Grundzüge des römischen Privatrechte. 461
D. 12, 1, 4 pr.) oder nachträglich (eod. 9, 9 u. a.) gestattet wird. Andererseits paßt auf diesen
Kredit nicht das Privileg der Depositalgläubiger im Konkurs einer Bank (Ulp. D. 16, 3, 7, 2;
4, 5, 24, 2). Fraglich erscheint den Juristen, ob und wann man Actio depositi auf Rück-
zahlung geben dürfe, wovon auch abhängt, ob formlos vereinbarte Zinsen — die die Banken
auch bei täglich rüchnehmbarem Geld vergüten können — den Schutz der bonae-fidei-Klage
mitgenießen. Ich glaube, Pap. D. 16, 3, 24; 25, 1 verneint diese Frage, Paul. D. 16, 3,
29, 1 bejaht sie 1. Die durchgreifende Unterscheidung des gemeinen Rechts zwischen uneigent-
licher Hinterlegung und Darlehen? ist sowohl den Urkunden als den Juristen fremd.
§ 64. Stipulation 32. Huldigt das Kaiserrecht noch dem Formenzwang, so schafft die
einfache immer schmiegsamer werdende Form der Stipulation die systemgemäße Abhilfe. Nur
noch mündliche Wechselrede in Frage (stipulari) und Antwort (promittere) wird verlangt,
in welcher Sprache immer und ohne daß die Antwort der Frage wörtlich angepaßt sein muß
(Ulp. D. 45, 1, 1, 2 u. 6). Die übliche Niederschrift enthebt sogar bereits des Nachweises, daß
der mündliche Abschluß vorherging (Paul. S. 5, 7, 2). Als Inhalt ist jede Leistung zugelassen.
Gewissen Schwierigkeiten, die entstehen, wenn der Schuldner an einem anderen Ort als an
dem vereinbarten Erfüllungsort belangt werden soll, beugt die prätorische Actio de eo duod
certo loco dari oportet vor 4.
Ubrig bleibt der Stipulation die Eigenschaft, daß sie den Willensentschluß und den Inhalt
des Versprechens scharf zum Ausdruck bringt und den Parteien die Möglichkeit bietet, so viel
oder so wenig es ihnen beliebt, von den Gegenverpflichtungen und den wirtschaftlichen Zu-
sammenhängen in das Versprechen aufzunehmen. Die Stipulation kann sich auf das nackte
einseitige Versprechen eines Gegenstandes beschränken, z. B. C. mihi dare spondes?; dem-
entsprechend lautet die Formel: Si paret Num Num Ao Ao C Gare oportere etc. Diese Muster-
und Schulbeispiele werden jedoch im Leben, wie die erhaltenen Belege zeigen, kaum jemals
praktisch. Die formelle Einseitigkeit und die lediglich fakultative Abstraktheit dieser Form
braucht eben nicht schrankenlos ausgenutzt zu werden. Es genügt, daß der Gläubiger sich im
Prozesse auf das Versprechen stützen und dem Beklagten den Nachweis etwaiger Mängel des
Grundgeschäfts oder seiner Ausführung (exceptio) zuschreiben kann. Insofern und wegen
der Strenge der Auslegung ist die Stipulation nach ihrer Verkehrsbedeutung dem heutigen
Wechsel vergleichbar. Weiter reicht der Vergleich ohnedies nicht, weil das moderne Wertpapier
in dritter Hand den neuen Gläubiger vor Einreden des Schuldners aus dem Grundgeschäft
zu schützen pflegt und daher auf weitergehende Abstraktion Gewicht legt, der römische Zessionar
aber als Stellvertreter des ursprünglichen Gläubigers auftreten muß.
1 Vgl. Gord. C. 4, 34, 4. Für Actio certae creditae pecuniae war offenbar Alfen D.
19, 2, 31 Zeile 28, vgl. für die im Text berührte Parallele Ulp. D. 12, 1, 10; 16, 3, 1, 34
(trotzdem „ab initio" wohl itp. ist). Nicht treffend wird die bei Niemeyer, Depositum
irregulare, 1889, richtig formulierte Frage heute meist so gestellt, ob das Depositum irregulare
ein klassisches Institut sei: dagegen Naber, Mnemosyne 34 (1906) 59; Longo, Bull. 18,
121; Rotondi, Bull. 24, 96, dafür Segrs, Bull. 19, 200; Kübler, ZSavöt. 29,
204; Costa, Storia 370; Collinet, Et. hlst. 1, 114; Appleton, Revue gönérale 1913,
54. — M. E. ist in D. 16, 3, 24 nicht bloß, wie sicher, der Schluß, sondern alles von et est
quiceem an itp., das Vorhergehende echt, Pap. oder Nota (Lenel, Pap. 167). Daraus folgt
nicht, daß Pap. für die Hinsenpslicht ist, sondern das Gegenteil.
2 Insofern s. gegen Niemeyer a. a. O.: Mitteis, ZSavöt. 19, 208. — Über die
Bapyri Mitteis, Gdz. 257 mit Lit., dazu Costa, Rend. Acc. Bologna 1910/11 über P. Oxy
2 Über die Entstehung der ältesten Stipulationsart, der Sponsio, neuerdings: Levy,
Sponsio, fidepromissio, fideiussio 1907. Mitteis, Festschrift f. Bekker (1907) 109, Röm.
P. 266; Collinet, Mél. Gérardin 756; Pacchioni in Savigny, Obtblig. 1, 612. 640.
Mit Recht sucht man jetzt ihren Ursprung nicht mehr in sakralen, sondern in gerichtlichen Verträgen,
ihre Funktion in einer Parallele zum deutschen Treugelöbnis. Anders noch Girar d, Manuels
485; Huvelin, St. Fadda 6, 77.
.Das Nähere ist streitig. Lenel, Ed. 234; Beseler, Das Ecictum de eo usw. 1907;
Beitr. 2, 169; Biondi, Sulla dottrina dell’ ao. arbitraria 1911; Studi sulle actiones arbitrarie
etc. 1 (1913); Bull. 26, 5, 163; Arangio-Rui;, Bull. 25, 130; 26, 147. Sicher (gegen
R u i z2) wurde das Ortsinteresse des Schulbners berücksichtigt, da es der Zweck der Formel war,
die Plus petitio zu vermeiden, wahrscheinlich (gegen Biondi) seit Lab.-Jul. in D. 13, 4, 2, 8 auch
das des Klägers. -