Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

470 Ernst Rabel. 
von Julian als actio in factum concepta gebildet, von anderen vermutlich anders. Die Lehre 
war eben im vollen Fluß. Eine solche Formel war im Edikt selbst ausgenommen: actio de 
aestimato aus der Verkaufskommission mit limitiertem Verkaufspreis, irrig bei uns „Trödel- 
vertrag“ genannt 1. Andere bildete man mangels passender Formeln: weil die locatio con- 
ductio nach der herrschend gewordenen Theorie Geldvergütung (Ulp. D. 16, 3, 1, 98) oder weil 
sie merces certa verlangte (Gai. D. 19, 5, 22 cf. Gai. 3, 143); weil es keine societas war, 
wenn das Eigentum dem Gemeinschaftsinteressenten nicht bleibt (Jul. D. 19, 5, 13, 1); weil 
actio kurti und condictio nach der Sabinus bekämpfenden Ansicht gegen den Verwahrer 
eines Wettpreises versagten (Ulp. D. 19, 5, 17, 5), ebenso wie gegen den Segquester einer 
streitigen Sache (Pomp.-Ulp. D. 4, 3, 9, 3) uff. 
Ein abgerundetes Gebiet hatten weder diese Formeln noch vollends die „unbenannten 
Verträge“. Aber es lag sicherlich genug vor, um beide Verallgemeinerungen vorzubereiten. 
Vom Formellen ist auch sicher, daß die Justinianische Kategorie der „actio in factum civilis 
id est praescriptis verbis“ aus den klassischen actiones in kactum unter Hereinziehung von 
Fällen klassischer ziviler Klagen hervorgegangen ist . 
§ 75. Daß einseitige Bersprechen binden, gilt nur in seltenen erklärlichen Ausnahme- 
fällen. Die dictio dotis gehört nicht dazu. Das Gelübde an eine Gottheit (votum) (Ulp. 
D. 50, 12, 2 pr.) ist seit altersher, die Zusage eines gemeinnützigen Werks an eine Stadt 
(pollicitatio) von den Kaisern anerkannt; aber nicht bloß ist die Ablehnung durch Priester 
oder Stadt möglich, während eine sofortige mündliche Annahme praktisch oft undurchführbar 
wäre, sondern die Einschränkungen, die wir bei der pollicitatio noch vorfinden, zeigen, daß 
das verpflichtende Element teils in einer Gegenleistung (ob honorem decretum sibi vel 
decernendum, Ulp. D. 50, 12, 1, 1), teils in der arrha-ähnlichen Teilleistung (opus coeptum, 
pecuniam: si solvere coepit 5) erblickt wurde. 
§ 76. Eine wirksame Ergänzung des Systems bildet schon im klassischen Recht die 
Rückforderung wegen ungerechtfertigten Habens . Die republikanischen Juristen gingen 
offenbar von einer Deliktshaftung aus, von der getroffen ist, wer aus Diebstahl (condictio 
furtiva) oder sonst aus unsittlichem Grund (ex iniusta causa, veteres bei Sab. in D. 12, 5, 6) 
eine Sache erwarb und hat. Darüber ist man hinausgelangt. Die condictio als eine ihren 
Klagegrund nicht nennende Formel war trefflich geeignet, die Fälle zu decken, wo man eine 
Rückforderung gewähren wollte, nicht weil der Kläger einen besonderen Grund des Forderns, 
sondern weil der Beklagte keinen hinreichenden Grund des Behaltens hat. Dies hatte freilich 
wichtige Schranken. Außer der fortan singulären cond. furtiva und den aus Rechtsgeschäften 
1 D. 19, 3, 1; 19, 5, 13 pr. Lenel, Ed. &# 112 mit Lit.; ital. Lit. bei Bertolini, 
Appunti 403; Trangio-Ruiz, Formule con demonstratio (1912) 22; Samter, Nicht- 
förml. Gerichtsverfahren 36. — Gegen die Echtheit weiß selbst Beseler, Beitr. 2, 161, nichts 
vorzubringen, was ihn nicht abhält, sie trotzdem zu leugnen. Dagegen muß freilich vorläufig 
darauf verzichtet werden, mit Lenel in der Ao. aestimatoria den sicheren Urfall der praescripta. 
verba zu erblicken. 
Vgl. Berger Krit. Vischr. 52, 114; mit dem einfachen Streichen des quod si — actio 
(De Francisci 173) ist es nicht getan. 
2 Aus dem erlaubten Spiel selbst steht keine Klage zu; aus der Wette auch nur, wenn sie 
in Stipulation gekleidet istt Mamenti-Glück, Comm. 11, 533 gegen die frühere Ansicht. 
Bonfante, Btit. 470; vgl. Lenel a. a. O. Der Weg der Entwicklung fer aber erst 
aufgeklärt werden, was De Francisci für den zweiten Band verspricht. 
5 Ulp. D. 50, 12, 6, 1 darf nicht korrigiert werden, s. Paul. D. 50, 4, 16, 1; vielmehr ist 
D. 50, 12, 1 pr. Ivel pecuniam daturum] itp. — Sonst vgl. Pernice, Berl. Sitz.-Ber. 1885, 
1146; Leonhard, Irrtum 1. 31; Brini, Mem. Acc. Bologna S. g. 2, 3: Fadda, Parte 
generale 2871 Mommsen,, Jur. Schr. 3, 61; Mitteis, Priv. 1, 384. 
" Für das materielle Recht sind aus der großen Kondiktionenliteratur am wichtigsten: 
Erxleben, Die Condictiones sine causa 1850, 1853; Witte, Die Bereicherungsklagen 1859; 
Pfersche, Die Bereicherungsklagen (1883); Pernice, Labeo 3, 201; v. ayr,. Die 
Condictio des röm. Privatrechts 1900; BSav t. 24, 258; 25, 188; v. Koschembahr- 
Lyskowski, Die Condictio als Bereicherungsklage 1903. 1907; Pflüger, Ciceros Rede 
—* O. Roscio com. 1904; Condictio und kein Ende (aus Bonner Festschrift f. P. Krüger) 1911; 
enigni, Arch. giur. 75 (1905) 309.
	        
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