Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 335 
im Mannesstamme erblich. Die Neubürger haben die Tribus ihres Heimatsortes: allem An- 
scheine nach auch die Nichtansässigen 7. 
Auch die Zenturiatkomitien wurden reformiert (Dionys. IV 21). Die Nachrichten über 
diese Verfassungsveränderung sind so dürftig (Liv. I 43, 12; Cic. de rep. II 39) 2, daß man 
auf Vermutungen über ihr Wesen und ihre Tragweite angewiesen ist. Die Gesamtzahl der 
Zenturien — 193 — scheint die alte geblieben zu sein (Cic. de rep. II 39). Sicher bezeugt ist: 
1. daß die 18 Ritterzenturien davon unberührt blieben; 2. daß die alten Klassen und die Zenturien 
der seniores und iuniores auch nach der Reform weiterbestanden; 3. daß eine Verbindung der 
Tribus und der Zenturien stattfand. Die Frage ist aber, in welcher Weise diese letztere vor sich 
ging. Am wahrscheinlichsten scheint folgende Lösung 3. Die Zenturien der ersten Klasse wurden 
auf 70 reduziert, von denen immer je zwei (eine juniorum, eine seniorum) aus einer Tribus 
zusammengesetzt wurden; diese Berücksichtigung der Tribusangehörigkeit war ein Schlag gegen 
die städtische Bevölkerung, die nur an den vier tribus urbange beteiligt war. Die frei- 
gewordenen zehn Zenturien wurden einer oder auch mehreren der unteren Klassen zugeschlagen; 
in welcher Weise, wissen wir nicht, aber ohne daß etwa auch hier die Tribus eine Rolle spielten. 
In dieser Verstärkung der unteren Klassen lag das von Dion. IV 21 hervorgehobene demokratische 
Element der Reform. Die Zeit der ganzen Reform ist streitig; wahrscheinlich fällt sie zwischen. 
241 und 218 v. Chr. . 
§ 22. Der Senats setzt sich aus Patriziern und Plebejern zusammen. Ursprünglich 
wählten sich die Konsuln ihre Vertrauensmänner nach Belieben; später, nach einer I. Ovinia?, 
werden die Zensoren mit „Lesung des Rates“ (lectio senatus) betraut; sie dürfen keinen Senator 
willkürlich ausschließen. Es wird üblich, alle gewesenen patrizischen Beamten, zuletzt auch 
Quästoren und Tribunen in den Senat zu nehmen. Mit der Vermehrung der Amtsstellen 
bleibt kein Raum mehr für andere. So wird der Senat von den Konsuln unabhängig und als 
ständige Körperschaft ihnen überlegen. Die Senatoren, obwohl sie keinen Zensus haben, sind 
als Großgrundbesitzer gedacht; Gewerbe und Handel zu treiben (große Lastschiffe zu halten), 
sich an Staatspachtungen zu beteiligen, sogar Geld auf Zinsen auszuleihen, ist ihnen gesetzlich 
untersagt oder erscheint für sie als unanständig. Damit treten sie in Gegensatz zu den Rittern, 
den höchstbesteuerten Freigeborenen, die gerade als Publikanen und Kaufleute lebten. Der 
Unterschied wird auch äußerlich fühlbar, als (durch C. Gracchus?) der Satz sich feststellte, daß 
das Ritterpferd beim Eintritte in den Senat abgegeben werden mußte. 
Die beiden Funktionen des Senats sind Wahrung des Landrechts und Beratung der 
Konsuln. Die erstere hat jetzt nur der Patriziersenat (patres); ihm liegt auch die Bestellung 
des interrex ob 7. Diese wird bedeutungslos, als die Beamten vorher gewählt (designare) 
werden. Das Recht der Bestätigung der Volksschlüsse und Wahlen (patrum auctoritas) be- 
zieht sich nicht auf Plebiszite. Vielleicht schon seit der lex Publilia (339), wahrscheinlicher erst 
seit der Ilex Maenia (287) muß sie vor dem entscheidenden Akte erteilt werden 3. — Der Gesamt- 
senat ist formell consilium consulum; er tritt nur auf ihre Aufforderung zusammen, und seine 
Beschlüsse erscheinen als Gutachten (senatus consulta). Sie erstrecken sich über die sakralen, 
auswärtigen und finanziellen Angelegenheiten, die Vorberatung der Gesetze und die Einrichtung 
der Provinzen (lex provinciae). Eine eigentlich gesetzgebende Gewalt hat der Senat nicht; 
nur das Recht, für den Einzelfall vom Gesetze zu entbinden (Dispensationsrecht), hat er all- 
i Grotefen d, Imperium Romanorum tributim descriptum. 1863. Kubitschetk, 
De Romanarum tribuum origine ac propagatione. 1882 (Abhandlungen d. archäol. epigr. Seminars 
in Wien. III) und Imperium R. tributim descriptum. 1889. 
: Nicht hierher gehört Appian, b. c. 1 59, vgl. Ed. Meyer, Hermes XXXIII S. 652ff. 
* Hierzu Rosenberg, Untersuch. z. vöm. Zenturienverfassung (1911) S. 62 ff. 
*" Mommsen, Staatsrecht III S. 270 N. 2. 
Willems, Le sénat de la république Romaine. 2 Bde. 1878. 83 (u. Nachtrag). 
. 312 v. Chr.7 So Mommsen, Röm. Staatsrecht II S. 413. Dagegen Pais, 
Storia di Roma IL: p. 551 n. 3. 
!* Bgl. Binder, Die Plebs S. 385 f. 
Ciec., Brut. 14, 55; dazu Binder, a. a. O. S. 484 f.
	        
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