Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 45 
Säugling (vgl. Gai. 3, 109 mit 105 und 107). Immerhin ist man schon deshalb gewohnt, 
die Ueinsten Kinder aus dem praktischen Rechtsverkehr auszuschalten, und es liegt den Juristen 
nahe, dies aus ihrem Mangel an Vernunft zu erklären und auf Kinder, die schon reden können 
aber ohne intellectus sind (qui infanti proximus est) auszudehnen. „Wohlwollend“ ent- 
schließt man sich aber wieder, die letzteren gleich allen Unmündigen ohne Vormund zu lukra- 
tiven Handlungen, wie Stipulations-- oder Zahlungsannahme, und mit dem Vormund auch 
zum Erbschaftsantritt zuzulassen?. Die Beachtung der individuellen Einsicht aber führt dazu, 
für Delikte, speziell Dolus und Furtum, den aus alten Strafgesetzen überkommenen Rechts- 
zustand dahin auszugestalten", daß der der Mündigkeit „nahe“ impubes je nach seiner Er- 
kenntnisreise verantwortlich ist (Gai. 3, 208; Jul.-Ulp. D. 44, 4, 4, 26; 47, 2, 23). 
Billigkeitshalber hat übrigens Pius eine Geschäftsführungsklage gegen einen ohne 
Vormund handelnden Pupillen zugelassen (D. 3, 5, 33; 3, 4), was gelegentlich verallgemeinert 
wird (Ulp. D. 13, 6, 3 pr.). Auch wird dem Pupillen die Wiederforderung einer bezahlten 
Schuldsumme verweigert“. 
# 23. Personen unter Pflegschaft, 1. Die Minderjjährigkeit unter 25 Jahren 
ist bei den Klassikern noch keine Stufe der Handlungsfähigkeit, hat aber eine Reihe spezieller 
Folgen. Nach der Lex Plaetoria und ihrer Interpretation kann wegen einer Übervorteilung 
(circumscriptio) des Minderjährigen jeder Bürger klagen, und der Minderjährige hat sowohl 
eine Privatklage als eine Einrede wegen des betrügerischen Geschäfts 5. Nach dem prätorischen 
Album (D. 4, 4, 1, Lenel § 41) erfolgt gegen nachteilige Rechtsgeschäfte des minor Wieder- 
einsetzung in den vorigen Stand, je nach Lage des Falles. Beides setzt seinen Kredit so stark 
herab, daß er von seinem Recht“, sich magistratisch einen Kurator für seine Geschäfte bestellen 
zu lassen, häufig Gebrauch macht. Denn die Mitwirkung des Kurators bei einem Geschäft 
schützt den Vertragsgegner in der Regel tatsächlich vor nachträglichen Bemängelungen. Außerdem 
darf, wer gegen den minor klagt, einen Kurator für diesen verlangen (Car. C. 5, 31, 1 a. 214). 
Ob es damit unter den Severen sein Bewenden hat, ob die sicher vorhandene Uberarbeitung 
unserer Quellen soweit geht, daß alle uns darin ersichtlichen Neuerungen, wie Geschäftsführungs- 
recht und pflicht der Kuratoren, ihre Kautionspflicht und die Prozeßunfähigkeit der Minder- 
jährigen, die schließlich den Minderjährigen zu einem bessergestellten Mündel herabdrücken, 
erst vom 3. Jahrhundert nach Caracalla anfangen und die allgemeine Reform erst von Kon- 
stantin datiert, ist augenblicklich höchst fraglich 7. 
1 Pernice 222; Last, Ih. J. 62, 19. 
* Zum ersteren: Gai. 3, 109; 2, 83, J. 1, 21 pr., zum letzteren Gai. D. 26, 8, 9, 3—5; 
Paul. D. 29, 2, 9. — Über Besitzerwerb s. Perozzi, lst. 1, 554 N.1;Riccobono, BSavst. 
31, 364; Pacchioni, Corso 2, 223, 11 Solazzi, Di alcuni punti controversi etc. (Mem. 
Acc. Modena 8S. III, vol. XI sez. scienze 1911) 156; Lewald, 8avt. 34, 450. 
Ferrini, Dir. penale 128; vgl. Mommsen, Strafr. 75. 
4 Eine Naturalobligation mit weiteren Konsequenzen hat aber erst Justinian; librandi, 
Bull. 24, 170. (In D. 26, 8, 5 pr., das. S. 171 N. 1, ist auch cuivis im letzten Satz itp., wie die 
obigen Stellen beweisen.) 
* Karlowa, Legisaktionen (1870) 352; Girard, Nouv. rev. 14, 698; Debray, 
Mé1l. Girard 1, 265. 
* Nur seinem: Solazzi, La minore etaà (1912) 13. 
7 Solazzi a. a. O. neigt zu einer ganz radikalen Datierung nach Konstantin. Partsch, 
Studien zur Negotiorum gestio (1913) 1, 73 nimmt für die Klassiker nur eine freiwillige Geschäfts- 
führung des curator adulescentis aus Mandat oder jedenfalls negotiorum gestio an, regelmäßig 
bloß bis zum 18. Lebensjahre und eine nicht einheitliche Reform im 3. Jahrhundert. Grund- 
sätzlich anders Lenel in einer vorbereiteten Abhandlung. Unbedingt zugegeben werden darf 
eine starke — aber doch in ihrem Ausmaß zweifelhafte — Durchsetzung der Quellen einschließlich 
der vatikanischen Fragmente (Solazzi, Albertario, Lo sviluppo delle excusationes p. 6) 
mit nachklassischen Scholien und des Justinianischen Materials auch mit Interpolationen, und 
daß seit dem 3. Jahrhundert nach Caracalla die cura minoris in einer erweiterten Tutel aufgeht 
(man spricht von „tutor vel curator“ u. ähnl., De Francisci, Saggi romanistici No. 1, 
1—49). erwechselungen begegnen überall im Osten und Westen, auch in Modestins Schrift, 
Fnabalriot eneroons zal vovpaoba, vgl. Peters, SaSt. 33, 511. — Über die Prozeß- 
fähigkeit Solazzi 196—202, 242. Anders noch ders. Bull. 16, 106; 22, 22; Koschaker, 
Translatio indicü 151; Peters, ZSavSt. 32, 279. Bal. Stein wenter, Studien zum 
röm. Versäumnisverf. (1914) 58 f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.