Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

460 Ernst Rabel. 
fiduzia“ hat das formelle Recht des Treuhänders einigermaßen dem Zweck angepaßt, also 
geschwächt. Nicht hieraus übrigens, sondern wohl aus der unausgebildeten Besitzlehre älterer 
Zeiten erklärt sich, daß der Fiduziant die hingegebene Sache ohne Furtum besitzt (Gai. 3, 201) 
und leicht rückersitzt (Gai. 2, 69, 60). 
2. Commodatum, depositum, pignus m. Gegenüber dem den wirtschaftlichen Zweck 
überschießenden fiduziarischen Geschäft liegt ein Fortschritt in der Möglichkeit, ein dem 
Zweck angepaßtes Recht zu bestellen. Daher seben die Kompilatoren, die das kidi fiduciae 
dare nicht mehr lebend finden, an Stelle der Ubereignung zur Sicherung die Verpfändung, 
statt der Ubereignung zur Verwahrung oder zum Leihgebrauch das bloße dare servandum 
oder utendum. Indessen darf nicht bloß im entwickeltsten Recht ein guter Platz für die Treu- 
handgeschäfte aller Art bleiben, sondern auch geschichtlich hat nicht etwa die Fiduzia die Pfand--, 
Verwahrungs= und Leiheverträge erzeugt. Sie sind vielmehr als Reflex von prätorischen 
actiones in factum zur Anerkennung gelangt, abgesehen von der Zwölftafelklage wegen 
Untreue des Verwahrers in Notfällen (sog. Deposftum miserabile). Zuerst erhielt dann das 
Depositum die in jus konzipierte Formel (Gai. 4, 62), die die zivile Haftung voraussetzt, 
während die in kactum gestellte durch ihre Abwesenheit veranlaßt war. Alle diese Verträge 
haben aber im Julianischen Album schon iudicia bonae fidei zur Folge . 
§s 62. Die Darlehenshingabe 3 dachte man sich ursprünglich von Hand zu Hand. Die 
ausgebildete Theorie verschärfte dies noch, indem sie Eigentumstradition und daher Eigentum 
des Darleihers forderte (Paul. D. 12, 1, 2, 4), ließ aber andererseits Ausnahmen zu. Ins- 
besondere kann auf Anweisung des Darleihers ein anderer, und zwar seine eigenen Geldstücke 
zahlen; semer ist gegen Julian angenommen, daß aus irgendeinem Grund geschuldetes Geld 
durch nachträgliche Vereinbarung als Darlehen stehen bleibe ". Beides ist praktisch unent- 
behrlich, das letztere, unsere Schuldumwandlung, wurde im Orient durch fiktive Darlehens- 
schuldscheine bewirkt ö. Die Römer konstruierten aber beides mit Vorliebe — es gab ver- 
schiedene Versuche — durch eine Fiktion doppelter Zahlung, dort Zahlung durch die Hände 
des Anweisenden (Durchgangstheorie, Cels. D. 24, 1, 3, 12 u. v. a.), hier Hin- und Rück- 
zahlung. 
Auch wenn jemand in Darlehensabsicht eine Sache zum Verkaufe hergibt, damit der 
erlöste Preis Valuta sei, wird mindestens vom Augenblick der Kaufpreiseinziehung ab Darlehen 
anerkannt. So wichtig dies für die Formel ist, so interessieren sich aber die Juristen mit 
Recht noch mehr für die Entscheidung, daß in diesem und verwandten Fällen mit der Hingabe 
der Sache die Gefahr ihres zufälligen Verlustes jedenfalls auf den Kreditnehmer übergeht, 
auch ehe etwa „Darlehen“ zugegeben wird ##. Eben dies ist die Hauptfrage, falls aufbewahrungs- 
halber Gelder unverschlossen zu beliebigem Gebrauch gegen seinerzeitige Rückgabe in genere 
gegeben werden, wie es an Banken zu geschehen pflegt (sog. „depositum irregulare“). Da 
hier selbstverständlich Eigentum übergeht, steht das Geld auf Gefahr des Empfängers (Paul. 
Coll. 10, 7, 9), ebenso wie wenn auf echte Depositalgelder der Zugriff von vornherein (Ulp. 
1 Pernice, Labeo I1 424, II 2, 154. Voigt, RRG. 1, 621. Karlowa, RR. 2, 
1310. Ferrini, Arch. giur. 52, 469; 53, 41. 257. Segre, St. Fadda 6, 331. De Rug- 
giero, Bull. 19, 5. — Rotondi, Arch. giur. 83, 269; Riv. ital. 45, 3; 51, 146; Aran- 
gio-Ruiz, Formule con demonstratio (1912)1 23; De Francisci, Azioni penali 24. — 
Kein Hinterlegungsvertrag ist die gerichtliche Hinterlegung. Auch hat der durch sie zu befriedigende 
Gläubiger keine Privatklage (byz. actio utilis) De Kuggiero, in Studi economico-giuridici 
Cagliari 1 (1909) 121. 
9 2 bomedatt Gai. 4, 47; Pignus: Lenel, Ed. S. 247; dagegen freilich Arangio- 
uUui2 16 ff. 
„ Huschke, Die Lehre des röm. Rechts vom Darlehen 1882. 
4 Ulp. D. 12, 1, 15 gegen Afr. D. 17, 1, 34 pr. (Schluß von et in proposito m. E. itp.). 
Die große Literatur der Antinomie bei Windscheid, P. * 340 N. 11; Wendt, Anweisungs- 
recht 30; Kohler, Archziv Prax. 98, 347; Last, Ih. J. 62, 63. 
5 Unten §& 66. Über Ulp. D. 4, 4, 40 pr.; Diocl. C. 4, 2, 6 ZSavt. 28, 322. 342. 
* So Jul. D. 17, 1, 34, der m. E. Darlehensklage überhaupt versagt, „dennoch“ (tamen) 
die Gefahr des Geldes dem Kreditnehmenden auferlegt. In letzterem besteht Übereinstimmung. 
ulr, D. 12, 1, 4 pr.; 11 pr. (Nerva); für die res aestimata D. 19, 5, 17, 1; vgl. auch Paul. 
. 2, 4, 4. 
 
	        
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