452 Ernst Rabel.
ihres Großgrundbesitzes aus der eigenen Regie und vertrauen die Gelände dem Betrieb eines
dauernd am Grundstück interessierten Bebauers an, sei es nur wegen der Rente, sei es, um
auch das Terrain nach langer Frist verbessert wiederzuerlangen. Daß auf der Erwerberseite
der Kleinbauer Gelegenheit erhält, ohne das dem Vollwert entsprechende Kapital dem Eigen-
tümer ähnlich gestellt zu werden, ist mehr unsere moderne als antike Sorge, wohl aber trägt
häufig jemand sein eigenes Gut an eine Körperschaft auf, stiftungsweise oder gegen Renten-
kauf, um es zur Erbpacht zurückzunehmen. Osten und Westen des römischen Reiches kennen
sehr verschiedenerlei juristische Formungen des Erbpachtgedankens. Unter den italischen ist
die wichtigste die Verpachtung von Staats- und Gemeindeland auf ewig oder hundert und mehr
Jahre zu vererblichem und veräußerlichem Recht gegen Jahreszins (vectigal); ursprünglich
waren es zu bebauende Odländereien, in späteren Zeiten kommen immer mehr kultivierte Acker
in Erbpacht. Dieses Recht trägt wohl noch Spuren der Entstehung aus obligatorischem Pacht-
recht; auch war, ob seine Bestellung auf Pacht oder Kauf beruhe, noch Gai. 3, 145 zweifelhaft;
aber es ist doch bereits ein sicheres dingliches Recht. Der Vektigalist bekommt vom Prätor die
meisten Klagen des Eigentümers als utiles, kann sein Recht verpfänden und zu Nießbrauch
setzen; er ist possessor für die Interdikte und erwirbt die Früchte mit der Separation 1. Da-
gegen bestimmt der Erbpachwertrag die Verpflichtungen, deren Nichterfüllung zu seiner Ent-
setzung führen; und zwar haftet der jeweilige Besitzer für den Zins auch der Vergangenheit
(Ant. u. Verus D. 39, 4, 7).
Hier und in der griechischen Emphyteuse waren ziemlich vollkommene Typen des ge-
teilten Eigentums geschaffen; aber die juristischen Formen erhalten durch die sozialen Ver-
hältnisse ihren Geist. Sobald in der Wirtschaft des Römerreichs der Verfall zunimmt, im 2.
und 3. Jahrh., werden es Mittel, die Macht der Großen und die Hörigkeit der Landbauern zu
befestigen. Ebenso überwuchern in dem reglementierten Verhältmis des urbar gemachten
Rottlands auf den afrikanischen Domänen die Verpflichtungen der Bauern. Die Erbpacht
mündet in den Kolonat.
§ 55. Erbbaurecht ?. Was für agrikole Zwecke die Erbpacht, ist für städtische Bebauung
das Platzrecht, wovon wir in Rom Beispiele aus der Republik und der Kaiserzeit kennen 3 und
das von allen möglichen Grundeigentümern gegen Jahreszins (pensio, solarium) oder ein-
malige Abfindung verliehen wird. Eigentümer des erbauten Gebäudes ist der Grundeigner.
UÜberhaupt ist das Recht zunächst nur vermöge des obligatorischen Grundgeschäfts, d. i. hier
der Pacht, und prätorischer Interdikte, zumal an privatem Boden des Interd. de superficie
geschützt. Doch gibt der Prätor außerdem causa cognita eine actio (Ulp. D. 6, 1, 75), die das
Recht an der Oberfläche des Bodens den dinglichen nähert, so daß das Interdikt bloße Besitz-
schutzrechte zu übernehmen scheint (Ulp. D. 43, 18, 1, 2). Wirkliches Sachenrecht ist es im
Prinzipat kaum; manche Stellen, die es dem Vektigalrecht angleichen, sind interpoliert. Man
darf sich diese Rückständigkeit — da der Gegensatz zur Wohnungsmiete eher beträchtlicher war,
des lus emphyteuticarium (C. 4, 66; D. 6, 3) bereits Pernice, 8SavSt. 5, 84; Lenel,
Ed. §& 70. üÜber die Entsetzung des Emphyteuta daselbst Carrara, Riv. ital. 50, 253.—
Albertario, II. possesso dell’ ager vectigalis Filangieri 37, 801.
1 Vindikation D. 6, 3, 1, 1; Publiciana . 6, 2, 12, 2; Vind. servitutis D. 8, 1, 16; Ver-
pfändung: Traian. Alimentartafeln; Paul. u. Marcian D. 13, 7, 16, 2; 17; Scaev. D. 20, 1, 31.
Legat: Ulp. D. 30, 71, 6. Ususfrukt: Ulp. D. 7, 4, 1 pr. Possessor: Mac. D. 2, 8, 15, 1.
Früchte: Jul. D. 22, 1, 25, 1 a. E. Dagegen wird das griechische emphyteutische Recht bei
Ulp. D. 27, 9, 3, 4 (Schluß itp., Baviera, Mél. Fitting 2, 375) noch nicht als Ius praedii
angesehen, Baviera, Scr. giurid. 1, 187 gegen Segre, St. Moriani 2, 329.
* Wächter, Das Superfiziar= oder Platzrecht ? 1860; Degenkolb, Platzrecht und
Miete 1867; Coviello, Arch. giur. 49 (1892) 1: Baviera, Scr. giur. 1, 177 (1909 ex 1902);
Segre, Studi Moriani 2 (1906) 330; Arangio-Ruiz;, Struttura (s. & 47 N. 2) 105;
Beseler, Beiträge 1 (1910) 100—106; 3, 169 (unberechtigt); Berger, Entw.-Gesch. der
Teilungsklagen (1912) 32; Albertario, II pegno della superficie (Pav. 1911); Riv. ital. 50
gous 79; II possesso del superficiario (Pav. 1912); Filangieri 37, 801. Die übertriebenen
nterpolationsbehauptungen namentlich Beselers verkennen den oben # 47 beschriebenen
Entwicklungsgang.
* Septem tabernae (Jordan, Topographie der Stadt Rom I 2, 378); Konzession an den
Turmwächter Adrastus Bruno’ p. 344; auch Vertrag von Pozzuoli ebd.