Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

352 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
138 1. Zunächst wurden die beiden städtischen Edikte und das der Adilen festgestellt. Ob sie 
in eins zusammengefaßt wurden, ist zweifelhaft. Die Kommentare der Juristen aber behandelten 
sie gemeinsam. Hierdurch ist auch das Provinzialedikt im wesentlichen festgelegt; denn es ist 
ja, von den provinziellen Besonderheiten abgesehen, ohnehin nur eine Wiederholung des 
städtischen „ Das ecictum perpetuum wird nicht als Reichsgesetz verkündigt, sondern es wird 
nur auf Antrag des Kaisers durch einen Senatsschluß für unabänderlich erklärt; Zusätze und 
Ergänzungen zu machen behielt sich der Kaiser in seiner oratio selbst vor. Daher stellten die 
Prätoren nach wie vor das Edikt in Rom und die Statthalter es ebenso in den Provinzen auf, 
aber in der endgültigen Julianischen Bearbeitung. So bleibt der Unterschied zwischen jus civile 
und honorarium auch für spätere Zeit bestehen. 
Die Julianische Ediktsredaktion 3 ist es, die allen späteren Arbeiten und Kommentaren 
der Römer über das prätorische Recht zugrunde liegt, und aus der auch unsere Kunde davon 
fast allein stammt. Nur wenig vorzulianische Spuren haben sich bei nichtjuristischen Schrift- 
stellern erhalten. Doch scheint Julian danach keine sehr bedeutenden Anderungen des Textes 
und der Anordnung vorgenommen zu haben. Das Julianische Edikt ist uns nicht überliefert; 
aber mit Hilfe der dazu erwachsenen Literatur, namentlich der großen Kommentare von Gaius 
(ad ed. provinciale), von Ulpian und Paulus ist nicht bloß ein vollständiger Überblick zu ge- 
winnen, sondern es läßt sich sogar teilweise der Wortlaut der Ediktssätze und der Formeln wieder- 
herstellen. Versuche von Rekonstruktionen sind in älterer und neuerer Zeit mehrfach gemacht 
worden 4. Ein ausgebildetes System darf man dabei nicht erwarten; praktische Gesichtspunkte 
und geschichtliche Zufälligkeiten sind bei der allmählichen Feststellung wirksam gewesen. Das 
Edikt zerfällt nur in Titel mit überschriften (de iudicüs, de rebus creditis), nicht in größere 
Abschnitte. Dennoch lassen sich umfassendere Massen unterscheiden. Der Prätor ediziert über 
sein officium, die Prozeßleitung; darum folgt er dem Gange des Prozesses. Den Anfang bilden 
die Satzungen, durch welche das Verfahren (in jure) bis zur Niedersetzung des Gerichtes geregelt 
und gesichert werden soll. Am Schlusse stehen die Regeln der Zwangsvollstreckung (ductio, 
missio in possessionem u. actio iudicati). Sie leiten zu einem Anhange über: interdicta, e#- 
ceptiones und stipulationes praetoriae, ohne Zusammenhang unter sich. Das Mittel- und 
Hauptstück gibt die Aktionen und sonstigen prätorischen Rechtsmittel. Es zerfällt in zwei Ab- 
schnitte, deren erster anscheinend die der ordentlichen, der zweite die der schleunigen Rechts- 
hilfe angehörigen Rechtsmittel enthält, daher wir in letzterem z. B. die Edikte über die bonorum 
possessio, über mancherlei Kautionen und Missionen und die iudicia recuperatoria finden 5. 
IV. Kaiserliche Gesetzgebung. 
8 39. Gesetzgebende Gewalt des Kaisers. Neben den absterbenden 
republikanischen Formen der Gesetzgebung erwächst allmählich eine selbständige Gesetz- 
gebung der Kaiser. Ein eigentliches Gesetzgebungsrecht steht dem Kaiser zwar nur 
in sehr engen Grenzen zu. Allgemein verbindliche Gesetze kann er nicht geben. Selbst das 
Recht, von dem Gesetze im Einzelfalle zu entbinden, verbleibt im ersten Jahrhunderte der Kaiser- 
1 So mit guten Gründen A 1. pleton, NRH. XXXIV p. 791, gegen Girard, baselbst 
b. 5 ss., der die Ediktsredaktion in die Zeit zwischen 125 und 128 I#nz“ p. 39) setzt. Die Schlüsse, 
ie Girard aus sl 18 der c. 44ze zieht, gehen m. E. viel zu weit: trotz des Byzantinischen Be- 
richts bleibt es durchaus möglich, daß Hadrian seine oratio im Senat nicht persönlich gehalten, 
sondern durch einen Quästor hat verlesen lassen; die Annahme, daß er damals in Rom anwesend 
gewesen sein müsse, und die daraus gezogenen Folgerungen sind also hinfällig. 
Die Behauptung v. Velsens (ZR. XXXIV S. J73 ff.), daß es ein Prooinzialediit 
überhaupt nicht gegeben habe, stützt sich nicht auf wirklich durchschlagende Beweise. Vgl. indes 
auch Kniep, Gaius (1910) S. 124 ff. 
Rudorff, Die Julianische Ediktsredaktion, in der ZRG. III S S. 1. Lenel, Beiträge 
zur Kunde des prätorischen Edikts. 1878; ZRG. XV S. 14—83. XVI S. 104f. 177 S. XVII 
S. 112 f. XXV S. 1 ff. XXXIII S. 1f. 
4 Rudorff, Edicti perpetui quae reliqus sunt. 1869. Auf breiterer Grundlage: 
Lenel, Edictum perpetuum. 1883. 2. Aufl. 1907. Eine Zusammenstellung der erhaltenen 
Edikte gibt Lenel bei Bruns, Fontes I p. 211—238. 
* Vgl. Lenel, Ed. perp.: S. 29ff.
	        
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