster Linie
nach dem Willen des Erblassers. Im Zweifel hat er nicht bloß für die Ausführung der An-
ordnungen des Erblassers zu sorgen und die Auseinandersetzung unter Miterben herbeizuführen,
sondern auch bis zur Erledigung dieser Aufgaben den Nachlaß zu verwalten. Der Erblasser
kann ihm aber einen engeren Wirkungskreis (z. B. nur die Ausführung eines Vermächtnisses
oder einer Stiftung) anweisen oder einzelne Befugnisse entziehen oder umgekehrt seine Be-
sugnisse erweitern (z. B. durch Einräumung schiedsrichterlicher Macht oder des Rechts zur Be-
stimmung von Vermächtnissen). Insbesondere kann ihm die dauernde Verwaltung (jedoch
nicht über 30 Jahre oder bis zu des Erben oder dem eigenen Tode) auch nach Erledigung der
anderen Aufgaben übertragen werden. Soweit ihm die Verwaltung zusteht, kann er den Nach-
laß in Besitz nehmen, über Nachlaßgegenstände (nur nicht unentgeltlich) verfügen und die Nach-
laßrechte gerichtlich geltend machen, während dem Erben diese Befugnisse fehlen. Auch kann
er Nachlaßverbindlichkeiten eingehen und ist neben dem Erben als Beklagter aus Nachlaß-
verbindlichkeiten legitimiert. Seine Machtbefugnisse sind den Erben gegenüber selbständig;
er kann gegen sie den Willen des Erblassers auch ohne nachweisliches Interesse einer lebenden
Person durchsetzen (ugl. RGer. XXV Nr. 62); die Erben können durch Widerspruch seine Tätig-
keit nicht lähmen. Allein er ist verpflichtet, seine Befugnisse ordnungsmäßig zu gebrauchen,
den Nachlaß gehörig zu verwalten und zu verteilen und (bei längerer Verwaltung jährlich)
Rechnung zu legen. Für die Erfüllung seiner Pflichten ist er sowohl den Erben wie den Ver-
mächtnisnehmern verantwortlich. Er untersteht aber auch einer ständigen Aufsicht des Nachlaß-
gerichts. Im Zweifel hat er Anspruch auf angemessene Vergütung.
Beendigt wird die Stellung des Testamentsvollstreckers durch Tod, Kündigung gegen-
über dem Nachlaßgericht und Entlassung aus einem wichtigen Grunde.
Literatur;: Beseler, Die Lehre von den Testamentsvollstreckern, Z. f. d. R. IX 144 ff.
A. Schultze, Die langobardische Treuhand u. ihre Umbildung zur Testamentsvollstreckung
(Unters. H. 49), 1895. R. Caillemer, Origines et développement de l’exécution testamen-
taire. 1901.
Kapitel IV. Sondererbfolge.
§ 128. Lehnerbfolge. Die Lehnerbfolge ist, wie sich oben (§ 64) gezeigt hat, eine auf
den Kreis der Lehnsfolger beschränkte, ihnen aber durch ein Wartrecht gesicherte Sondererb-
folge in einen Vermögensinbegriff. Die Nachkommen des letzten Besitzers dürfen freilich
nach gemeinem Recht, wenn sie das Lehen behalten wollen, die Allodialerbschaft nicht aus-
schlagen und sind also regelmäßig zugleich Gesamtnachfolger; doch tritt die Natur der Lehns-
folge als Sondererbfolge auch bei ihnen hervor, wenn ausnahmsweise die Allodialerbschaft
nicht an sie gelangt (RGer. XIX Nr. 43). Mit dem Erbfalle geht das Lehen von Rechts wegen
auf den im Verhältnis zum letzten Besitzer nächsten Lehnsfolger über. Sind folgefähige Nach-
kommen des letzten Besitzers vorhanden, so sind sie nach den Regeln der gewöhnlichen Deszen-
dentenfolge (also mit Eintrittsrecht und nach Stämmen) zur Lehnerbfolge berufen. In Er-
mangelung von Nachkommen erben nach gemeinem Recht die dem Mannsstamme des ersten
Erwerbers angehörigen Seitenverwandten des letzten Besitzers das Lehen in der Reihenfolge
des Lineal-Gradualsystems (RGer. V Nr. 38): es entscheidet die Nähe der Parentel (II F. 50),
in der Parentel die Nähe des Grades (II F. 37), jedoch mit der Abwandlung, daß Brudersöhne
ein Eintrittsrecht neben Brüdern haben (II F. 11). Doch bestand hierüber eine berühmte
Streitfrage; von manchen wurde vielmehr das reine Gradualsystem, von anderen das reine
Linealsystem als gemeinrechtlich verfochten; letzteres ging in das Preuß. LR., das Bayr. Lehns-
edikt und andere Partikularrechte über. Ist subsidiär der Weiberstamm berufen, so entscheidet