366 II. Geschichte und System des deutschen und romischen Rechts.
es werden Anweisungen für deren Verwaltung gegeben (de officio consulis, praefecti prae-
torio, assessoris usw.); nach unseren Bruchstücken wird dabei hauptsächlich die Rechtsprechung
berücksichtigt. Daneben gehen Schriften über Steuerverwaltung (de censibus), Finanzrecht
und Städteordnung. Das Strafrecht wird regelmäßig in Form von Erläuterungen zu den
einzelnen Gesetzen, namentlich den Quästionenordnungen, erörtert. Daneben gibt es zu-
sammenhängende Schriften über Strafrecht und Strafverfahren (de iudicüs publicis) und
einzelne Fragen daraus (de delatoribus, de poenis). Der Zivilprozeß mußte begreiflich zum
großen Teile im Zusammenhange mit dem Edikte besprochen werden. über einzelne Lehren
wurde monographisch geschrieben (de interdictis, de concurrentibus actionibus, de appel-
lationibus, de testibus). Das amtsrechtliche Verfahren wird selbständig behandelt (de cogni-
tionibus). Bei weitem überwiegend aber sind die Schriften über Privatrecht.
Der Form nach hatte man ähnliche Unterschiede wie bei uns, exegetische, systematische,
monographische, kasuistische Schriften, unter den verschiedenartigsten Titeln. In der Aus-
führung waren freilich fast alle mehr oder weniger kasuistisch, wie das der Art und Weise der
römischen Jurisprudenz entspricht (§ 44). Eine Ausnahme machen die Schriften zur Einführung
in die Rechtskunde (institutiones, regulae): sie geben einen kurzen Abriß des gesamten Privat-
rechtes, arbeiten also Zivil- und Ediktsrecht ineinander. Für unsere Kenntnis geschah das zuerst
von Gaius (s. oben unter § 50). Sonst wird durchgängig Zivil- und Ediktsrecht auseinander-
gehalten. Bei dem ersteren wurde das System des Sabinus, das vielleicht wieder auf
dem des O. Muciusberuhte, die allgemeine Grundlage. Die größeren Werke darüber wurden
daher libri ad Sabinum betitelt, so von Pomponius, Ulpian und Paulus. Die
Werke über das prätorische Recht hatten durchgängig die Form von Kommentaren „ad edictum“,
so von Pomponius, Gaius, Ulpian und Paulus. Rein äußerlich vereinigen
die „Digestenwerke (von Celsus, Julian, Marcellus, Scaevola) die beiden
Rechtsteile: sie fügen an Erörterungen, die sich an das Ediktssystem anschließen, solche zu den
wichtigsten Gesetzen (XII Tafeln, lex Cincia, Falcidia, Papia, Aquilia usw.), bringen aber dort
so gut wie hier dogmatische Ausführungen auch über zivilrechtliche Lehren. Kasuistische Schriften
sind die responsa (Gutachtensammlungen), epistulae (Briefe auf wirkliche Anfragen von
Juristen und anderen, auch bei Gelegenheit von Rechtshändeln), quaestiones und disputationes
(Erörterungen von Rechtsfällen aus der eigenen und fremden Praxis, wohl im Zusammen-
hange mit dem publice respondere). Privatrechtliche Monographien sind nicht zahlreich (de
formula hypothecaria, stipulationum 1. 19 von Venuleius, de fideicommissis, de manu-
missionibus, de execusationibus).
§ 52. Uberbleibsel. Die heutige Uberlieferung dieser ganzen Literatur
ist äußerst mangelhaft. Auch nicht ein einziges von allen jenen Werken ist vollständig auf uns
gekommen! Zwar ist gewissermaßen die praktische Quintessenz der ganzen Literatur in den
Exzerpten, die Justinians Pandekten bilden, erhalten; allein dabei ist die alte Gestalt zum Teile
bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt und korrumpiert 1. Außerdem aber sind nur wenige Bruch-
stücke der allgemeinen Zerstörung entgangen 2. Die wichtigsten sind:
1. Die Institutionen des Gaius, schon im späteren Rom ein vielgelesenes Werk in
4 Büchern, die ersten Institutionen, die unseres Wissens überhaupt geschrieben sind, ausgezeichnet
durch Vereinigung des zivilen und prätorischen Rechts zu einem Gesamtsysteme (personae,
res, actiones), durch historische Ausführungen und eine merkwürdig klare Darstellung s, sind
1 Man hat die Bruchstücke der Pandekten nach Verfassern und Werken geordnet und dadurch
für eine Benutzung der Pandekten als Quelle der Rechtsgeschichte erst die Grundlage geschaffen.
O. Lenel, Palingenesia iuris civilis. 2 Bde. 1889. Das gleichnamige Werk von Hommel,
3 RBde. 1767 f., ist gänzlich veraltet. Auf die vorhadrianische Jurisprudenz beschränkt sich F. P.
Bremer, Jurisprud. antehadr. d. supers. 2 Teile 1896—1901. Wertvolle Untersuchungen
über „Alter und Folge der Schriften römischer Juristen von Hadrian bis Alexander“ enthält die
so betitelte Schrift Fittings (2. Aufl. 1908).
: Eine vollständige Zusammenstellung enthalten die S. 308 N. 2 angeführten Sammlungen.
Dernburg, Die Institutionen des Gajus, ein Kollegienheft. 1869. Dazu die Krikik
von Degenkolb in der krit. Vierteljahrsschrift XIV 489. Fitting, 8 RG. XI 325. Kübler,
bei #a#nsh-#isowa s. v. Gaius unter IV. Bgl. übrigens auch Kniep, Der Rechtsgelehrte
Gaius S. .