3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 317
Ein König mit vollem imperium, d. h. unbeschränkter Banngewalt, der zwar tatsächlich nach
der Überlieferung vom Volke auf Lebenszeit gewählt oder doch bestätigt wird, der aber sein
Amt aus eigenem Rechte und als Recht übt und verantwortlich ist. Daneben ein Senat, der
zwar nur selbstgewählter Rat des Königs ist, aber stets die mächtigsten und einflußreichsten
Männer der patrizischen gentes in sich schließt. Volksversammlungen, die zwar nur vom
Könige berufen werden können, in denen dann aber einfach nach den Kurien abgestimmt wird
(comitia curiata), jeder mündige Bürger also gleiches Recht hat. Endlich priesterliche Sach-
verständigenkollegien, die das kas, das geistliche Recht, zu wahren haben: sie sind zwar vom
König abhängig, nicht zu Rechtsprüchen und Anordnungen (edicta) befugt, sondern nur zu
Gutachten (responsa); aber diese sind tatsächlich maßgebend und bilden so eine selbständige
Macht. So ist das Fetialenkollegium bedeutend für den völkerrechtlichen Verkehr (Kriegs-
erklärung und Friedensschluß), die Augurn für die Erforschung des Willens der Götter in
staatlichen Angelegenheiten (Auspizien), vor allem der pontiferx maximus mit seinem Kollegium
als judex atque arbiter rerum divinarum humanarumque (Festus p. 185). Eine genauere
Bestimmung des Verhältnisses der drei weltlichen Gewalten: König, Volk, Rat, zueinander
hat man bei uns vielfach versucht; indessen muß man sich hüten, die scharfen rechtlichen.
Grenzen der späteren und heutigen Zeit in diese Urzeit hineinzuverlegen. Die Macht der
faktischen Umstände und namentlich der Persönlichkeit der einzelnen Könige mögen wohl vor
allem entscheidend gewesen sein. Immerhin wird man doch annehmen dürfen, daß schon da-
mals die Grundzüge der späteren Verfassung vorhanden waren; denn die Republik tritt nicht
als Neuschöpfung, sondern als Abwandlung und Abschwächung des Bestehenden auf. Danach
erscheint der König (rex) als ausschließlicher Inhaber aller geistlichen und weltlichen Gewalt.
Aber diese gilt als ihm anvertraut. Er selbst beantragt bei der Volksversammlung die 1. curiata
(de imperio), d. h. das Treugelöbnis der Bürger, das ihm nicht verweigert werden darf. Er
muß auch seinerseits nach dem späteren Ausdrucke die Gewalt zum Besten des Gemeinwesens
in Treue üben. Dabei steht ihm der Senat zur Seite, aber lediglich mit beratender Stimme
(consilium). Eine feste, der Königsgewalt gegenüber verfassungsmäßig geordnete Kompetenz
der Volksversammlung wird man kaum annehmen dürfen: der König wird die Volksversamm-
lung befragt haben, wenn die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die Wichtigkeit eines
zu fassenden Entschlusses (z. B. über eine Kriegserklärung, einen Friedensschluß, einen Waffen-
stüllstand) es ihm ratsam erscheinen ließen, sich zuvor der Zustimmung des gesamten Volkes zu
vergewissern. Die Abstimmung fand dabei nach Kurien statt (comitia curiata). Die auch
später unverrückten Grundlagen des Staatswesens sind die allgemeine Wehr-, Steuer- und
Fronpflicht der Bürger, einerlei ob Patrizier oder Plebejer. Die letzte (munera) ist, wie wir
sie kennen, im Verschwinden, aber sicher bezeugt und praktisch (Cicero Verr. 5, 48; Liv. 1 56, 1;
lex Urson. 98). Jeder Bürger ist dienstpflichtig, und nur er hat das Wehrrecht: das Heer (legio)
besteht nur aus Bürgern; jeder Bürger muß steuern, die nicht Wehrfähigen (viduae, pupillae,
orbi) in besonderer Weise. Der König kürt (dilectus) das Kriegsheer, er schreibt die Kriegs-
steuer (für den Sold) aus (tributus), beides wohl unter Mitwirkung des Rates, wenn und so-
weit ein Bedürfnis ist; er befehligt das Heer und verfügt über Beute und erobertes Land (ager
publicus). — Der König ist endlich Gerichtsherr in Strafsachen und Zivilsachen. Die Straf-
taten zerfallen in Sakral- und weltliche Vergehen. Uber beide richtet der König. Doch wurde
bei reinen Sakralvergehen (Meineid, unabsichtlicher Tötung) keine Strafe verhängt; die Ahn-
dung stand der Gottheit zu (düs sacer esto). Die Verbrechen der weltlichen Rechtsordnung
richten sich entweder gegen den Staat (perduellio) oder gegen Privatpersonen und ihr Ver-
mögen (Mord, Entwendung, iniuria, Sachbeschädigung). Die letzteren überläßt der Staat der
Privatverfolgung (Blutrache, Tötung des abgefaßten Diebes oder Ehebrechers) oder der Klage auf
Talion oder Ersatz. Bei ersteren wird von Amts wegen eingeschritten, ohne bestimmte Formen
verhandelt, regelmäßig, im Sinn eines Opfers, die Todesstrafe erkannt und vollstreckt. Daß es, wie
die römische Uberlieferung will, von dem Königsurteil eine Berufung (provocatio) an die
Volksversammlung gegeben habe, die dann als eine Art Begnadigungsinstanz hätte freisprechen
dürfen, ist nicht glaublich, da das Rechtsinstitut der Provokation noch im Jahr 300 v. Chr. ge-
setzlicher Einschärfung bedurfte (Liv. X 9) oder vielmehr wahrscheinlich damals überhaupt erst
eingeführt wurde. Dasselbe gilt von der Nachricht, daß der König die Aburteilung an seiner