Grundzüge des römischen Privatrechts. 417
wird Ehe nur in einem sehr beschränkten Sinn als matrimonium iustum anerkannt. Am
genauesten sprechen sich die Juristen über das Bürgerrecht der Kinder aus, das sich nach römi-
schem internationalem Recht (Gai. 1, 78) im allgemeinen nach dem Stand der Mutter richtet,
aber infolge einer Lex Minicia doch mit geringen Ausnahmen nach dem Stand des nicht-
römischen Vaters, der eine Römerin heiratete (Gai. 1, 78 ff., Ulp. 5, 8). Die Kinder treten
weder in die väterliche Gewalt und Agnation ein, noch kommen die auf die Kognation und
Ehe gestützten prätorischen Erbrechte und die neuen Erbrechte der Kaiserzeit gegenüber dem
Vater in Anwendung. Die Ehe zeigt sich darin, daß Frau und Kinder des Römers nicht als
unehelich gelten und dem Mann das Anklagerecht wegen Ehebruchs zusteht (Afr. Ulp. D. 48,
5, 14, 1). — «
Dem der militia gregalis angehörigen Lagersoldaten ist die Ehe nach kaiserlichen Man-
daten verboten 1; wie die Papyri zeigen, mit Nichtigkeitsfolge (P. Cattaoui Recto), so daß vor
dem Dienstantritt geschlossene Ehen aufgelöst werden (P. BGl. 140, 10). Freilich ist unsicher,
ob Septimius Severus das Verbot nicht für das Landheer aufhob (Herod. 3, 8, 4).— Persönlich
unfähig ist die geschlechtsunreise : und die verheiratete (Gai. 1, 63) Person, sowie der Kastrat
(AUYp. D. 23, 3, 39, 1).
Trennende Ehehindernisse bestehen in der Verwandtschaft, der Adoptiv= und Schwäger-
schaft gerader Linie, in der Seitenlinie nur noch zwischen Geschwistern und zwischen dem
Mutterbruder und seiner Nichte (Gai. 1, 58—64; Ulp. u. Paul. Coll. 6, 2. 3). Diese, späterhin
verschärften Vorschriften heben sich vorteilhaft von den meisten der Endogamie viel günstigeren
orientalischen Rechten ab 2. — Die Ehegesetze des Augustus“ und erweiternde spätere Kon-
stitutionen haben Verbote für Personen senatorischen Standes und Freigeborene und für Ehe-
brecher; andere Vorschriften verbieten dem Vormund und dessen Sohn das Mündel, dem
Patron die Freigelassene, dem Provinzstatthalter eine Einheimische zu ehelichen 5. Ob in allen
diesen Fällen die Ehe nichtig war, ist nicht sicher.
In sehr interessanten Ansätzen zur Anerkennung der Putativehe suchte ein S8C. (vor Hadrian
Gai. 1, 71; 3, 73) in bestimmten Fällen den Irrtum über das Bürgerrecht unschädlich zu machen
und legitimierte ein Restkript der Divi fratres die Kinder einer Frau, die vor mehr als 40 Jahren
gutgläubig den Mutterbruder heiratete (D. 23, 2, 57a).
§ 13. Wirkungen der Ehe unter den Ehegatten. Nicht bloß die Nachwirkung der Manus-
ehe, sondern auch die Auffassung, die bis heute als die natürliche betrachtet wird, läßt bei einer
sehr weitgehenden Emanzipation der Frau doch eine Uberordnung des Mannes bestehen. Das
Ergebnis dieser Tendenzen in der Koaiserzeit ist freilich zum Teil merkwürdig, um so mehr da
noch die potestas des Gewalthabers der Frau, und wenn sie gewaltfrei ist, die Frauenvogtschaft
oder das Patronatsrecht des Freilassers einer Libertina hineinspielt. Erst im 2. Jahrhundert
entschließt man sich, dem Vater der Frau das Recht abzuschneiden, daß er die Tochter aus
glücklicher Ehe heimholes (Paul. S. 5, 6, 15 u. a.), und wohl noch in klassischer Zeit, die Inter-
dikte des Mannes auch gegen den Vater gelten zu lassen (klar freilich erft Herm. D. 43, 30, 2).
Die Frau erhält nur ausnahmsweise den Rang des Mannes — den senatorischen, Ulp.
D. 1, 9, 1, 1. Daß der Mann Schutz, die Frau Ehrerbietung schuldet, wird gelegentlich er-
klärt, das Recht auf die Frau durch Interdikte geschützt; das Anklagerecht wegen Ehebruchs
nach der Lex Julia de adulterüis ist ohnedies nur eine Abschwächung des alten Tötungsrechts.
Daß die Kosten des Haushalts und der Kindererziehung den Mann angehen, liegt dem ganzen
1 Lit. b. Mitteis, Gdz. 282 ff.
* Für die Frau scheint fest das vollendete 12. Lebensjahr gefordert zu sein, Pomp. D. 23,
2, 4; Just. C. 5, 60, 3:; C0sta, Stor. 39 N. 2 gegen Collinet, Nouv. rev. 1900, 366.
*Weiß, 8ZSavt. 29, 340.
Uber das zeitliche Verhältnis derselben: Jörs, Über das Verhältnis usw. (1882) und
zusammenfassend Roton di, Leges publ. pop. Rom. (1912) 444 f., 457 ff. Zum Inhalt:
Jörs, Ehegesetze des Augustus (1894); Meyer, Konkubinat (1895).
*Vormund: Se. (177—180) D. 23, 3, 59. 60; Patron: Sev. Carac., Pap. D. 23, 2, 62, 1;
C. 5, 4, 3; Statthalter: Kais. Mandate, D. 23, 2, 65.
Dasselbe Recht hatte angeblich der ägyptische Bater, wenn er oder seine Tochter nicht in
voller Se ([pch Tducc) verheiratet war, P. Oxy 11 237 col. 7/8, dazu statt aller Mitteis,
z. .
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