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§ 47. Die beschränkten dinglichen Rechte. Der ausgebildete römische Begriff des
Eigentums, sämtliche denkbaren Herrschaftsbefugnisse über die Sache grundsätzlich in sich ver-
einigend, verträgt es, daß einzelne Befugnisse heraustreten und sich in fremder Hand zu be-
sonderen Sachenrechten kristallisieren. Er verträgt es nach der Ansicht der Juristen nicht, daß
der Eigentümer selber zugleich ein beschränktes Sachenrecht habe. Nulli res sua servit gilt für
die Grunddienstbarkeit, entsprechendes für den ebenfalls zivilen Nießbrauch 1.
Das Eigentum ist ein absolutes Recht über die Sache. Aber die Römer haben diese
Abslolutheit nicht immer gekannt, und die beschränkten Rechte erblicken wir in der lassischen
Periode auf verschiedenen Etappen des Weges vom relativen zum absoluten Recht. Sogar
die altzivile Sewitut ist noch nicht ein Recht auf Achtung der Rechtssphäre gegenüber allen
Dritten, die Servitutenvindikation wendet sich grundsätzlich nur gegen den „dominus“ des
dienenden Grundstücks 2. Der dingliche Charakter des Ususfruktes wird wohl zu Unrecht für
die Spätklassiker bestritten, aber wir sehen die Juristen ihn eben erst herausarbeiten. Vollends
prägt sich die Herkunft aus bloßen schuldrechtlichen Beziehungen deutlich im Recht am Ager
vectigalis aus und noch mehr im Platzrecht, von dem es derzeit zweifelhaft ist, ob es schon im
Prinzipat dinglich geschützt war. Endlich ist das Pfandrecht zwar mehr und mehr als wirk-
liches dingliches Recht anerkannt, doch nur vergleichbar mit dem Publizianischen Quasieigentum
als Reflex eines ausgedehnten prätorischen Rechtsschutzes; an keiner Stelle erscheint es den
Sewituten gleichgestellt.
Die theoretische Betrachtung der „lura in re aliena“ als Teilrechte und Beschränkungen
gegenüber dem Eigentum hat zu dieser Entwicklung beigetragen, wie es beim Nießbrauch als
einer pars dominü“ ersichtlich wird. Sie hat noch eine weitere Tendenz befestigt. Der
Inhalt einer Seritut kann nur ein Dulden oder Unterlassen des Eigentümers des belasteten
Grundstücks sein, nicht ein Tun (Pomp. D. 8, 1, 15, 1)3. Das BGB. nimmt deshalb neben der
romanistischen Dienstbarkeit die deutschrechtliche Reallast auf. Aber das Altertum hat der
letzteren entsprechende auf Liegenschaften ruhende Pflichten in Menge, auf Geld= wie auf
Naturalabgaben. Nur hält der Römer einen Abgabepflichtigen nicht für den Eigentümer oder
Eigenbesitzer; Ager vectigalis aus Staatsland, Praedia stipendiaria et tributaria gehören dem
Staat.
§ 48. Dienstbarkeiten"“. Ein Grundstück „dient“ einem anderen, d. h. der jeweilige
Eigentümer ist zugunsten des jeweiligen Eigentümers des andern beschränkt. Ausgehend
von den sehr alten Durchgangsrechten (iter, actus, nachher via) und der ebenfalls alten
Wasserleitungsgerechtigkeit (aquae ductus) entwickelte man nach den Bedürfnissen des land-
wirtschaftlichen Betriebs eine Anzahl von servitutes praediorum rusticorum, später auch in-
folge des engen Zusammenlebens in Dörfern und Städten von servitutes praediorum
urbanorum S. Den Parteien steht es nur frei, ihre Modalitäten zu ändern, nicht aber be-
liebig neue Typen zu schaffen .
1 Servitut: Afr. D. 8, 3, 33, 1 (insofern echt); Paul. D. 8, 2, 26. Ususfrukt.: Ulp. D. 7,
6, 5, pr.; keine wahre Ausnahme Pap. D. 7, 1, 57. Mit dem Sagtz, daß der Ususfrukt pars
dominuüi ist, hängt dies nur mittelbar zusammen, vgl. auch Debray, Nouv. rev. 1910, 107.
: Baviera, Scritti giuridici 1, 141; Arangio-Ruiz, La struttura dei diritti sulla
cosa altrui, 8A. aus Arch. giur. 81/82. — Der Name „ao confessoria“ ist itp., Segrese, Mél.
Girard, 2, 511.
3 Ausgenommen die Pflicht bei der Servitus oneris ferendi, die tragende Mauer instand-
zuhalten, D. 8, 2, 33; 8, 5, 6, 2, wenn dies überhaupt als Ausnahme gelten darf, vgl. BG.
## 1022, 1021 mit 1018. Über die Entstehung des Satzes: „servitus in faciendo consistere
nequit"“ Pernice, 3BSavöt. 5, 94; 19, 85. Kaorlowy#, RR G. 2, 523; Scialoja, Arch.
giur. 27 (1881) 145.
Elvers, Die röm. Servitutenlehre 1856. Weitere Lit. bei Brugi-Glück, libro
VIII (1900) 1 und Costa, Storia 249. Zu den Wegerechten neuerdings Arangio-Ruir,
St. Brugi (1910); Segre, Mél. Girard 2, 588 N. 2.
5 Uber die justinianische Verwirrung dieser Kategorien Bonfante, Ist. § 101 N. 1.
Ebenso wenig dingliche Nutzungsrechte für bestimmte Personen außer dem Nießbrauch
und Usus. Dagegen die Itp. Hierzu Cohnfeldt Die sog. irregulären Servituten, Lpz.
162; Perozzi, Sulla struttura delle servitu prediali (Roma 1888, mir nicht zugänglich);
Scialoja, Riv. ital. 5, 39; Brugi--Glück 8, 118; auch Coviello, Arch. giur. 41, 285—311.