464 Ernst Rabel.
die Römer längst darüber hinaus zum reinen schuldrechtlichen Vertrag gedrungen waren. Die
Emtio venditio ist nicht bloß dies, sondern kommt auch ohne jeden Formzwang mit der irgend-
wie erklärten Einigung über Ware und Preis zustande. An die überwundene Vergangenheit
erinnern allerdings manche Reste im Kaufrecht. So kommt sicher von der Bargeschäftsbetrach-
tung her, daß erst Kauf und Tradition zusammen Ubereignung und Ersitzung „pro emtore“
schaffen (loben § 39; vgl. S. 446, 1) und daß der Eigentumsübergang mindestens noch in der
Republik durch die Preiszahlung oder Sicherstellung bedingt war, vielleicht noch anderes.
Auch macht sich bemerkbar, daß der formlose Kauf lange Zeit nur mittelst unterstützender
Stipulation künftiges Einstehen für Entwehrung bewirkte (s. noch Nerat. D. 19, 1, 11, 8).
Die Grundsätze sind natürlich in erster Linie für den ältesten Kaufgegenstand, die körper-
liche verkehrsfähige Sache entwickelt. Aber auch Serituten, Ususfrukt, Forderung, Erbschaft
werden sinngemäß behandelt 1. Künftige Sachen entschließt man sich als Objekt nur unter
der Rechtsbedingung ihrer Entstehung anzuerkennen, es sei denn die Chance selbst gekauft 2.
Endgültig gefunden ist die Gliederung der Verkäuferpflichten #3. Der Verkäufer einer körper-
lichen Sache hat 1. an der Sache fehlerfreien Besitz zu verschaffen, so gut, daß der Käufer im
Besitzprozeß gegen jedermann siegen kann (Jul. in D. 19, 1, 11, 13); 2. die Übereignungs-
handlung vorzunehmen, Manzipation, an res nec mancipi Tradition (D. 19, 1, 11, 2; Gai.
4, 131 a; Paul. S. 1, 13 a, 4); 3. nach der Übergabe wegen Mangels des Eigentums oder
Belastung derselben durch fremde Rechte, Dienstbarkeiten ausgenommen, einzustehen, freilich
nicht wie heute nach BGB. ohne weiteres, sondern grundsätzlich nur, nachdem der Rechts-
mangel den Käufer des ruhigen Habens beraubt hat (Eviktion), praktisch übrigens in allen
Fällen eines genügenden Interesses des Käufers; und er haftet 4. wegen arglistigen Ver-
schweigens von Rechts- und Sachmängeln und nach gelegentlichen Entscheidungen auch wegen
sonstigen Verschuldens im Kaufabschluß und in der Erfüllung, 5. wegen gewisser Sachmängel.
Mit den heutigen Rechtssätzen verglichen haben die römischen im einzelnen manchen
Vorzug und manchen Nachteil, schwer gegeneinander abwägbar, da unser gewohntes Recht
von historischen Zufälligkeiten fast ebenso sehr durchsetzt ist wie das klassische. Am wenigsten
befriedigt wohl die alte Regelung der Sachmängel"“, so oft den Verkäufer nicht dolus trifft.
Zwar der Grundsatz des Corpus juris, vom schuldlosen Verkäufer lediglich Kaufpreisrückstellung
oder Preisminderung zu verlangen, nicht Schadensersatz, ist so gesund, daß er widerspruchslos
in die neuesten Gesetzgebungen übergehen durfte. Aber es fragt sich, wieweit er schon in Rom
galt. Das Edikt der Adilen, in den senatorischen Provinzen das nachgebildete der Quästoren
bezog sich nur auf den besonders wichtigen und ein wenig verdächtigen Sklaven- und Zug-
viehhandel auf dem Markte, und hier äußerte sich noch der Strascharakter der von ihnen ge-
währten Klagen. Inwiefern die Actio empti tauglich war, einzugreifen, ist ungewiße. Zu-
grunde liegt der urwüchsige Gedanke: Wer den Beutel auftut, tue die Augen auf, man kauft
die Sache, wie sie eben ist, „tel quel“, rodro rorodro (Papyri). Selbst die Urkunden be-
gnügen sich mit denselben Zusicherungen des Abhandenseins bestimmter typischer Fehler von
Sklaven und Vieh, die die Adilen zur gesetzlichen Haftung erhoben haben, ja selbst diese Haftung
1 Z. B. Anwendung der Stip. vacuam possessionem tradi (D. 19, 1, 3, 1) auf Serwituten
(D. 19, 1, 3, 2), später der dieser Stip. entsprechenden Haftung aus Actio emti (D. 19, 1, 11,
13) auf Servituten (D. 8, 1, 20). VglI. Mél. Girard, 2, 397.
* Pomp. D. 18, 1, 8 vemtio rei speratae“ gegen „emtio spei (D. 18, 4, 11 ist aber itp.,
Vassalli, Misc. 1), z. B. Fischzug Ulp. D. 19, 1, 11, 18. Segre, Mél. Girard 2, 553 N. 2;
Ber ger in Realenz., lactus III.
Zu 1—3: Eck, Die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährung des Eigentums, 1874;
Girard, Nouv. rev. 1882—1884; Rabel, Laftung des Verkäufers wegen Mangels im
Rechte 1 (1902); Ruggiero, Bull. 14, 93:; De Medio, Bull. 16, 1.
4" Wlassak, JNegotiorum gestio (1879) 175. Hanausek, Die Haftung des Ber-
käufers für die Beschaffenheit der Ware I (1883). Kniep, Praescriptio und pactum 1683.
aymann,, Die Haftung des Verkäufers für die Beschaffenheit der Kaufsache (1912). Partsch,
Sav St. 33, 600. De Francisci, Azioni penali 25. Manche Rätsel, wie z. B. das von
. 21, 1, 45 (dazu zuletzt Schulz, Z Sar St. 33, 59 N. 4), sind noch nicht gelöst. Ausgeschlossen
1 baß der Verkäufer immer den Preis doppelt zu erstatten hatte; vgl. z. B. D. 21, 1, 31
, 17.
5 D. 21, 1, 1 pr. und 63 itp.; Kniep, Praescriptio und pactum 163; Haymann 37.
* Haymann 93 verneint dies überhaupt.