348, II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten mit dem Rechte der Kriegserklärung, des Friedens-
und Bündnisschlusses. Dagegen wird die Verwaltung der Provinzen geteilt; es gibt kaiser-
liche und senatorische; demgemäß zerfällt auch die Staatskasse, die wesentlich durch Abgaben
der Provinzen genährt wird, in das aerarium, das unter senatorischer Verwaltung steht, und
den fiscus, d. h. die kaiserliche Privatkasse, in welche aber auch die Einkünfte aus den Provinzen
des Kaisers fließen; Senat und Kaiser sind gleichmäßig Berufungeinstanz in Strafsachen, und
beide haben nebeneinander das Münzprägerecht geübt; der Senat freilich war sehr bald auf
die Kupferprägung beschränkt. Dem materiellen Übergewichte des Kaisers vermochte der im
Senate vertretene alte Amtsadel nicht genügenden Widerstand entgegenzusetzen. Nach den
dyarchischen Versuchen der Kaiser des ersten Hauses sind zunächst tatsächlich, dann rechtlich der
Senat und das Volk zugunsten der kaiserlichen Alleinherrschaft immer mehr in den Hintergrund
geschoben, und die republikanischen Formen sogar werden mehr und mehr beseitigt, schon von
Hadrian, dann vor allem von Septimius Severus. Vollendet wird die Um-
gestaltung erst durch Diocletian und Constantin I.
Die beiden Grundlagen des kaiserlichen Imperiums sind die prokonsularische und die
tribunizische Gewalt (potestas); die erste übernimmt der Kaiser rechtlich auf Aufforderung des
Senates, tatsächlich freilich oft genug auf die des Heeres; die zweite wurde ihm noch im zweiten
Jahrhundert v. Chr. formell durch einen Volksschluß übertragen 1. Damit ist in der Theorie
das Prinzip der Volkssouveränität gewahrt, und noch unter Hadrian sprechen die Juristen
das Dogma aus, daß die Gesetze nur gelten, weil sie durch den Willen des Volkes angenommen
seien; ja noch unter Severus gründet Ulpian in einer freilich von Interpolationsverdacht
nicht freien Stelle die Kraft der kaiserlichen Konstitutionen darauf, daß das Volk sein Imperium
auf den Kaiser übertragen habe.
#*34. Die Bürgerschaft. Neben dem Kaiser und dem Senate tritt die Volks-
versammlung von vornherein zurück, wenn auch die Volkssouveränität rechtlich anerkannt bleibt.
Die Blutgerichtsbarkeit ist dem Volke schon zur Zeit der Republik fast vollständig entzogen;
jetzt gelten die quaestiones perpetuae als ordentliches Gericht in Strafsachen, Kaiser und Senat
als außerordentliche Gerichtsstände. An sie geht auch die Provokation aus der Provinz (Apostel
Paulus). Das Gesetzgebungsrecht ist den Komitien nie ausdrücklich genommen, aber tatsächlich
bald verloren gegangen (§ 37). Die Wahl der Jahresbeamten haben sie unter Augustus noch
gehabt; die Wahlversammlungen waren nicht eigentlich mehr gefährlich, konnten aber, wie
Augustus erfahren mußte, unbequem werden. Von Tiberius heißt es gleich im Beginne seiner
Regierung: tum primum e campo comitia ad patres translata sunt (Tacit. ann. 1 15), d. h.
die Wahl der Jahresbeamten wird vom Volke auf den Senat übertragen. Das geschah auf
letztwillige Anordnung des Augustus (Velleius II 124) und vollendet das dyarchische System:
der Senat als Mitherrscher wählt sich seine Beamten wie der Kaiser seine Gehilfen. Der Kaiser
hat durch seine Empfehlungsbefugnis (commendatio) rechtlichen Einfluß auf die Wahl; nur
bezüglich der Konsuln beschränkten sich die ersten Kaiser anscheinend auf tatsächliche Einwirkung.
s35. Die Beamten. Die altstädtischen Beamten: Konsuln, Prätoren, Tribunen,
Adilen und Quästoren, wurden nach wie vor gewählt; Konsuln und Prätoren gehen nach ver-
waltetem Amte als Prokonsuln in die Senatsprovinzen. Die Magistrate haben der Idee nach
ihre alte Stellung; nur geht ihnen überall der Princeps vor, und sie sind zu rein bürgerlichen
Beamten geworden; selbst die Statthalter haben keine militärische Eigenschaft mehr; denn
in den Senatsprovinzen stehen (außer in Afrika) keine Truppen. Die Tribunen sind durch des
Kaisers tribunizische Gewalt lahmgelegt; die Adilen geben ihre verschiedenen polizeilichen Ob-
liegenheiten sehr bald an kaiserliche Diener ab; die Quästoren verlieren die Verwaltung des
Arars, sind also nur noch in der Provinz und als Gehilfen des Kaisers als Prokonsuls tätig. Die
Konsuln haben als Leiter des Senats und wegen der Jahresbenennung immer noch hohes An-
1 Gai. 1 5. Wie sich zu diesem Volksschluß das inschriftlich überlieferte Sc. de imperio
Vespasiani (Gruns Ip. 202) verhält, das sich selbst als lex bezeichnet, ist nicht ganz sicher. Bgl.
einerseits Mommsen, Staatsrecht II S. 877 ff., andererseits Hirschfeld, Die koiserl.
Verwaltungsbeamten, 2. Aufl., S. 475 N. 1.