Grundzüge des römischen Privatrechts. 457
2, 51, pr.), und bereits nach republikanischer Lehre auch, wenn der Kausalzusammenhang zwischen
der Handlung des einzelnen und dem Tod nicht geklärt ist 7.
§ 60. Einzelne Delikte. Aus der großen Menge der Privatdelikte ragen in der klassischen
Lehre vier hervor (Gai. 3, 182), deren Typen auf Gesetzen beruhen und deren meist sehr alte
Bedeutung durch das inzwischen aufgekommene Strafrecht und die entwickelten Vertrags-
klagen nicht geschwächt erscheint. ·
1. Die Injuria 2, deren Geschichte die reinste Erinnerung an die staatliche Ordnung und
Milderung der Privatrache aufbewahrt und viele Verwandtschaft mit griechischen Einrichtungen
aufweist, ist auch dogmatisch bedeutsam. Sie soll möglichst alle Gewalttätigkeiten gegen die
Person und Persönlichkeit in sich umfassen, und die Buße bietet Genugtuung für moralischen
Schaden. Daß freilich wirksamer als der schönste zivilrechtliche Schutz der Ehre Körperstrafen
eingreifen, wie sie die Behörden üben, lernt man aus den Bittschriften der Papyri und der
dürren Strafenaufzählung Hermogenians D. 47, 10, 45.
2. Furtum 5, eigentlich nur der Diebstahl an privatem Gut, ist von den Juristen in Aus-
füllung vieler Lücken der Gesetzgebung zu einem umfassenden Vermögensdelikt an Mobilien
ausgestaltet, so daß die „diebische Zueignung“ (contrectatio) z. B. auch umfaßt: wissentliche
Annahme nicht geschuldeter Zahlungen (Scaev. D. 13, 1, 18 u. a.), Zerstörung von Schuld-
urkunden (Lab. u. Ulp. D. 47, 2, 31, 1; 27, 3 u. a.), dolose Leihe zu schwerer Maße an den Ver-
käufer durch den Käufer (Mela-Ulp. D. 47, 2, 52, 22); endlich auch die Zueignung des „Ge-
brauchs oder Besitzes“ (Paul. D. 47, 2, 1, 3), deren sich besonders der nichtbesitzende Eigen-
tümer, z. B. der Faustpfandverpfänder, schuldig machen kann. Eine Einschränkung scheint seit
Sabinus das Erfordernis der gewinnsüchtigen Absicht zu bezwecken 4; es ist aber in manchen
Anwendungen erst von den Kompilatoren verwertet. Die Strafklage (actio furti) auf das
2—4 fache des Sachwerts — abgesehen von Sonderfällen —steht nach verbreiteter Formel
dem zu, dessen Interesse durch den Diebstahl verletzt ist (cuins interest rem non perire Gai. 3,
208; Paul. 2, 31, 4). Grundsätzlich ist dies aber der Eigentümer oder der Eigenbesitzer oder der-
jenige, der wegen des dieblichen Verlustes einem andern haftet 5, je nach Lage des Falles.
3. Für die Sachbeschädigung einschließlich der Tötung und Körpewerletzung
von Sklaven fordert man nach der Lex Aquilia außer der Widerrechtlichkeit, dem positiven
Handeln und dem Verschulden ein „damnum corpori corpore datum“, körperliche Verletzung
— Zerreißen, Zerbrechen, Verbrennen — des Körpers der Sache. Die Jurisprudenz gewährt
aber eigene Klagen, z. B. wenn nicht unmittelbar körperlich eingewirkt, aber die Todesursache
gesetzt ist (Ginreichen von Gift, Ulp. D. 9, 2, 7, 6; 9 pr.) oder nicht der Körper verletzt, aber sonst
die Sache geschädigt ist (Ins Wasser werfen, ebd. 27, 21; D. 19, 5, 14, 2; 23). Selbst wegen
Verletzung freier Hauskinder wird Klage gegeben (Ulp. D. 9, 2 l. 5, 3; l. 7; nicht aber wegen
1 Vgl. DSt G. 9227 gegenüber BG. 778 830, 840. Jul. und Ulp. D. 8, 2, 51, 1; 11, 2 (mit
Ausnahme des Schlußsatzes echt). Über l. 51 § 2 itp. Kübler, Kr. Vischr. 3. F. 13, 7; Apple-
ton, Nouv. rev. 1910, 770. Weginterpolierung der kumulativen Haftung zugunsten der soli-
darischen behauptet ausnahmslos Bonfante, Ist. 367; zustimmend Albertario, Bull.
26, 105
7
*„ Landsberg, Iniuria und Beleidigg. 1886. Hitzig, Iniuria 1889. Huvelin,
Mél. Appleton 1903, 369. Pernice, Labeo 2, 1, 22. R. Leonhard, Der Schutz der Ehre im
alten bdom 1902. Maschke, Die Persönlichkeit des röm. Iniuriensystems 1903. Var-
casia, Enc. giur. ital. 8, 2 (1913) 1. Über die noxale Klage Naber, Mél. Gérardin, 467
u. Zit. Zum Edikt jetzt bes. Lenel, Ed. ##§ 190—197. Partsch, Schriftformel 28; Negot.
gestio 56; Arch PapF. 6, 54—62. «
sSchirmetmP.Krüger,8SavSt.5,207,219.Pampaloni,studtsopra
ildolittodiiurtol(1894).Hitzig,ZSavSt.23,315u.Redenz.7,384.
«Hitzig,ZSavSt.23,317.
sPomp.D.10,2,47,1;U1p.D.47,2,14,16;12,1.Schulz,8SavSt.32,23.
«Pernice,ZUtLehrevondenSachbefchädigungen1867.v.Tuht,ZurSchädung
des Schadens in der Lex Aquilia 1892. Über die Aktivlegitimation anderer als der Eigentümer
De Medio, St. Scialoja (1905) 1, 27—70. Debray, Nouv. rev. 1909, 643—703. —
Über Formel und Ziel der Actiones utiles Lenel, Ed. § 77, II. Über die Actio confessoria
ex lege Aquilia Segre, Méôl. Girard 2, 512. Über interessante nachklassische Lehren Kotondi,
Teorie postclassiche sull’ actio legis Aquiliae, Annali Univ. Perugia fasc. 2 (1914).