Grundzüge des römischen Privatrechts. 431
Nießbrauchs und der Leihe), der vertretbaren (res quas pondere numero mensura constant
beim Darlehen), und teilbaren 1, der Haupt= und Nebensache, Zubehör, Frucht usw. entnehmen,
und könnte noch künftig z. B. von der Sachgesamtheit für die Behandlung des Untemehmens
als Einheit einiges lernen. Die Unklarheit der universitates facti et juris ist unrömisch 2.
Lediglich altertümliche Bedeutung dagegen äußerte noch die nationale Zugehörigkeit
der Sachen. Nur der italische Boden und die im römischen Machtbereich vorhandenen be-
weglichen Sachen sind des römischen Eigentums und der altzivilen Verkehrsgeschäfte fähig.
Wie die kriegsgefangenen Römer, so scheiden die vom Feind okkupierten Kriegsmittel (außer
den Waffen) und Grundstücke aus dem Verkehr und kehren mit ihrer Wiederbefreiung dahin
jure postliminü zurück 5.
§ 28. Publizität im Sachenrecht. Die alten Rechtsübertragungsarten enthalten stets
in ihren Förmlichkeiten genug Kundbarmachung für die Offentlichkeit eines kleinen Orts, so
auch in Rom die Manzipation vor fünf Zeugen — dahingestellt ob sie einst Repräsentanten des
Volks der Quiriten waren — und einem Wagehalter, die In jure cessio vor dem Prätor. Uber-
dies kennt man zunächst keine Sachenrechtsbestellung ohne Besitzübergabe, und gerade erst das
auf diese folgende dauernde Haben, das jeder wahrnehmen kann (Gewere)h, ist entscheidend;
daher kann der Veräußerer über dieselbe Sache auch nicht nachträglich mißbräuchlich anders
verfügen. Unter entwickelteren Verkehrs= und Rechtsverhältnissen läßt sich alles das nicht
aufrechterhalten. Wenn dann, und zwar dann erst bewußt für die Publizität des Sachenerwerbs
gesorgt wird, so braucht es große Maßnahmen, die im Fahrnisrecht noch heute in Deutschland
nicht erreicht sind; im Liegenschaftsrecht aber ist eine Grundbucheinrichtung nötig, deren tech-
nische Schwierigkeiten und ungeheure Kostspieligkeit nur eine höchststehende Verwaltung über-
windet. Augustus ließ in Rom den öffentlichen und privaten Boden vermessen "; die Idee
eines Zensus für alle Untertanen im Reich 5 und wohl auch die eines allgemeinen Reichskatasters
dürfte ihm nicht fremd geblieben sein. Aber durchgeführt werden konnte ein den privatrecht-
lichen Interessen leidlich genügendes Grundbuch nur im Anschluß an die ausgezeichneten
ptolemäisch-ägyptischen Flurbücher, bauend auf dem Erbe der griechischen Urkundenarchive
und der alten ägyptischen Landvermessungskunst. Dort wurden von den Römern in den
Gaumetropolen eigene Grundbesitzämter (818#800######) eingerichtet, getrennt von Steuerlisten
und Landverzeichnissen, mit Zentralen in Alexandria, einem geregelten Geschäftsgang und in
so wohl überlegter Beobachtung der Interessen des Grundstücksverkehrs s, daß daneben die
meisten mittelalterlichen Kirchen-, Stadt- und Landbücher als geringwertig erscheinen. Über
das Maß, in dem die Eintragungen notwendig waren oder gar dem Buch ein öffentlicher Glaube
zukam, sind wir freilich noch nicht hinreichend unterrichtet7. Selbst in dem unvergleichlich
geordneten Nilland konnte man indessen der ständig einreißenden Verwirrung nicht Herr
werden, die byzantinische Periode sah fast nichts mehr von den Bibliothekem. Aus dem übrigen
Reich haben wir einige Spuren von Katastern, keine von Grundbüchern; begreiflich. Selt-
sam aber wirkt es auf uns, daß deren Mechanismus den erhaltenen Juristenschriften gänzlich
unbekannt ist!
Ihr System läuft auf eine einheitliche Begriffsentwicklung hin und scheint alle Bedürf-
nisse des Kredits zu mißachten. Am schlimmsten im Hypothekenwesen, so müßte man schon
nach den traurigen Erfahrungen denken, die Deutschland nach der Rezeption mit dem unsicht-
baren Pfandrecht machte und an denen noch jetzt die romanischen Völker leiden. Vielleicht
stand es im klassischen Rom nicht gar so arg. An Fahrnis blieb das Faustpfand immer vor-
1 Doch ist D. 30, 26, 2 itp., Gradenwitz, Interpolationen 195.
:„: Kohler, Archbürg R. 22, 4; Bonfante, Studi Scialoja 1, 549.
:„ Mitteis, PR. 134 f.
* Bgl. Suet. Oct. 32; inschriftl. Belege bei M ommsen, Jur. Schr. 3, 106 N. 46.
5 Zu Luc.-Evang. 2, 1 stimmen die ägyptischen Tatsachen, Wilcken, Chrest. S. 235.
* Lewald, Beiträge zur Kenntnis des röm.-ägypt. Grundbuchrechts 1909; Eger, Zum
ägyptischen Grundbuchwesen in römischer Zeit 1909; Preisigke, Girowesen im griech.-röm.
Agypten 1910; Klio 12, 402; Mitteis, Gdz. 90.
7 Bes. Mitteis, Sitz.-Ber. sächs. Ges. d. Wiss. 1910, 249; Gdz. 106; Partsch, Gött. Gel.
Anz. 1910, 754. Bgl. aber 8 Sav St. 32, 426.