Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

324 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
(367) — der Prätor erhält als collega consulum die Zivilgerichtsbarkeit in der Stadt — und 
der kurulischen Adilen (3665), denen die bis dahin den Konsuln zustehende städtische Polizei 
übertragen wurde. Alle diese Amter aber und zuletzt auch der Pontifikat (lex Ogulnia von 300) 
sind schließlich den Plebejern eröffnet worden. Den Abschluß des ganzen Ständekampfes bildet 
die Hortensische Gesetzgebung (287), die den Plebisziten Gesetzeskraft für alle Quiriten ver- 
lieh (die lex Publilia Philonis von 339, der die gleiche Bestimmung zugeschrieben wird, dürfte 
ebenso apokryph sein wie die schon erwähnte lex Valeria Horatia von 449) 1. 
Was nach alledem von Sonderrechten der Patrizier übrigblieb (Zulassung zu gewissen 
Priesterwürden), entbehrt aller politischen Bedeutung; umgekehrt sind die Plebejer durch 
alleinige Zulassung zum Tribunat bevorzugt. Tatsächlich aber wächst der alte Adel mit den 
plebejischen Familien, die einen Konsul? unter ihren Ahnen zählen, zu einem neuen, aber 
nicht geschlossenen Erbadel (Nobilität) zusammen. 
II. Die zwölf Tafeln. 
§ 15. Die bei der Rechtspflege beteiligten Magistrate und Geschworenen waren in den 
Anfangszeiten der Republik ausschließlich Patrizier. Ebenso geschah die Uberlieferung des 
geltenden Rechts ausschließlich durch Patrizier: die Pontifices nämlich, die die wichtigeren 
Rechtssprüche aufgezeichnet und in ihrem Archiv aufbewahrt zu haben scheinen; sie erwarben 
so eine Art Monopol der Rechtskenntnis, und auf ihre Gutachten war der Rechtsuchende ange- 
wiesen. Das war ein Zustand, der die Parteilichkeit begünstigte und das Mißtrauen der Plebs 
herausforderte. So ist es durchaus begreiflich, daß die Plebejer mit dem Verlangen einer 
Aufzeichnung des Landrechtes, einer Kodifikation, hervortraten, die das von Natur biegsame, 
unbestimmte, ja oft ungewisse, jedenfalls der subjektiven Auffassung und der Willkür sehr 
weiten Raum lassende Gewohnheitsrecht ersetzen sollte. Nach der römischen Uberlieferung 
wäre der Verlauf dieser Bewegung in großen Zügen der folgende gewesen. Schon im Jahre 
462 stellt der Tribun C. Terentilius Arso den Antrag auf Abfassung von geschrie- 
benen Gesetzen, an welche die Konsuln gebunden sein sollten (Liv. III 9) 3. Die Patrizier 
leisten den heftigsten Widerstand. Acht Jahre lang wissen sie den Beschluß über den Antrag 
zu hintertreiben. Endlich vereinigt man sich, das gesamte Recht in feste Gesetze zu bringen. 
Neuer Aufschub wird durch eine Gesandtschaft nach Athen zur Herbeischaffung der griechischen 
Gesetze erlangt. Dann geht man ans Werk (451). Aber es wird nicht eine Gesetzgebungs- 
kommission eingesetzt, vielmehr wird die ganze Verfassung aufgehoben; statt der Konsuln und 
Tribunen werden zehn Männer auf ein Jahr ernannt, die den Staat regieren und zugleich die 
Gesetze machen sollen. Die Gesetze waren auffallend schnell fertig. Noch in demselben Jahre 
wurden sie den Komitien vorgelegt, von ihnen bestätigt und in zehn Erztafeln gegraben auf 
dem Forum aufgestellt. Dennoch wurden für das nächste Jahr neue Dezemvirn ernannt, weil 
Nachträge nötig seien. Sie liefern zwei neue Tafeln; Cicero (de rep. II 63) nennt sie tabulase 
iniqguarum legum; weshalb, sind wir außer stande zu sagen: die in den XII Tafeln doch nur 
festgehaltene Unebenbürtigkeit der Plebejer (11, 1) rechtfertigt die Bezeichnung nicht. Unter 
dem Vorwande noch weiterer Nachträge verlängern sie eigenmächtig ihr Amt auch ins folgende 
Jahr, werden dann aber auf Veranlassung des berühmten Prozesses der Virginia gestürzt, und 
die alte Verfassung wird wiederhergestellt. Die gegebenen Gesetze bleiben: die beiden letzten 
Tafeln werden auf den Antrag der neuen Konsuln von den Zenturiatkomitien genehmigt (lex 
ducodecim tabularum). 
Diese Geschichtserzählung, in deren Einzelheiten übrigens unsere Quellen nicht durch- 
aus übereinstimmen ", stößt auf schwere Bedenken, und zwar nicht bloß deshalb, weil sie an 
1 Man wird auf den oft gemachten Versuch zu verzichten haben, jene dreifache Tradition 
über die gleiche Bestimmung durch problematische Unterscheidungen zwischen dem Inhalt der drei 
Gesetze zu erklären. # Z Z » 
«tchtetwaemenbeliebtgenkurultschenBeamtemBgl.M.Gelzet,DceNobtlttüt 
der röm. Rep. (1912), S. 22f. 
DLeges de imperio consulari scribendae nennt sie Livius, eine freilich keineswegs klare 
Wendung. 
" W die Ubersicht bei Kübler, bei Pauly-Wissowa, s. v. decemviri unter 2.
	        
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