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von Julian als actio in factum concepta gebildet, von anderen vermutlich anders. Die Lehre
war eben im vollen Fluß. Eine solche Formel war im Edikt selbst ausgenommen: actio de
aestimato aus der Verkaufskommission mit limitiertem Verkaufspreis, irrig bei uns „Trödel-
vertrag“ genannt 1. Andere bildete man mangels passender Formeln: weil die locatio con-
ductio nach der herrschend gewordenen Theorie Geldvergütung (Ulp. D. 16, 3, 1, 98) oder weil
sie merces certa verlangte (Gai. D. 19, 5, 22 cf. Gai. 3, 143); weil es keine societas war,
wenn das Eigentum dem Gemeinschaftsinteressenten nicht bleibt (Jul. D. 19, 5, 13, 1); weil
actio kurti und condictio nach der Sabinus bekämpfenden Ansicht gegen den Verwahrer
eines Wettpreises versagten (Ulp. D. 19, 5, 17, 5), ebenso wie gegen den Segquester einer
streitigen Sache (Pomp.-Ulp. D. 4, 3, 9, 3) uff.
Ein abgerundetes Gebiet hatten weder diese Formeln noch vollends die „unbenannten
Verträge“. Aber es lag sicherlich genug vor, um beide Verallgemeinerungen vorzubereiten.
Vom Formellen ist auch sicher, daß die Justinianische Kategorie der „actio in factum civilis
id est praescriptis verbis“ aus den klassischen actiones in kactum unter Hereinziehung von
Fällen klassischer ziviler Klagen hervorgegangen ist .
§ 75. Daß einseitige Bersprechen binden, gilt nur in seltenen erklärlichen Ausnahme-
fällen. Die dictio dotis gehört nicht dazu. Das Gelübde an eine Gottheit (votum) (Ulp.
D. 50, 12, 2 pr.) ist seit altersher, die Zusage eines gemeinnützigen Werks an eine Stadt
(pollicitatio) von den Kaisern anerkannt; aber nicht bloß ist die Ablehnung durch Priester
oder Stadt möglich, während eine sofortige mündliche Annahme praktisch oft undurchführbar
wäre, sondern die Einschränkungen, die wir bei der pollicitatio noch vorfinden, zeigen, daß
das verpflichtende Element teils in einer Gegenleistung (ob honorem decretum sibi vel
decernendum, Ulp. D. 50, 12, 1, 1), teils in der arrha-ähnlichen Teilleistung (opus coeptum,
pecuniam: si solvere coepit 5) erblickt wurde.
§ 76. Eine wirksame Ergänzung des Systems bildet schon im klassischen Recht die
Rückforderung wegen ungerechtfertigten Habens . Die republikanischen Juristen gingen
offenbar von einer Deliktshaftung aus, von der getroffen ist, wer aus Diebstahl (condictio
furtiva) oder sonst aus unsittlichem Grund (ex iniusta causa, veteres bei Sab. in D. 12, 5, 6)
eine Sache erwarb und hat. Darüber ist man hinausgelangt. Die condictio als eine ihren
Klagegrund nicht nennende Formel war trefflich geeignet, die Fälle zu decken, wo man eine
Rückforderung gewähren wollte, nicht weil der Kläger einen besonderen Grund des Forderns,
sondern weil der Beklagte keinen hinreichenden Grund des Behaltens hat. Dies hatte freilich
wichtige Schranken. Außer der fortan singulären cond. furtiva und den aus Rechtsgeschäften
1 D. 19, 3, 1; 19, 5, 13 pr. Lenel, Ed. 112 mit Lit.; ital. Lit. bei Bertolini,
Appunti 403; Trangio-Ruiz, Formule con demonstratio (1912) 22; Samter, Nicht-
förml. Gerichtsverfahren 36. — Gegen die Echtheit weiß selbst Beseler, Beitr. 2, 161, nichts
vorzubringen, was ihn nicht abhält, sie trotzdem zu leugnen. Dagegen muß freilich vorläufig
darauf verzichtet werden, mit Lenel in der Ao. aestimatoria den sicheren Urfall der praescripta.
verba zu erblicken.
Vgl. Berger Krit. Vischr. 52, 114; mit dem einfachen Streichen des quod si — actio
(De Francisci 173) ist es nicht getan.
2 Aus dem erlaubten Spiel selbst steht keine Klage zu; aus der Wette auch nur, wenn sie
in Stipulation gekleidet istt Mamenti-Glück, Comm. 11, 533 gegen die frühere Ansicht.
Bonfante, Btit. 470; vgl. Lenel a. a. O. Der Weg der Entwicklung fer aber erst
aufgeklärt werden, was De Francisci für den zweiten Band verspricht.
5 Ulp. D. 50, 12, 6, 1 darf nicht korrigiert werden, s. Paul. D. 50, 4, 16, 1; vielmehr ist
D. 50, 12, 1 pr. Ivel pecuniam daturum] itp. — Sonst vgl. Pernice, Berl. Sitz.-Ber. 1885,
1146; Leonhard, Irrtum 1. 31; Brini, Mem. Acc. Bologna S. g. 2, 3: Fadda, Parte
generale 2871 Mommsen,, Jur. Schr. 3, 61; Mitteis, Priv. 1, 384.
" Für das materielle Recht sind aus der großen Kondiktionenliteratur am wichtigsten:
Erxleben, Die Condictiones sine causa 1850, 1853; Witte, Die Bereicherungsklagen 1859;
Pfersche, Die Bereicherungsklagen (1883); Pernice, Labeo 3, 201; v. ayr,. Die
Condictio des röm. Privatrechts 1900; BSav t. 24, 258; 25, 188; v. Koschembahr-
Lyskowski, Die Condictio als Bereicherungsklage 1903. 1907; Pflüger, Ciceros Rede
—* O. Roscio com. 1904; Condictio und kein Ende (aus Bonner Festschrift f. P. Krüger) 1911;
enigni, Arch. giur. 75 (1905) 309.