Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 475 
letzterem beidem stimmen die Papyrusurkunden überein; auch ist dort der 12 % ige Zinsfuß 
der häufigste, aber unter dem Gesichtspunkt der Vertragsstrafe kommen viel höhere Sätze vor. 
§ 82. Subjekte. Die Person des Gläubigers und Schuldners müssen bestimmt sein, in 
der Regel einzeln bestimmt. Daß ein Damnationslegat nicht einer pe#sona incerta zugedacht 
werden kann, ist sicherlich nur ein Ausfluß dieses alten Dogmas. Ausnahmen entstehen haupt- 
sächlich durch die mehr oder weniger durchgreifende Ausbildung von Sachhaftungen zu an die 
Sache gebundenen Pflichten, wie z. B. tributum, vectigal, solarium, Noxalschuld, Verpflichtung 
mit actio aquae pluviae arcendae:, wo der jeweilige entsprechend qualifizierte Inhaber der 
Sache beklagt werden kann. 
Da die Obligation mindestens einen Gläubiger und einen Schuldner voraussetzt, erlischt 
sie durch Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Hand (Confusio) 3, z. B. Beerbung; 
doch darf dies nicht zu doktrinären Folgerungen führen (vgl. z. B. § 108). 
§ 83. Mehrheit der Schuldner oder Gläubiger bedeutet, daß dieselbe Leistung von 
mehreren oder an mehrere geschuldet wird; der Gläubiger soll größere Sicherheit für Belangbar- 
keit und Zahlungsfähigkeit erhalten, von mehreren Gläubigern soll jeder sein und aller Interesse 
verfolgen dürfen. Beides kann durch Rechtsgeschäft bewirkt werden. Auf der Schuldnerseite 
tritt der gleiche oder ein ähnlicher Erfolg auch von Rechts wegen nicht selten ein; so haftet unter 
den Erbschaftsbeteiligten für die Opfer (Cic. de leg. 2, 48) und unter den Mitgliedern von Sklaven- 
händlergesellschaften für ädilizische Mängel (D. 21, 1, 44, 1), wer den größten oder nicht den 
kleinsten Anteil hat, auf das Ganze. Sehr häufig sind in der Antike die verwaltungsrechtlichen 
Gemeinhaftungen von Einwohnemm, Böürgen oder Beamten. Die Bankhaltergenossen haften 
solidarisch (Auct. ad Her. 2, 13, 19). Die Quellen lassen aber eine Zusammenfassung durch- 
aus vermissen. Eine abgerundete Lehre — die der Korrealität — haben nur die Stipu- 
lationen, die durch eigene sinngemäße Form: auf die Frage des Stipulanten die Antworten 
der Promittenten, auf die Fragen mehrerer eine Antwort — ihre Einheit empfangen (una 
stipulatio); analog gehen die ebenso formal deutlichen Damnationslegate: Titius aut Maevius 
Sempronio X dato (Pomp. D. 30, 8, 1). Die mehreren rei promittendi sind jeder auf das Ganze 
(in solidum) verpflichtet, der Gläubiger kann beliebig wählen oder teilen (Ulp. D. 45, 2, 3, 1). 
Die Obligation ist eine, daher wird sie durch die zivilrechtlichen Erlöschungsgründe, wenn sie 
auch nur unter Mitwirkung eines Schuldners gesetzt werden, vernichtet, durch Verschulden eines 
Schuldners „verewigt“ (§ 86) 5. Diese Regel ist nur konsequent, daß sie aber fortbesteht, erklärt 
sich aus dem Formalismus der Tilgungsarten, die darauf angelegt sind, von einer Person vor- 
genommen zu werden und die Obligation gänzlich zu zerstören. Man denkt denn auch im Gegen- 
teil nicht bloß die Einreden aus stipulatio oder pactum de non petendo (Stundung, Erlaß) 
  
1 Gai. 2, 238. Ulp. 24, 18. Paul. 8. 3, 6, 13. Anders Just. J. 2, 20, 25. 
: So sind die Belege von Ferrini, Pand. 549, für die von ihm sog. Obligatio ambulatoria 
und teilweise die von Perozzi, Ist. 2, 111, aufzufassen, wobei im einzelnen manches einzu- 
schränken wäre. 
2*2 P. Kretschmar, Die Theorie der Konfusion 1899. 
4 Die Literatur des gemeinen Rechts war seit Keller, Litiskontestation u. Urteil 1827; 
Ribbentrop, Zur Lehre von den Korrealobligationen (1831) äußerst umfangreich und ver- 
worren, obgleich noch heute dogmatisch wertvoll. Neue Erkenntnisse schufen allmählich die text- 
kritischen Arbeiten: Ascoli, Studi e doc. di storia e diritto 11 (1890) 121; Bull. 4 (1892) 287; 
Eisele, ArchZiv Prax. 77 (1891) 374; 84, 295; Binder, Die Korrealobligationen Hissohr 
Ferrini, Pand. 555; Alibrandi, Opere 180. Ferner Mitteis, Individualisierung 
der Obligation 1886; Grünhuts Z. 14, 419. Leider wird der einen Frage, in welchen Fällen 
die Litiskontestation die gesamte Obligation zerstöre (sog. „Korreal“= im Gegensatz zu den „bloßen 
Solidarobligationen") noch immer eine etwas übertriebene Bedeutung beigelegt. übersichten 
über die Ansichten zu dieser Frage bei Pbacchioni, Savigny Obblig. 1, 665—746 (ex 1900), 
dazu aber die Itp.-Behauptungen von Perozzi, kst. 2, 106 und Bonfante, Est. 367. 
5 Zahlung; Litiskontestation (noch erhalten in D. 46, 8, 1; 45, 2, 2, meist weginterpoliert), 
leichstehend der geschworene Konventionaleid (D. 12, 2, 28 pr. & 3); Novation; Akzeptilation 
bng. Lex Aquilia 2. Kap. Gai. 3, 215; D. 46, 4, 16 pr.), dazu Mitteis, P. 1, 265; 
anders Rabel, ZSavöt. 27, 332; Verschulden eines Mitschuldners Pomp. D. 45, 2, 18, gegen- 
teilig für Mora Marci. D. 22, 1, 32, 4; Paul. D. 50, 17, 173, 2, aber nach Perozzi 109 N. 4 
itp. Wegen der aktiven Seite über LC. u. Novation Ven. D. 46, 2, 31, 1.
	        
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