Grundzüge des römischen Privatrechts. 439
liches Hinlegen von Geldstücken vor den Erwerber (Jav. D. 46, 3, 79), Bewachenlassen von
Holzhaufen (Jav. 41, 2, 51), Beschreibung der Landgutsgrenzen vom Turme aus Cels. D. 41,
2, 18, 2), Ubergabe der Speicherschlüssel (Pap. D. 18, 1, 74, Paul. D. 41, 2, 1, 21), das
Signieren von Balken und Fässern (Paul. D. 18, 6, 15, 1, nicht entgegen D. 18, 6, 1, 2).
Daß die Sache nicht erst zu übergeben ist, wenn sie der Erwerber als Detentor schon hat (sog.
abrevi manu traditio“), ist selbstverständlich. Aus der Entwicklung des Kaufrechts naturnotwendig
ergibt sich das Gegenstück, das „Constitutum possessorium“, bei dem der bisherige Eigen-
besitzer sich durch bloßen Vertrag zum Inhaber für den Erwerber herabsetzt 1; Celsus D. 41, 2,
pr. konstruiert es bereits als Besitzerwerb durch einen Gehilfen in der tatsächlichen Ergreifung.
Es ist eine „Überwindung des Traditionsprinzips durch sich selbst“ (Kohler), es durchbricht das
System und sprengt es im späteren Recht, das uns hier nicht mehr beschäftigt. Bei uns, die
wir das Institut nicht missen können, das römische Prinzip der auf die Tradition gebauten
Fahrnisübereignung aber nicht missen wollten, liegt das eine mit dem anderen noch immer
in offenem Kampf.
2. Besitzwille ist einfach der Wille zu einer dem Eigentumsgenuß gleichstehenden
Herrschaft 2. Daß er erfordert wird (entgegen BGB. 5F 854), schließt vom Erwerb die Wahn-
sinnigen und Schlafenden aus, in der Grundregel auch die freien Stellvertreter, wenn der Prin-
zipal nicht seinen Willen dazu erklärt. Der Unmündige bedarf nach der überwiegenden Ansicht
des Vollworts des Vormunds . Das ganze Erfordernis darf man um so weniger lebens-
fremd nennen, da das Vorhandensein des Willens leicht angenommen wird, z. B. nach Celsus
D. 41, 2, 18, 2 im voraus bei Bestellung einer ins Haus zu bringenden Ware; die Beschrän-
kung der Stellvertretung ist in den wichtigsten Fällen beseitigt worden und trifft gar nicht den
Erwerb durch Gewaltunterworfene ex re peculiari.
§ 37. Verlust. „Wir verlieren den Besitz auf vielerlei Arten,“ sagt Paul. D. 41, 2,
30, 1, z. B. auch wenn die Sache durch Verarbeitung aufhört. Nicht aber, da der Besitzwille
nur einmaliger Apprehensionsentschluß ist, wenn der Besitzer wahnsinnig wird oder die Sache
vergißt. Zu dem neuen Entschluß, den Besitz aufzugeben, ist der Wahnsinnige sowie der
Unmündige gar nicht imstande (Proc. u. Ulp. D. 41, 2, 27; 29). Nach der Formel der Spät-
klassiker ist es in der Tat möglich, den Besitz vel animo vel corpore zu verlieren", d. h. nicht bloß
durch unfreiwilligen Verlust der Sachherrschaft (corpore solo), wie selbstverständlich, sonderm
auch durch bloßen Willensentschluß, also auch wenn man auf dem Grundstück bleibt. Das ist
eine seltsame Regel, vielleicht nur eine ungeschickte Verallgemeinerung zutreffender Entscheidun-
gen (z. B. Ulp. D. 41, 2, 17, 1 und betr. des Constitutum possessorium), verwandt der ebenso
ungenauen römischen Annahme eines solo animo adquirere, wo in Wahrheit den Tatsachen-
erfordermissen genügt ist.
Ganz ebenso verhält es sich mit dem Sprichwort, man könne den Besitz solo animo
retinere“. Gemeint sind Fälle, wo für die feinere Betrachtung die Gewalt gar nicht unter-
brochen ist, so in dem seit Proculus üblichen Beispiel der lebensgemäßen Entfernung von den
Sommer= oder Winterweiden (D. 41, 2, 27; 43, 16, 1, 25; Gai. 4, 153 u. a.) oder bei dem Besitz
von Grundstücken durch Sklaven und Pächter, die das Gut verlassen haben (Paul. D. 41, 2,
3, 8 u. a.). Praktisch wirksam wird diese Konstruktion erst, indem von ihr her, aber aus
deutlichen Nützlichkeitsgründen (Pomp. D. 41, 2, 25, 2) gefolgert wird, daß gegenüber Dritten,
die sich des freiliegenden Grundstücks willkürlich bemächtigen, der Besitz erst mit der Kenntnis
1 Hauptanwendung: Vollendung der Schenkung Ulp. D. 6, 1, 77, Last, Ih J. 62, 162.
* Also eher die lox#h deonéovros des Theophilos und Stephanos als der animus domini
der Alteren Gemeinrechtler. Aber die Römer stellen solche Fragen freilich nicht. Bonfante,
2 Anders nach Just. D. 41, 2, 32, 2; 1, 3 i. f. Daß letteres Fragment nur vom Inter-
dittenbesi rede, behauptet Riücoobono, Z. 31, 365, m. E. zu Unrecht. Sonst. Lit. oben
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4 Dies besagt Paul. D. 41, 2, 3, 6; Il. 8 = D. 50, 17, 153 (das vielbestrittene „utrumque“
in contrarium actum bedeutet „eines von beiden“, Ferrini, Pand. 328, 2; Seckel-Heu-
mann, Hdw., uterque), aber auch Pap. ebd. I. 44, 2, wo der Satz si modo eo animo inde digressi
fuissemus, ne possideremus eine sehr treffende Erläuterung des „animo“ gibt und schwerlich als
itp. (Riceobono, Riv. ital. 14, 359) gelten darf.