Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des rbmischen Privatrechts. 441 
Nach dem Muster des Kaufs geht z. B. das Vindikationslegat als Grundlage der Ersitzung 
(Pap. Paul. Ulp. D. 41, 8, 1—3). Dagegen empfängt man die Erfüllung einer Stipulation 
pro soluto. Dieser Titel ist in Ordnung, auch wenn die Stipulationsschuld nicht besteht, 
sondern von den Parteien nur irrtümlich angenommen wird. Daher vollzieht sich die Eigen- 
tumstradition und der Empfänger haftet nur mit Condietio indebiti auf Rückgabe. Wird unter 
denselben Voraussetzungen eine res mancipi bloß tradiert oder eine fremde Sache gegeben, 
so ist Ersitzung daran möglich (Nerat. Pomp. D. 41, 10, 3); im Gegensatz zum Kaufvollzug 
(Paul. D. 41, 4, 2 pr.; 41, 3, 48). Ahnlich genügt eine objektiv unbegründete Rechtsüber- 
zeugung für die Ersitzung pro suo (Nerat. D. 41, 10, 5), nach der Natur dieses Titels, man 
denke z. B. an die Okkupation. Es ist also falsch gewesen, aus dem Tatbestand der Condictio 
indebiti zu folgern, daß die „iusta causa traditionis“ kein ernstes Erfordernis sei, unrichtig ist 
auch die bestechendere Lehre, es werde nur das Einverständnis der Parteien über den Zweck 
der Hingabe verlangt 1. Dies stimmt auch gar nicht mit der Ausdrucksweise der Quellen (Paul. 
D. 41, 1, 31) und der dem Julian D. 41, 1, 36 vorliegenden Theorie, daß der Dissens über 
das Grundgeschäft sogar die Manzipation — oder, wenn die Stelle echt ist, gerade die Tradition. 
selbst — ungültig macht. Ein Problem ist es nur, warum der Titel pro soluto so abstrakt auf- 
gefaßt wird; dies muß mit der Geschichte der Haftungslösungen zusammenhängen. Endlich 
ergibt sich, daß abgesehen von einer bei den Juristen selbst nicht durchgedrungenen Sonder- 
ansicht? ein „Putativtitel“ regelmäßig für die Ersitzung nicht genügt. Die von der Juristen- 
lehre angenommene Ausnahme für den gutgläubigen Kauf vom Unmündigen ohne Vormunds- 
mitwirkung und vom Wahnsinnigen (Paul. D. 41, 4, 2, 15. 16 set ideo etc. m. E. itp.], 
Ulp. D. 6, 1, 7, 2) steht vielleicht im Zusammenhang mit andermn Fällen, wo der gutgläubige 
Verkehr mit allgemein für geschäftsfähig gehaltenen Leuten geschützt wird (§ 109). 
§ 40. Unter den Eigentumserwerbsarten 3 gebührt historisch und dogmatisch der erste 
Platz (wie in Dig. 41, 1) der Aneignung, dem Typus der Rechtserlangung durch Sachbesitz- 
nahme, des Erwerbs der possessio im älteren Sinn. Es ist eine präfjuristische Erwerbsart, 
die vor der Entstehung der Begriffe „Eigentum“ und „Besitz“ in der gleichen Weise wirkt wie 
nachher, und die nichts weiter erfordert als den Besitzerwerb, weshalb sie „iure naturali“ 
Römern und Fremden dient, natürlich nur den ersteren zum Dominium ex jure Cuiritium. 
Juristisch genauer zu fassen war dabei das Objekt. Im befriedeten Staat kann man sich nur 
res nullius aneignen. Herrenlos aber sind die Bestandteile der gemeinfreien Natur einschließ- 
lich der Tierwelt, die privaten Feindessachen (Cels. u. Gai. D. 41, 1, 51, 1; 5, 7) und nach 
der Sabinianischen Lehre die vom Eigentümer preisgegebenen (res derelictae); seit Hadrian 
auch die Schatzhälfte des Finders, die andere Hälfte erhält der Bodeneigentümer von Rechts 
wegen 7. 
Ein Jagd--oder Fischereirecht ist den Römern fremd 5. Die Tiergärten und Fischweiher 
werden mit ihrem Inhalt besessen (Nerwa-Paul. D. 41, 2, 3, 14). Sonst aber, selbst in Hege- 
wäldern und offenen Privatgewässern sind die Tiere in natürlicher Freiheit und deshalb herren- 
los und nach der siegreichen Ansicht durch das Ergreifen, nicht schon durch das Erlegen, er- 
werbbar. Auch die gezähmten Exemplare einer wilden Gattung, wie Pfaue, Hirsche, Bienen, 
werden herrenlos, sobald sie entflohen sind und die Gewöhnung an die Gefangenschaft ver- 
1 enes lehrte *. B. Exner, Rechtserwerb durch Tradition 316, dieses Ferrini, Pand. 
398. Noch andere Ansichten bei den N. 2 genannten, ferner v. Mayr, RRG. 2, 2, 1 S. 78. 
1 Abweichend dürfte nämlich Jul. D. 41, 4, 11 unterschieden haben, ob der Irrtum des Käufers 
entschuldbar sei; nur ist der Nachsatz justinianisch, bei Nerat. D. 41, 10, 5 wohl der ganze Satz 
von ducd tamen, Alibrandi, Possesso 124 = op. 1, 313. In D. 41, 10, 3 halte ich nur 
duia — possideam mit Pernice, Lab. 2, 1, 406 für itp.; anders Collinet, Nouv. rev. 24, 
377; P. Krüger, h. 1. Die Pandektisten Windscheid 35178 N. 6, 5+ 199 N. 6, vgl. aber 
N. 8) zogen diese Stellen vor, nicht mit Unrecht, vgl. Bonfante, Ist. 274. 
* Czyhlarz-Glück, B. 41/42, 1 (1887); ital. mit wichtigen Zusätzen von Perozzi 1905. 
4 Insofern richtig Bonfante, Ist. 243. 
5 Nagler, Vgl. Darstellung des deutschen u. ausl. Strafrechts, bes. T. 8, 424; Rote- 
ring, Arch Bürg R. 38, 153. — Ausnahme für Elefanten und Löwen wegen der Tierkämpfe bis 
414 n. Chr.: C. Th. 15, 11, 1. .
	        
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