382 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts.
unter dem magister officiorum (magisteria dignitate inter agentes decoratus). In einem Jahre
war das Werk fertig und wurde am 7. April 529 publiziert mit Gesetzeskraft vom 16. (c. Sum-
mam reip.). Durch die Revision vom Jahre 534 ist es wieder aufgehoben und daher auch nicht
auf uns gekommen. Nur die beiden Gesetze, wodurch es anbefohlen und publiziert wurde,
sind auch dem neuen Kodex vorne vorgzesetzt.
2. Die fünfzig Dezisionen. Die zweite Aufgabe, die Sammlung und Sichtung
des ius, war ungleich schwieriger. Justinian sah ein, daß zur Beseitigung der Streitfragen
unter den alten Juristen das Abzählungsprinzip des Zitiergesetzes nicht ausreichte, sonderm
selbständige Entscheidungen nötig waren, und daß auch eine Menge von Resten abgestorbener
Institutionen vollständig beseitigt werden mußte, ehe man das ius mit Erfolg bearbeiten konnte;
so z. B. die Unterschiede von res mancipi und nec mancipi, quiritarischem und bonitarischem
Eigentum, Legaten und Fideikommissen u. a. Er erledigte dieses zunächst durch eine Anzahl
einzelner Gesetze. Wir kennen aus dem Jahre 529 gegen 80, vom Jahre 530 gegen 130, vom
Jahre 531 gegen 100. Man scheint davon 50 Entscheidungen alter Kontroversen in einer be-
sonderen Sammlung vereinigt und an die Rechtsschulen geschickt zu haben; denn eine amtliche
Sammlung des liber quinquaginta constitutionum wird noch in Justinians Zeit angeführt
(c. Cordi & 1. 5, Inst. 1, 5, 3).
3. Die Digesten oder Pandekten:. Am 15. Dezember 530 erließ Justinian
eine Instruktion (c. Deo auctore) an Tribonian, der inzwischen zum quaestor palatü er-
hoben war, worin er ihn beauftragte, eine Kommission zusammenzusetzen und mit dieser aus
den Schriften der alten Juristen, aber nur der mit jus respondendi, alles noch praktisch Brauch-
bare wörtlich zu exzerpieren, alles Veraltete und Uberflüssige auszuscheiden, alle Widersprüche
zu beseitigen und danach auch so viel als nötig am Texte zu ändern; die gesamten Exzerpte sollten
dann nach ihrem Inhalte in der Ordnung des prätorischen Ediktes in 50 Büchern mit Titeln
zusammengestellt werden und so unter dem Namen raöta oder digesta als codex iuris
(enucleati) neben dem codex legum stehen und mit diesem zusammen ein vollständiges Gesetz-
buch in zwei Teilen bilden. Tribonian förderte das Werk so, daß es bereits in drei Jahren fertig
war; am 16. Dezember 533 wurde es durch Übersendung an den Senat verkündigt (c. Omnem),
am 30. Dezember trat es in Kraft.
UÜber die Art der Ausführung läßt sich aus den Verordnungen und dem Werke selbst
folgendes entnehmen: die Kommission bestand aus vier Professoren (Theophilus,
Dorotheus, Anatolius, Kratinus), elf Advokaten und einem Beamten. Man
bezeichnet sie nach ihrer Tätigkeit als die Kompilatoren. Nach Justinians Angabe haben sie
2000 Bücher mit drei Millionen Zeilen (versus) auf 150 000 Reihen zusammengezogen, also
etwa auf ein Zwanzigstel. Von den benutzten Schriftstellern und ihren Werken wurde ein
Verzeichnis (sog. index Florentinus) angefertigt und den Pandekten vorgesetzt; es stimmt mit
dem aus den Digesten gewonnenen Tatbestande nicht ganz überein. Benutzt sind im ganzen
die Werke von 40 Schriftstellern. Darunter sind drei (Q. Mucius, Alfenus, Alius Gallus) noch
aus republikanischer Zeit; sie haben also, der Vorschrift zuwider, wie übrigens auch Pomponius
und noch mancher andere, kein jus respondendi; die Benutzung der ursprünglichen Werke, nicht
von Auszügen, ist hier zweifelhaft; 35 sind aus der großen Zeit, zwei Nachzügler aus dem
4. Jahrhundert.
Für die Exzerpierung schied man die gesamten Bücher nach dem Inhalte und der bis-
herigen Studienordnung in drei Klassen, Zivilrecht, prätorisches Recht, Responsen und ähn-
liche praktische Schriften, wozu dann noch ein weniger umfassender Rest von Werken gemischten
und unbestimmten Charakters kam. Entsprechend wurde dann auch die Kommission in dre
oder vier Abteilungen geteilt, jede exzerpierte zunächst eine Klasse für sich, worauf dann in
Generalsitzungen die vier Exzerptmassen in Übereinstimmung und Ordnung gebracht wurden.
Die Wahl der Exzerpte aus den einzelnen Schriften war sehr ungleich. Im zivilen und prä-
torischen Rechte bilden die beiden Werke von Ulpian ad Sabinum und ad edictum die Grund-
1 S. di Marzo- Le L decisiones di Giustiniano. 1899. 1900. Dazu P. Krüger,
Justinianische Entscheidungen streitiger Rechtsfragen usw. 1907 (in der Festg. f. Bekker).
* Vgl. Jörs, bei Pauly-Wissowa, Art. Digesta.