Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 367 
keine originale Schöpfung, sondern Bearbeitung einer älteren Vorlage 1. Trotz der späteren 
Institutionenwerke von Marcian, Ulpian u. a. blieben sie überall im Occident wie im 
Orient bei Juristen und Grammatikern im Gebrauch, so sehr, daß sie im 6. Jahrhundert dort 
in das westgotische, hier in Justinians Gesetzbuch mit ausgenommen wurden, in beiden freilich 
überarbeitet und verstümmelt. Noch im 5. Jahrhundert wurden sie in der echten alten Gestalt 
in Abschriften in Italien verbreitet, und eine solche Abschrift, eine recht fehlerhafte, ist uns er- 
halten. Man hatte das Pergament im 8. oder 9. Jahrhundert benutzt, um Briefe des h. Hierony- 
mus nach Abwaschung der alten Schrift darauf zu schreiben (sog. codex rescriptus), und dadurch 
kam es in die Bibliothek des Domkapitels zu Verona, wo dann im Jahre 1816 die ursprüngliche 
Handschrift darin von Niebuhr entdeckt wurde. Drei Blätter sind verloren, und auch auf 
den vorhandenen läßt sich vieles nicht mehr entziffern, so daß etwa ein Fünftel des Ganzen 
fehlt 2. 
Man machte für das Schulbedürfnis daraus einen Auszug in zwei Büchern, der das Ge- 
schichtliche, namentlich den unpraktisch gewordenen Prozeß, wegläßt. In dieser Gestalt wurde 
Gaius zu Justinians Zeit beim Rechtsunterrichte gelesen (c. Omnem § 1), und so wurde er im 
6. Jahrhundert ins westgotische Gesetzbuch ausgenommen 3. Justinian dagegen ließ das echte 
Werk überarbeitet seinen Institutionen zugrunde legen. 
Reste einer äußerst minderwertigen Interpretation der Institutionen, wahrscheinlich aus 
dem 5. Jahrhundert stammend, sind von Chatelain in der Seminarbibliothek zu Autun gefunden 
und 1899 herausgegeben worden “. « 
2. Mäcians assis distributio, an Mark Aurel zu dessen Belehrung gerichtet, also 
spätestens 150 verfaßt. Die kleine Schrift handelt von der Einteilung des As und der Be- 
zeichnung der Teilstücke, auch mit Rücksicht auf Zerlegung der Erbschaft 5. 
3. Die sog. fragmenta Ulpiani, d. h. ein Bruchstück (ein verstümmeltes Proömium und 
29 einzelne Titel) von einem Auszuge aus einer Schrift Ulpians: liber singularis regularum. 
Das Werk folgt derselben Ordnung wie Gaius' Institutionen, mit denen es auch im einzelnen 
oft übereinstimmt: unser Bruchstück behandelt Personen-, Sachen= und Erbrecht. Zeit und 
Ort der Entstehung sind unbekannt. Die uns erhaltene Abschrift ist im 10. Jahrhundert in Frank- 
reich geschrieben und im Jahre 1549 von Du Tillet (Tilius) aus einer Handschrift des westgotischen 
Gesetzbuchs herausgegeben 5. 
Dies geht insbesondere aus dem fast vollständigen WManzel zeitgenössischer Zitate hervor. 
Bgl. Jörs, bei Pauly-Wissowa, s. v. Domitius Ulpianus, III 11, wo auch Literatur. 
Die erste Ausgabe, von Göschen (mit Unterstützung J. Bekkers u. Bethmann- 
Hollwegs) gemacht, erschien 1820. (3. Aufl. von Lachmann 1842.) Nach einer nicht 
glücklichen Nachprüfung der Handschrift durch Bluhme (vgl. 8 RG. III 446) wurde sie mit aus- 
gezeichnetem Erfolge genau gelesen von W. Studemund. Auf diese Vergleichung gründet 
sich: Gai institutionum commentarü IV. Codicis Veronensis denuo collati apographum. 1874 
4 ., und dazu die Ausgabe: G ai institutiones ed. P. Krüger et G. Studemund. 1877 
(ed. V. 1905). Von anderen neueren Ausgaben sind zu nennen: die von Böckin ,080 von 
Huschke (1886), letztere mit vielen geistreichen und gewagten Konjekturen), von Polenaar 
(mit Justinians Institutionen: syntagma institutionum novum. 1876), von Dubois (institutes 
de Gaius 1881, der Versuch eines Kommentars), von Seckel-Kübler (1908), von Kniep 
(lib. I. II. 1911. 1912), diese ein gewagter Versuch, die verschiedenen Schichten, die dieser Autor in 
den Institutionen unterscheidet, voneinander zu sondern. Eine phototypische Reproduktion der 
Handschrift, von deren Benutzung aber schwerlich viel zu erwarten ist, hat Spagnolo 1909 heraus- 
gegeben (Gai codex rescriptus etc. phototyp. expressus). 
* Nach einer älteren Ansicht wäre der Auszug ein Werk der westgotischen Kodifikations- 
kommission selbst. Diese Ansicht ist neuerdings von Conrat, Die Entstehung des westgot. 
Gaius (Verhandelingen der Amsterdamer Akademie 1905), wieder ausgenommen worden. Gegen 
ihn vgl. Wlassak, 8RG. XII S. 25 N. 4, Kübler, a. a. O. unter V, Berger, Bull. 
de Pacad. des sciences de Cracovie 1909 S. 79 (Referat über seine polnisch geschriebene Schrift 
über die dotis dictio). 
* Ausgabe von Krüger in der neuesten Auflage der Institutionen des Gaius. 
Ausgaben von Böcking 1831: von Mommsen, Abhandlungen der Leipziger Ge- 
sellschaft der Wissenschaften. Bd. 3. 
Die erste Ausgabe: Tituli ex corpore Ulpiani, ed. I. Tilius. 1549; ferner: Ulpiani 
fragmenta, ed. Böcking. 1855, mit einem apographum des cod. Vatic.; Ulpiani e libro regu- 
larum singulari excerpta, ed. Wahlen. 1856.
	        
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