Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

474 Ernst Rabel. 
scheiden wir Spezies-, Altermativ= und Genusschulden. Bei altermativen Stipulationen (Stichum 
aut Pamphilum dare spondes?) und Legaten, und nach ihrem Muster (Ulp. D. 23, 3, 10, 6) 
Käufen, hat im Zweifel der Schuldner die Wahl, da er frei ist, soweit er nicht besonders gebunden 
erscheint. Nachträglicher Untergang einer Sache läßt die andere in der Schuld. Aus beidem zu- 
sammen folgt eine nachmals Tribonian anstößige Schutzlosigkeit des Gläubigers, wenn der 
Schuldner zuerst eine Sache zerstört und nachher die andere zufällig untergeht 1. Die Wahl 
wird durch die Leistung geübt und, wenn sie dem Gläubiger zusteht, auch durch Litiskontestation, 
bei Legaten durch eine vom Erblasser angeordnete dictio (D. 30, 84, 9); formlos wahrscheinlich 
nicht; aus prozessualen Gründen 2. Anders, wenn in der Wahlerklärung des Schuldners ein 
Konstitut liegt (Pap. D. 13, 5, 25 pr.). Jedenfalls änderte Justinian dies; auf bonae-kidei- 
Klagen bezieht es sich gar nicht (Paul. D. 18, 5, 4), so daß die gemeinrechtliche Streitfrage über 
den Rücktritt von erklärter Wahl (ius variandi) wieder einmal überholte Entscheidungen benutzt. 
Während bei der Wahlschuld sämtliche Gegenstände „in obligatione“ sind, ist als Gegen- 
stand der Gattungsschuld (z. B. hominem dari) ein abstraktes Objekt gedacht; in obligatione 
ist die gesamte Gattung. Unter andern Konsequenzen F erlischt die Obligation nicht durch Unter- 
gang noch so vieler einzelner Sachen, sondern erst der Gattung („genus perire non censetur“), 
und beim Gattungskauf, den einzelne Stellen immerhin berühren — die Großhandels- 
geschäfte spielen sich in Stipulationen ab — trägt der Käufer bis zum Zumessen die Gefahr 
des inneren Verderbs nur der ganzen Gattung. Dies gilt sinngemäß ebenso von dem Kauf 
einer Quantität aus einem individuellen Vorrat; nicht dagegen vom Kauf einer bestimmten, 
aber erst zu messenden Menge mit Preisbestimmung nach Einheiten (emtio ad mensuram), 
der Spezieskauf ist (arg. Pap. Vat. 16 u. a.). 
§ 81. Auf Zinsen kann eine Stipulation oder ein mit bonae-#idei-Klage gedeckter Ver- 
trag gerichtet sein; ein sonstiges pactum erzeugt Schuld, aber nicht Klage (Carac. C. 4, 32, 3; 
Paul. Sent. 2, 14, 1). Im übrigen kennen die Römer bereits sehr viele Gründe für die Ver- 
pflichtung, von einem widerrechtlich vorenthyaltenen oder benützten oder auch nur im normalen 
Lauf einer Verwaltung anlegungsfähigen Kapital Zinsen zu zahlen. Meistens ist dafür aber 
keine besondere Klage gegeben (usurae quae in obligatione consistunt), sondern die Abmessung 
dem Ermessen des Richters im Prozeß über die Hauptforderung überlassen (usurae quae ofkicio 
judicis praestantur) 6. 
Den Wucher zu bekämpfen, hatten mehrfach römische Zinsgesetze versucht. In der Kaiser- 
zeit sind bis auf Alex. Severus (Vit. Alex. 26) 12 % (centesimae usurae) das gesetzlich erlaubte 
Höchstmaß; verboten ist ferner das Ausbedingen von Zinseszins im Vorhinein (Anatokismos)?, 
im Gegensatz zum Zinskapitalisierungsvertrag, und rückständige Zinsen hören zu laufen auf, 
wenn en sie die Höhe des Kapitals erreicht haben (ne ultra alterum tantum) (C. 4, 32, 10.) Mit 
  
ap. D. 46, 3, 96, 1 allgemein als itp. angesehen, abw. nur Mitteis, P. 1, 319. 
Just. rke auch bem Se uldner, an Stelle der untergegangenen Sache den Weri zu leisten, 
D. 30 47, 3 u. a., Sci na * Bull. 11, 61. 
4 Paul. D. 2, 14, 27, 6, itp. von nam ut“ ab, Eisele, ZSavSt. 18, 12 (anders 
Kalb, Juristenlatein 71; noch anders Ferrini, Pand. 533 N. 1), läßt aber aus dem sed si 
einen Rückschluß zu. Pomp. D. 45, 1, 112 pr. unterscheidet nach der Stipulationsformel, denkt 
aber m. E. nur an electio durch ttiskontestation. 
2 1. Marc. D. 46, 3, 72, 4; 67. 2. Streitfrage C. 4, 5, 10. 3. Paul. D. 45, 1, 128 
Satz 2. 4. Der Erbe darf dem Legatar aus der vermachten Gattung auch das schlechteste Stück 
liefern, Jav. D. 17, 1, 52; Paul. D. 33, 6, 4, dag. itp. D. 30, 110 (Segre, Ferrini, 
P. Krüger u. a.). 
6# Lemann, , Haftung des Berläufers 71; Beseler,. Beitr. 3, 200. 
5* Savigny, System VI 5 268 f.; Verm. Schriften 1 (1850) 386; Carus, Die selb- 
ständige Klagochteit der gesetzlichen Zinsen'“ (1876); Fa dda, Riv. ital. 2, 56; 3, 7; Petra- 
zyeki, Lehre vom Einkommen 2, Isl10 ff.; Klingmüller, —“mn 22, 68: Mitteis, 
Gdz. 118. üÜber versura v. Costa, Corso 365 (= mutuumh) gegen frühere Ansichten. Sonstige 
Lit. bei Perozzi-Glück 22 (1900) 1. — G. Billeter, Geschichte des Zinssußes im griech.= 
röm. Altertum bis auf Justinian, 1898. Beloch, Sw. d. Stgatew. 9 3 1017. 
* Hermog. D. 19, 1, 49, 1; Gord. C. 4, z; Pap. D. 16, 3, 24; Paul. D. 19, 2, 
54 pr.; Fa dda a. a. aor 
ê*s über Zweifel Girard, Man. 518, 1. Nach v. Mayr, RR. II 2, 2 S. 25, soll das 
llassische Recht weder Verbot der Zinseszinsen, noch eine Beschränkung des Sinsenlaufs kennen.
	        
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