308 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
schriften und Schriftsteller; dazu tritt die sich noch stets vergrößernde Zahl der in Ägypten
aufgefundenen Papyrusurkunden, aus späterer Zeit auch noch einige Papyrus- und Pergament-
urkunden sonstiger Herkunft 1. c) Bücher der römischen Juristen; darüber siehe unten § 52
das Nähere 2.
Die nichtjuristischen Quellen sind die Inschriften auf Denkmälern 3s, Münzen usw. und
die gesamte römische Literatur ", sowie die spätere griechische, namentlich die griechischen Schrift-
steller über römische Geschichte, wie Polybius, Plutarch, Dionys usw.
Die moderne Wissenschaft der römischen Rechtsgeschichte hat
ihren Anfang erst im 16. Jahrhundert genommen 5. Bei der ersten Wiederbelebung des römi-
schen Rechts in Italien im 12. und 13. Jahrhundert war die Wissenschaft rein dogmatisch,
in den folgenden Jahrhunderten von spezifisch praktischer Tendenz. Die humanistische Re-
naissance des 15. Jahrhunderts in Italien hat sich nur wenig mit den Rechtsquellen befaßt:
Laurentius Valla hat grammatische Bemerkungen zu den Pandekten gemacht,
Angelus Politianus (1454/80) die Florentiner Digestenhandschrift sorgfältig ver-
glichen und den Plan einer Ausgabe entworfen. Erst seit der Reformation durchbrach auch
auf dem Gebiete der Rechtswissenschaft der freie kritische Geist die scholastischen Dogmen; man
kam durch das Studium des klassischen Altertums zu der Einsicht, daß auch das römische Recht
nur einen Teil des römischen Lebens bilde, und daß daher die philologisch-historische Methode
bei ihm gerade ebenso wie bei dem übrigen römischen Altertum angewendet werden müsse.
In Deutschland fand diese Richtung nur kurze Zeit Vertreter in Ulrich Zasius" (Zäsy
1461/1535), seinem Schüler J. Sichardt (1499/1552) und Gregorius Haloander
(Meltzer 1501/31); von Italienern gehören A. Alciatus (1492/1550) und C. Sigonius
(1524/1584) hierher; von Spaniern A. Augustinus (1517/86). Aber der Hauptsitz der
neuen Schule wurde Frankreich, wo sie anfangs namentlich von dem ritterlichen Beschützer
der Wissenschaften, Franz I., persönlich gehegt und gefördert wurde. Aussuchung, Heraus-
gabe, Kritik der alten Quellen, Benutzung der nichtjuristischen Klassiker, geschichtliche Behand-
lung des Rechts selber schufen hier eine ganz neue historische Wissenschaft und gaben damit zu-
gleich der praktisch dogmatischen eine neue Grundlage. Der berühmteste Name ist Cujas?
(Cujacius 1522/90), außer ihm mögen nur Budé (Budaeus), Du Tillet (Tilius), Brisson,
P. und F. Pithou, Fabrot, D. und J. Godefroys (Gothofredus) genannt werden.
Mit dem Siege des Jesuitismus wurde dieser ganzen Wissenschaft für Frankreich der Lebens-
1 Die durch Inschriften usw. Überlieferten, zur Zeit des Ersheinens bekannten, wichtigeren
Urkunden bis zum 4. Jahrhundert sind in Bruns, Fontes I p. 283—421, Girard, textes
. 797—912, gesammelt. Die späteren finden sich in: lur. .om. tabulse negot. soll. ed.
p an — enbe Szg. 1822. Über die Papyrussammlungen s. unten 63.
le Uüberreste von juristischen Schriften der Römer außer Justinians Institutionen und
LHandekten sind gesammelt in: urisprudentiae anteiustinianae reliquias edd. Seckel et Kuebler
I. 1908, II2. 1911 (6. Aufl. von Huschke, iurispr. anteiust.). Collectio librorum iuris ante-
instiani edd. Krüger, Mommsen, Studemun d. I (ed. V). 1905. II. 1878. III. 1890.
Girard, textes p. 213—631. Riccobono, Baviera, Ferrini, Fontes II. Bgl.
auch Brem er, iurisprud. antehadrianae d. supers. 2 Dde. 1896. 1898. 1901.
Die vollständige Sammlung wird das von der Berliner Akademie der Wissenschaften ver-
anstaltete Corpus inscriptionum latinarum enthalten, von dem seit 1863 Bd. 1—15 b mit Suppl.
(mehrere Bände noch unvollständig) erschienen sind. Eine Auswahl enthalten: Orelli, Inscr.
lat. collectio, II voll. 1828. Vol. III. ed. Henzen. 1856. Wilmanns, Exempla inscr. lat.,
II voll. 1873. Dessau, Inscr. lat. selectae I. 1892, II. 1902. 1906.
* Darüber s. Teuffel, Gesch. der, röm. Ltteratur (6. Aufl. von Kroll, Skutsch u.
and. 3 Bde. 1910 ff.). M. S chanz, Gesch. der röm. Literatur bis zum gesehge ebungswerk
Justinians (J. v. Müller, Handbuch VIII) II—II: (3. Aufl. 1907—11), II/. III (2. Aufl.
1901. 1905), IVI (1904). Von einigen weniger verbreiteten Schriftstellern, wie Festus, Varro,
den S oliasten u. a., sind Auszüge des juristischen Inhalts zusammengestellt in Bruns,
Fontes II.
* Das einzige vollständige, aber ungenügende Werk über die moderne Geschichte des römischen
Rechts ist: Hugo, Gesch. des röm. Rechts seit Justinian, 3. Aufl. 1830. Stintzing., Ge-
schichte der deutschen Rechtswissenschaft. I. 1880. II. III von Landsberg. 1884. 1898. 1910.
Stintzing, U. Zasius, 1857, und in der Gesch. d. DRW. I 155 ff.
*7 Spangenberg, J. Cujas und seine Zeitgenossen. 1822 (nach Berriat- Saint-
Prix, Histoire du droit Romain suivie de F’histoire de Cujas. 1821).
* Bidgraphien s. in Jugler, Jurist. Biographie. I 381. II 114. VI 240. 265.