300 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
die gewöhnliche Erbfolge hinter dem letzten Besitzer mit der Abweichung, daß Weiber hinter
Männern um einen Grad zurüchstehen; die Übergehung bei einem früheren Erbfalle ist dem
Berufenen unschädlich. — Die lex investiturae kann Abweichungen festsetzen, auch unter Mit-
erben einen Altersvorzug einführen (RGer. XIV Nr. 56). Bei den „Erblehen“ gelten kraft
Gesetzes vielfach andere Regeln.
§ 129. Erbfolge in Stammgüter, Hausgüter und Familienfideikommisse.
I. Bei den Stammgütern (oben §9• 70) erhielt sich eine gesetzliche Sondererbfolge
im Mannsstamm, die meist zur Einzelerbfolge mit Vorzug des höheren Alters wurde; das Folge-
recht ist unentziehbares Wartrecht.
II. Bei den Hausgütern (oben F 71) drang schließlich überall Einzelerbfolge in Besitz
und Genuß kraft Hausrechts durch; das Folgerecht ist unentziehbares Wartrecht. Die Folge-
ordnung wird durch das Hausgesetz bestimmt. Sie war stets eine solche mit Vorzug des höheren
Alters: Majorat i. w. S. Es gibt aber drei Formen: 1. das Majorat i. e. S., bei dem die
gewöhnliche Erbfolgeordnung (im hohen Adel stets Parentelenordnung) mit der Maßgabe gilt,
daß unter gleich nahen Erben allein der älteste (also z. B. unter mehreren Neffen der ältere
Sohn des jüngeren Bruders vor dem jüngeren Sohn des älteren Bruders) berufen ist; 2. das
Seniorat, bei dem der älteste des ganzen Geschlechtes sukzediert; 3. die Primogenitur (Erst-
geburtsordnung), bei der das Alter der Linie und erst an letzter Stelle das Lebensalter ent-
scheidet. Heute ist die Erstgeburtsordnung in Ansehung der hochadligen Hausgüter allgemein
durchgedrungen; das Majorat i. e. S. ist verschwunden, das Seniorat kommt noch in An-
sehung des Direktoriums gemeinschaftlicher Besitzungen mehrerer Häuser vor. — Tritt sub-
sidiäre Kognatenfolge ein, so sukzediert im Zweffel der auf Grund gleicher Folgeordnung nächst-
berufene Kognat des letzten vom Mannsstamme.
III. Die Erbfolge in Familienfideikommisse (oben § 72) ist Sondererbfolge
kraft stifterischer Anordnung. Das Folgerecht ist unentziehbares Wartrecht, das für jeden Be-
rufenen unmittelbar aus dem Willen des Stifters fließt. Darum ist die Ausschließung eines
Familiengliedes wegen Mangels eines stiftungsmäßigen Erfordernisses (z. B. Ahnenzahl,
Religionsbekenntnis) dem Nachkommen, der dieses Erfordernis erfüllt, unschädlich. Der An-
fall des Fideikommißvermögens erfolgt von Rechts wegen. Die Folgeordnung richtet sich
nach der Anordnung des Stifters. Hat er nichts verordnet, so gilt die gesetzliche Erbfolge-
ordnung hinter dem letzten Besitzer, kann daher der Anfall an mehrere Anwärter erfolgen.
Fast immer aber ist Einzelerbfolge angeordnet. Der Stifter kann gemeinrechtlich die Folge-
ordnung beliebig einrichten. Manche Partikularrechte verbieten gewisse Folgeordnungen (wie
das Preuß. LR. bei Landgütern das Seniorat) oder lassen bei Neuerrichtungen überhaupt
nur die Erstgeburtsordnung zu (so Bayr., Hannov., Braunschw. R.). Es finden sich neben
den Majoratsordnungen hier auch Minoratsordnungen mit Vorzug des jüngeren Alters oder
der jüngeren Linie (Minorat i. e. S., Juniorat, Ultimogenitur) und gemischte Ordnungen
(z. B. Berufung des jüngsten der ältesten Linie). Sind subsidiär Kognaten berufen, so sukzedieren
sie im Zweifel nach der für den Mannsstamm geltenden Folgeordnung (anders Preuß. LR.);
auch hier aber muß, wenn nichts anderes bestimmt ist, die Nähe zum letzten Besitzer ent-
scheiden. — Vielfach finden sich verbundene Fideikommißstiftungen, indem neben einem
Hauptfideikommiß eine Sekundogenitur für eine zweite Linie, eine Tertiogenitur für eine dritte
Linie usw. gestiftet ist; dann bleibt der Besitz nach Linien getrennt; rückt die zweite Linie durch
Erlöschen der ersten Linie in das Hauptfideikommiß ein, so muß sie ihr bisheriges Fideikommiß
an die dritte Linie abgeben.
§ 130. Erbfolge in Bauergüter. Eine besondere Erbfolge in Bauergüter (oben § 73)
entwickelte sich in Deutschland überall, wo an dem System der geschlossenen Höfe festgehalten
wurde. Sie erfuhr eine besondere Befestigung und Ausgestaltung im Bereiche der hofrecht-
lichen Vererbungsregeln (oben § 68), wurde dann aber durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht
im größten Teil Deutschlands allgemeines Recht. Die bäuerliche Erbfolge zielte auf die Er-
haltung des wirtschaftlichen Bestandes der Höfe durch Berufung eines einzigen Hofeserben
(„Anerben“) unter billiger Abfindung der Miterben. Sie verbreitete sich namentlich in Ver-