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fremden Sklaven, den der Eigentümer nicht verkaufen will, wo bloß difficultas dandi, nicht
dari non posse vorliegt, besteht die Obligation 1.
Damit hat die Lehre von den bonae-fidei-Klagen den Ausgangspunkt gemeinsam, aber
nur diesen. Beim Kauf insbesondere muß das Obiekt bestehen; deshalb trifft z. B. ein Unter-
gang der Sache vor dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung nicht den Käufer (Paul. D.
18, 6, 8). Aber trotzdem (Pomp. D. 18, 1, 8) werden künftige Sachen, z. B. Früchte, zugelassen.
Ebenso gilt der Kauf des partus einer ancilla sterilis (Paul. D. 19, 1, 21 pr.), einer nicht be-
stehenden Forderung 2, und wiewohl Verkehrsunfähigkeit der Sache natürlich als eigenes Hinder-
nis zu wirken imstande ist, wohl auch der Kauf des freien Menschen (5 87). Jedenfalls ist hier
von dem erweiterten Erfordemisse der „Möglichkeit der Leistung“ keine Rede, sondern die legis-
lativpolitischen Gründe zur Unwirksamkeit, die sich in der Stipulationslehre hinter jener rohen
Regel verstecken, treten besser herwor: die Erwägung von Betrug, Scherz, Schenkung, Irrtum,
Verschulden, Verstoß gegen die gute Sitte, Mangel liquidierbaren Schadens. Grundsätzlich
muß, wie die Römer wissen, wer etwas versprochen hat, es leisten oder den Wert zahlen. Nie-
mals hätten daher die gemeinrechtliche Doktrin und das BGB. sich die in Rom überholte
Stipulationslehre zum Muster der Verkehrsordnung wählen dürfen, um so weniger, da Justinian
noch viel mehr dem Willen der Parteien oder des Erblassers Rechnung trägt 7.
Die gesetzlichen Verbote bewirken meistens nur eine prätorische Entkräftung der Klage.
Dafß die Verpflichtung nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfe, ist zwar vor Diocl. C.
8, 38, 4 nirgends allgemein formuliert, aber für die Juristen selbstverständlich, (z. B. Gai. 3, 157;
Paul. D. 18, 1, 34, 2) — natürlich mit sehr viel bescheideneren Ansprüchen an die Vertrags-
schließenden als heutzutage.
§ 78. Fortsetzung. Die Römer setzen ein vermögenswertes Interesse des Gläubigers
an der Leistung voraus 5. Das ergab sich von selbst aus der Geldverurteilung im Formular-
prozeß. Keine Ausnahme bedeutet es, daß Strafklagen auf Buße wegen Verletzung unwäg-
barer Rechts- und Lebensgüter zustehen; dies folgt aus ihrem Rache- und Strafelement, so
daß mit der Milderung ihres Strascharakters die Entschädigung für den immateriellen Schaden
in der Buße nicht etwa stärker hewortritt, sondern sich verflüchtigt. Keine Ausnahme ist es auch,
wenn nach einem fruchtbaren Gedanken des Sabinus in entgeltlichen Verträgen eine nicht in
Geld ersetzbare Leistung (z. B. Bestrafung des Kaufsklaven durch den Käufer) nach den peku-
niären Opfern veranschlagt wird, die der Gläubiger sich ihretwegen im Vertrag auferlegte (Pap.
D. 18, 7, 6, 1); daher auch wenn der Mieter einen Abzug vom Mietgeld wegen schadhafter Türen
und Fenster und vom Nachbarn behinderten Lichtes machen darf (Gai. D. 19, 2, 25, 2). Ubrigens
gelten die römischen Dogmen nicht so eigensinnig durch das ganze Recht hin, daß nicht da oder
1 Sab. u. Venul. D. 45, 1, 137, 4 u. 5 (zum Wortlaut und zu Pap. D. 35, 1, 72, 7:
Kübler, ZSavöt. 30, 431); Ulp. 24, 8.
: Cels.-Ulp. D. 18, 4, 4. Bei nichtbestehender Erbschaft ist der Kauf nichtig (Plaut., Jav.,
Paul. D. 18, 4, 7—9), aber nach I. 8 u. 9 ist außer dem Kaufpreis noch das „Interesse“, d. h.
die Aufwendungen des Käufers zu erstatten (in 1. 8 let si quid in eam rem impensum est] wahr-
scheinlich interpoliert, um dem si quid emtoris interest 1. 9 weitergehende Bedeutung zu geben).
Anders Vassalli, Miscellanea 1 (1913).
2 S. B. Res extra commercium unten & 87; Fideikommiß der dem Fideikommissar von
einem Dritten geschenkten Sache D. 32, 21, 11! Gradenwitz, Interpol. 205. Di Marzo,
15, 100.
4 Lotmar, Der unmoralische Vertrag 1896. Die Anschauung, daß ein Vertrag über
die Erbschaft eines lebenden Dritten unsittlich sei (Diocl. a. a. O.) hat Wurzeln im Prinzipat
(D. 45, 1, 61; 36, 1, 28, 4 mit 28, 6, 2, 2; RKiccobono, BZBSavt. 34, 183 N. 1), ist aber
erst nachher geprägt, Wassalli, Miscellanea 1; unklassisch ist, daß eine elterliche Teilung dar-
unter fällt, C-Theod. 2, 24, 2, Rabel, Elterl. Teilung 527.
5*s Dies wurde oft bestritten, besonders wirksam von Windscheid, Pand. 3 250 N. 3;
Ihering, Gesf. Aufs. 3, 87 und gegen Hellwig, Archziv Prax. 86, 226 von Kohler,
Arch Bürg R. 12, 1. 44 bestritten; diese Ausführungen behalten historischen und dogmatischen Wert.
Weitere Lit. zu den Quellen Pernice, Lab. 3, 172; Coviello, Filangieri 22, 664; Fer-
rini, Pand. 523; Marchi, Bull. 16, 206. 282. Pernice und Ferrini haben freilich gezeigt,
daß D. Tn 7, 9, 2 und D. 45, 1, 38, 17; 95 nicht mehr als Hauptstützen des Satzes im Text
ienen en.