Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 337 
Parteien gewählt, und für die Zentum- und Dezemvirn (s. 5 26)gelten besondere Bestimmungen. 
Der Kampf dreht sich um die Geschworenen in den neuen quagestiones perpetuae. Ursprüng- 
lich sollte nur der Senator Geschworener sein. C. Gracchus gab die Gerichte an die Ritter. 
Seitdem ist das ausschließende Recht des ersten Standes beseitigt und der Kampf dauernd: 
bicipitem civitatem fecit“ sagt Varro (Non. p. 454). Die Umgestaltung der Volksgerichte 
hatte schon vor der Gracchenzeit begonnen; aber erst durch Sulla, Pompejus, Cäsar und Augustus 
wird die Komitialjustiz in Kapitalsachen allmählich ganz aufgehoben und durch ständige Schwur- 
gerichte (sog. qguaestiones perpetuae) ersetzt. Die mit zahlreichen Geschworenen (100, 80, 75, 70) 
besetzten Bänke entschieden unter dem Vorsitze von Prätoren, die zu diesem Zwecke jährlich 
gewählt wurden (pr. repetundis, inter sicarios, maiestatis usw.). Das Verfahren ist wohl dem 
griechischen Fremdengerichte ! nachgebildet und Akkusationsprozeß mit Privatankläger. Der 
Prätor instruiert die Sache nicht bloß, sondern führt sie bis zu Ende; die Geschworenen erscheinen 
als sein consilium, an dessen Mehrheitsbeschluß er rechtlich gebunden ist. Die Umwandlung vollzog 
sich nicht durch eine allgemeine Prozeßordnung, sondern durch einzelne Gesetze, die zugleich den 
Tatbestand der Verbrechen feststellten und das bei ihrer Aburteilung einzuhaltende Verfahren 
vorschrieben. In den Zivilprozeß haben neue Gesetze tief eingegriffen. Zunächst führen 1. die 
leges Silia und Calpurnia (aus ungewisser Zeit und aus nicht festzustellenden Gründen) die 
legis actio per condictionem ein. Sie bezog sich auf Forderungen von certa (credita) pecunia 
und certa res. Dann folgt 2. die vielbestrittene lex Aebutia, wahrscheinlich aus dem letzten Jahr- 
hundert der Republik. Das Richtige dürfte die Annahme treffen, daß sie das zuerst wohl im 
Fremdenprozeß ausgekommene Verfahren per kormulam zur Auswahl neben die Legisaktionen 
stellte: das Gesetz bezog sich nur auf die in Rom vor dem unus iuder von römischen Bürgern 
verhandelten Sachen (iudicia legitima). Der Kläger konnte sich nach formloser Verhandlung 
vor dem Prätor eine schriftliche Anweisung für den Richter erbitten 2. Dadurch wurden die 
Legisaktionen allmählich unbeliebt, und die leges luliae judiciariae des Augustus konnten sie 
aufheben (Gaius IV 30; Gellius XVI 10). II. Volkswirtschaftliche Gesetze der 
verschiedensten Art durchziehen die ganze republikanische Periode. Hierher gehören die zahl- 
reichen leges agrariae, „formelle Gesetze“, die unentgeltliche Ackeranweisungen an Bürger ver- 
fügen, um neue Bauernstellen zu schaffen (vor allem lex Flaminia 232). Übermäßigen Okkupa- 
tionen von Gemeinland durch die Reichen trat die Grachhische lex Sempronia entgegen; gleiche 
Tendenz mögen auch schon ältere Gesetze verfolgt haben, schwerlich aber schon, wie Livius will, 
die problematische lex Licinia Sextia von 3673. Der Ausbeutung der Notlage der unteren 
Klassen sollte durch die Wuchergesetze gesteuert werden (XII Tafeln; I. Duilia Maenia 357, I. 
Genucia 342). Auch die Strenge des Schuldrechts und der Zwangsvollstreckung wurde ge- 
mildert, angeblich schon durch eine I. Poetelia von 326. III. In anderer Beziehung zeigt sich 
eine gewisse wohlwollende, zum Teil altväterische Fürsorge für die einzelnen 
Bürger die hierhergehörigen Gesetze sind sämtlich aus der Zeit nach dem zweiten Punischen 
Kriege. 1. Die Aufwandgesetze (lex Oppia 215, lex Orchia 181, lex Fannia 161) gegen Schmuck- 
und Tafelluxus sind unwirksam geblieben; sie sind nur insofern von Bedeutung, als sie zeigen, 
wie die Römer versuchten, den üblen Folgen des zunehmenden Reichtums und der Verfeinerung 
entgegenzutreten. Nachhaltiger sind die Verbote des Glückspiels gewesen: der Spielverlust 
kann noch im klassischen Rechte zurückgefordert werden (lex Titia, Publilia, Cornelia, nach 200 
erlassen, wie Plaut. mil. 164 sq. (2, 2, 9) ergibt; D. 11, 5, 3). 2. Die lex Cincia (205), Furia 
(c. 1742) und Voconia (169) schränken Schenkungen und Vermächtnisse ein; der Cincia lag 
wohl weniger die altrömische Abneigung gegen Verschwendung (Polyb. XXXII 12,9) zugrunde, 
1 Bgl. Hitzig, D. Herkunft d. Schwurg. i. röm. Strafproz. 1909. 
: Wlassak, Röm. Prozeßgesetze. 1. Bd. 1888. Eisele, Abhandlungen (1889) II. 
* Die von Livius auf Licinius und Sextius zurückgeführte Ackergesetzgebung wird von 
Niese, Hermes XXIII S. 410 ff., aus guten Gründen in sehr viel spätere Zeit gesetzt. In 
dem Kleinstaat von 367 v. Chr., dessen Gebiet auf etwa 56 Quadratmeilen geschätzt wird (Beloch, 
Der ital. Bund S. 70), kann es Gemeinland, das der Okkupation freistand, kaum gegeben haben. 
A. M. Soltau, Hermes XXX S. 624 ff., Neue Jahrbb. XXV Abt. I S. 711 ff., der die Licinische 
Ackergesetzgebung für historisch hält, indem er ihr eine ganz andere Tendenz zuschreibt, als die Über- 
lieferung will. 
Encyklopädie der Rechtswsssenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band I. 22
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.