312 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
ist 1. Schon die ältesten Verfassungszustände Roms sind ohne die Annahme ungleicher Ver-
teilung des Grundbesitzes kaum zu denken. Eine andere Frage ist, ob der private Grund-
besitz von jeher frei veräußerlich war. Ungleichheit des Grundbesitzes konnte auch ohne freie
Veräußerlichkeit entstehen 2 Gegen freie Veräußerlichkeit in alter Zeit spricht die Tatsache,
daß die alte Veräußerungsform der Manzipation ursprünglich anscheinend nur der Veräußerung
beweglicher Sachen diente und auf die Übertragung von Grundstücken erst nachträglich künst-
lich adaptiert worden ist .
Gewerbe und Industrie konnten in dem Rom der Königszeit noch keine große Rolle
spielen. Zwar sollen die nötigsten Handwerke schon von Numa in Zünfte geordnet worden
sein", nämlich Zimmerleute, Schmiede, Gerber und Riemer, Töpfer, Färber und sogar auch
Goldarbeiter. Auch ein gewisser Grad von Handel wird sich schon in jener alten Zeit entwickelt
haben, und zwar schwerlich bloßer Binnenhandel, wobei doch in der Hauptsache nur an den
Export landwirtschaftlicher Produkte in das benachbarte Latium und Etrurien im Austausch
etwa gegen Metalle gedacht werden könnte 5, — an einen dafür verwendbaren erheblichen Pro-
duktionsüberschuß im römischen Gebiet ist ebenso schwer zu glauben wie an ein entsprechendes
Importbedürfnis der anderen Gebiete. Wohl aber Transithandel von der See her; Rom war
nach der See zu durch seine Lage zum Emporium Latiums und des südlichen Etruriens bestimmt
und mußte notwendig Anziehungskraft für die seefahrenden Griechen und Karthager ge-
winnen 7.
Der innere Verkehr war sicher nur gering. Die Bewegung des Eigentums kann noch
nicht lebhaft gewesen sein. Darum besteht auch noch kein eigentliches Vertragssystem; Bar-
zahlung oder Treu und Glaube (kides) beherrschen den Verkehr. In vorhistorischer Zeit diente
das Vieh als Wertmesser und Zahlungsmittel (pecunia von pecus). An dessen Stelle tritt
dann der Barren aus Kupfer (rodus, raudusculum, aes rude), der von Privaten gegossen wird
und deshalb im Handel gewogen werden muß (pendere, dependere). Die Zuwägung erfolgte
vor Zeugen durch einen Vertrauensmann der Parteien, den sog. libripens (negotium per aes
et libram). Die Eigentumsübertragung an den Sachen, die das stehende Kapital des Bauern
bilden (res mancipi), forderte Empfang des zugewogenen Kupferpreises, und dieser Empfang
verpflichtete zugleich den Verkäufer zur Gewährschaft (auctoritas, sog. actio auctoritatis auf
doppelten Ersatz des Preises der entzogenen Sache). Aus dieser Wurzel entwickelte sich die
spätere Eigentumsübertragungsform der mancipatio, bei der das Abwägen nur noch der
Form halber zum Schein erfolgte. Auch Darlehen wurden in alter Zeit sicher stets per aes
et libram gegeben, wirkten aber schwerlich schon als solche verpflichtend. Als obligatorischen
Vertrag der Urzeit haben wir uns vielmehr, wie bei sehr vielen Völkern, eine Selbstverpfän-
dung des Schuldners zu denken, die den Gläubiger berechtigte, sich bei Ausbleiben der Zah-
lung seiner Person zu bemächtigen und ihn bis zur Befriedigung in Fesseln (als nexus) zu
halten. Diese Selbstverpfändung konnte sich an ein Darlehen anschließen 3, wird aber auch
auf anderer Grundlage haben stattfinden können, z. B. zur Sicherung einer zur Sühne eines
: Pöhlmann a. a. O. S. 424 f.; E. Meyer, Gesch. d. Altert. II S. 519. Bgl. über
die bina iu * noch die Vermutungen bei Max Weber, Conrads Handwörterbuch der Staatswiss.
3. Aufl. S. 144 f.; Soltau, Neue Jahrbb. XXV S. 732.
: Für freie Veräußerlichkeit Bruns in den früheren Auflagen.
* Das manu capere, das dem Akt seinen Namen gab, war bei Grundstücken sinnlos und
wurde darum auch späterhin bei ihnen nicht Fesordert, noch auch symbolisiert. Gai. I 121, Ulp.
XIX 6. Abweichend Voigt, 12 Taf. 342.
* Sehr alt sind diese Zünfte gewiß, #S W altzing, Et. hist. sur les corpor. profess.
chez les Romains. 1 (1895). p. 61 8.
* So Bruns in den früheren Auflagen.
*Bgl. de Sanctis, Storia dei Romani II p. 170 s.
v D66 bleibt richtig, ob man nun den bekannten Handelsvertrag mit Karthago Polybius
folgend schon in das Jahr 508 oder mit Diodor wohl richtiger erst in das Jahr 348 setzt.
Die herrschende Meinung läßt, wie aus dem Barkauf die Manzipation, so aus dem ernst-
lichen Darlehen der Urzeit ein als bloße Obligationsform dienendes Scheindarlehen per aes et
libram sich entwickeln, das sogenannte nexum, über dessen Gestalt und Rechtsfolgen die Ansichten
weit auseinandergehen. weifel über diese Meinung bei Lenel, Z3R6G. 36 S. 84 f. Die
Literatur der Frage s. bei Girar d, Manuel, 5. 64. p. 478, dazu noch Mitteis, Köm. Privat-
recht 1 S. 136, Eisele, Studien z. röm. Rechtsgeschichte (1912) S. 1f.