Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 485 
lichung 1 — also Rücktritt, nicht die heute beliebte unsinnig berechnete Bereicherung. Anderer- 
seits sind die Spätesten, die erst zum „Interesse“ in unserem Sinn gelangen, bedacht, den Ersatz 
nicht unmäßig auszudehnen; der Kausalzusammenhang wird nicht über die unmittelbaren 
Folgen hinaus verfolgt (Paul. D. 19, 1, 21, 3 lmerito — oportuit gloss.?]; Hermog. D 18, 
6, 20) — immerhin besser als die mechanische Grenze des doppelten Entgelts unter Justinian 
C. 7, 47, 1, 1, viele spätere Versuche der Begrenzung und gar die Grenzenlosigkeit im BGB. 
Die Entscheidungen Julians und seiner Anhänger führen anscheinend auf den sog. Ver- 
trauensschaden 2. Der Betrüger haftet auf das, was dem Gegner „daran liegt, nicht betrogen 
zu sein“. Allein es ist mehr als fraglich, ob damit das „negative“ vom „positiven“ Interesse 
geschieden sein soll. Justinian hat in dem Bestreben, den Betrug möglichst scharf zu strafen, 
die Quellen überarbeitet, aber die alte Praxis selbst ist wohl so gut wie die deutsche bis auf 
Ihering und noch heute die ausländische über jenen Gegensatz in einer glücklichen Unwissenheit 
oder aber wie selbst gegenwärtig das Reichsgericht gar nicht geneigt, aus doktrinären Bedenken 
den durchaus praktischen Grundsatz aufzugeben, daß man den betrügerischen Versprecher bei 
seinem Worte festhalten darf. 
D. Erlöschen. 
§ #4k0 ie Haftung wird durch bestimmte Aufhebungsgründe „gelöst“ — solutio im 
alten Sinn, woran sich gelegentlich Paul. D. 46, 3, 54 erinnert —, während andere Gründe 
nur die Klage durch Einrede entkräften (liberatio ope exceptionis). Der normale Tod der 
Obligation ist die Erfüllung , die Leistung dessen, was geschuldet ist, das solvere pecuniam, 
rem. Wer es den Gläubiger bekommen läßt, ist gleichgültig (Gai. D. 3, 5, 38), wenn es 
nur eben die richtige Leistung ist; setzt sie persönliche Eigenschaften des Schuldners voraus, 
so kann ein Dritter sie nicht erbringen (Ulp. D. 46, 3, 31.). 
Die spätklassische Lehre legt auch bereits mit den Sabinianern (Gai. 3, 168) der ver- 
tragsmäßigen Hingabe eines aliud pro alio, d. h. eines anderen als des geschuldeten Gegen- 
standes, an Erfüllungsstatt“ volle Tilgungskraft bei. Der Schuldner haftet wegen 
Eviktion mit einer Klage, die die Kompilation der actio empti analog setzt (C. 8, 44, 4 u. a.), 
sicher nach Marcian D. 46, 3, 46 pr. aus der alten Obligation. 
§ 95. Schuldbefreiungsverträge. Die Anerkennung der natürlichen Erfüllung wider- 
spricht bereits der altertümlichen „Korrespondenz der Akte“, wonach formale obligierende 
Verträge durch entsprechende formale Gegenakte aufgehoben werden müssen 5. Man benutzt 
nun die Tilgungzkraft der letzteren zum Erlaß, d. i. Befreiung des Schuldners ohne Be- 
friedigung des Gläubigers: die Solutio per aes et libram für Urteils- und Judikatsschulden 
(Gai. 3, 173, 175); die Gutbuchung (expensilatio) für Literalschulden (Plin. 2, 4, 2; vgl. 
Pap. Vat. 329); die quittierende Gegenstipulation (acceptilatio) für Stipulationsschulden (Gai. 
3, 169). In eine Stipulation kann man aber vorher jede andere Schuld novieren (Gai. 3, 
170), und nach dem Formular des Aquilius Gallus verwandelt man dahin bei Abrechnung 
alle Forderungen, um sie durch die Akzeptilation als Generaldecharge zu tilgen (Flor. D. 46, 
4, 18, 1). Genau ebenso dienen der hellenistischen Praxis die fiktiven Quittungsurkunden . 
13. B. D. 19, 1, 11, 3 (dazu Pernice, Lab. 2, 1, 180); eod. § 6 (dazu Partsch, Gött. 
Gel.-Anz. 1911, 723); 19, 2, 19, 6; 33. 
2 So Haymann, Haft. d. Verk. 59. Für Paulus pvgl. oben # 74. 
s P. Kretschmar, Die Erfüllung 1906. Zu D. 46, 3, 91 Manenti, Bull. 23, 29. 
4 Römer, Die Leistung an Zahlungsstatt 1866; Polacco, Della dazione in agamente 
1888. Über Eviktion Rabel, Haft. d. Verk. 1, 113—5 (D. 13, 7, 24 pr. itp.); anders Ferrini, 
Pand. 626 N. 3. (Soeben Nov. 1914 erscheint H. Steiner, Datio in solutum.] 
5 Pomp. D. 46, 3, 80; Gai. D. 50, 17, 100; Ulp. D. 50, 17, 35. W. Leist, Über die 
Wechselbeziehung usw. 1876. P. Kretschmar, Theorie der Konfusion (1899) 11. Mitteis, 
PR. 1, 273 u. Zit. Beachtlich widerspricht H. H. Pflüger, Nexum und Mancipium (1908) 41. 
* Oben §5 66. — Auf Akzeptilation bezog Mommsen, Jur. Schr. 3, 241 (ex 1877) die 
dunkle Klausel ex interrogatione facta tabellarum signatarum in den pompeianischen Wachs- 
tafelquittungen Bruns 7 S. 358 f. (auf Außenschriften im subjektiven Stil, die damit auf die als 
römischen Beweisurkunden gefaßten Innenschriften hinweisen). Dag. Erman, Zur Gesch. 
der röm. Quittungen und Solutionsakte (1883); Z Sav St. 20, 193. 203.
	        
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