Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

484 Ernst Rabel. 
liche Zuwachs 1 kommt ihm ebenso zugute. Unverständlich wäre das Periculum emptoris bei 
von außen kommenden zufälligen Ereignissen, und in der Tat ist es sowohl Jul.-Afr. D. 19, 
2, 33 als Alf.-Paul. D. 18, 6, 13; 15 bei behördlichen Eingriffen unbekannt: wird das 
Grundstück enteignet, oder das Möbel vom Wil ohne Verschulden des Verkäufers vernichtet, 
so schuldet der Käufer nicht den Preis?2. Für Diebstähle steht der Verkäufer ohnedies ein. — 
Der aufschiebend bedingte Kauf hat, da er erst mit dem Eintritt der Bedingung rechtens zu- 
stande kommt, die große, aber nur die eine Besonderheit, daß vorheriger gänzlicher Untergang 
des Objekts diese Perfektion und daher den Kaufpreisanspruch vereitelt (Paul. D. 18, 6, 8; 
Pap. Vat. 10). 
Bei den Mietverträgen folgt die strenge Gegenseitigkeit schon daraus, daß jeder 
Vermieter das Entgelt, gleichviel wann es zahlbar wird, nur für jeden Augenblick des gewährten 
Nutzens (krui licere) oder für das geleistete Werk bezieht (z. B. D. 19, 2, 9, §§ 1. 4. 6). Daher ge- 
nießt der Pächter einen Nachlaß am Pachtgeld wegen eines durch unwiderstehliche äußere Er- 
eignisse (Servius), durch höhere Gewalt (Gaius) verursachten Mißwachses, während er die 
Schäden ex ipsa re dem Sinn des Vertrages gemäß trägt (D. 19, 2, 15, 2—5; 25, 6). 
Doch erleidet bei Dienst= und Werkverträgen der Grundsatz wichtige Billigkeitsausnahmen 
zugunsten der Arbeit. Nach allmählicher Entwicklung treffen den Besteller eines Bauwerks 
auf seinem Boden nicht nur die Schäden, die durch die Beschaffenheit des Bodens verursacht 
werden (Jul.-Afr. D. 19, 2, 33), sondern auch die von außen kommende Vemichtung des un- 
fertigen oder noch nicht abgenommenen Werkes #. Bei der Dienstmiete aber wird in der 
Severenzeit der Grundsatz geradezu umgekehrt. Der Lohn ist zu zahlen, wenn die Vereitlung 
der Dienste nicht in der Person des Arbeiters liegt (D. 19, 2, 19, 9 u. 10 = 1, 22, 4 [Tod 
des Bestellers); 19, 2, 38 pr.). Hier behandelt eine nicht durch den Zwang der Unmöglichkeits- 
lehre gehemmte Interessenwertung die außerhalb der Sphäre des Arbeiters liegenden Hinder- 
nisse als ihm nicht zumutbar 4. 
8§ 93. Schadensersatz 5. Als Folge der Haftung gilt nach gemeinem Recht der Schadens- 
ersatz, verstanden als Geldersatz für diejenige Minderung des Gläubigerermögens, die zufolge 
der schädigenden Tatsache eingetreten ist. Unter den Klassikern hat wohl erst Paulus (z. B. 
D. 46, 8, 13 pr.) diesen verfeinerten Schadensbegriff. Die Bemessung der Litis aestimatio 
richtet sich nach den einzelnen Gesetzen, Edikts= und Formelbestimmungen und Juristenlehren, 
erfolgt auch nach verschiedenen maßgebenden Zeitpunkten. Bei Kauf und Miete, wo das 
quidquid dare facere oportet ex fide bona die freieste Ausrichtung der Verurteilung ermög- 
licht, drängt sich doch immer der Gedanke an das Aquivalenzverhältnis auf, der seit der Zeit 
der Bargeschäfte niemals zu herrschen aufhört. Die Kaufklage geht z. B. nach Eviktion auf 
Rückerstattung des Kauppreises, allerdings bald dazu auf Ersatz der vom Käufer an der ent- 
werteten Sache angebrachten Verbesserungen (quanti eins interest rem evictam non esse), 
aber erst nach Paul. D. 19, 1, 43; 45 pr.; 21, 2, 70 unter Abzug von Verschlechterungen. Die 
Klagen aus Kauf und Miete gehen häufig auf ein Rückgängigmachen der Geschäftsverwirk- 
1 Fr. Mommsen, Erörterungen 1 (1859). 
: D. 18, 6, 8 a. Anf. und D. 47, 2, 14 pr. a. C. sind nahezu sicher unecht. C. 4, 48, 1 bezieht 
sich auf Rechtsmängel, Vat. 23 (— . 4, 48, 52) ist lückenhaft. Die übrigen Stellen“ sind viel- 
deutig. Beziehen sie sich auf erfolgte Manzipation oder Tradition? (D. 18, 6, 8 u. 107) oder 
verneinen sie nur die „Haftung“" (teneri) des Verkäufers auf mehr als die Preisrückzahlung 
(D. 18, 5, 5, 297; D. 18, 6, 127, vgl. D. 19, 2, 33), unterscheiden sie zwischen den einzelnen Er- 
eignissen? Terichalum ist ein sehr vieldeutiges Wort. Alle diese Unsicherheiten verlangen eine 
neue textkritische Untersuchung. Unhaltbar ist m. E. die Leugnung des Periculum emtoris durch 
ar no (zuletzt in Môöl. Fitting 1, 2; St. Brugi); aber auch die Ansicht F. Schulz', Kr. Vsschr. 
3. F. 14, 45, wonach der Käufer gerade die Gefahr des höheren Zufalls tragen soll. 
: B. 16, 2, 62; 59; 37; 36 — im Gegensatz zu Stipulation und Damnationslegat, D. 45, 
1, 15. Dagegen mag die obige Cutscheidung der I. 33 alt sein. 
4 Vgl. Strohal, Ih. J. 333, 386; Oertmann, Grünhuts Z. 24, 1. Crome, System 
, 695 laubt das römische System im BGB. angenommen. 
Fr Mommsen, Beiträge z. Obl.-R. 2 (1855). Cohnfeldt, D. Lehre v. Interesse 
(1865). Rabel, Haftung des Verkäufers 153. — Oertmann, Die Vorteilsausgleichung 
beim Schadensersatzanspruch 1901.
	        
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