Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 491 
von Just. C. 4, 21, 17 eigentümlich mit dem römischen Kaufrecht verschmolzen (sog. arrha poeni- 
tentialis) — natürlich hellenischer Auffassung nachgebend. Indessen ist es auch den Römern 
des Prinzipats nicht ganz unbekannt, daß aus einer Vor- oder Teilleistung Haftung entstehen 
soll; dies zeigen der Beginn der Innominatverträge (§ 74) und die pollicitatio (§ 75). 
§ 102. Bürgschaft und Pfand entstammen aus gleicher Wurzel, sie bedeuten Hingabe 
einer Person oder Sache zur Haftung. Beide legen in Rom den Weg zu einer bloß sichernden 
(akzessorischen) Haftung neben dem selber haftenden Schuldner zurück, sie werden aus einem 
einzigen Befriedigungsmittel eine bloße Hilfe für die tatsächliche Durchsetzung eines persönlichen 
Anspruchs, und den Juristen des Prinzipats ist etwas anderes als dieses Schlußergebnis kaum 
noch bewußt. Dem Urkundenstil freilich dürfte noch recht deutlich die Vorgeschichte anzusehen 
sein; das erklärt sich mit aus dem ständigen Einfluß der viel altertümlicheren Formulare des 
Ostens. So ist, um nur ein Beispiel zu nennen, das gebräuchlichste Pfand bei den Deutschen 
und in Agypten und überall, sobald es sich vom Kauf auf Wiederkauf und der aufschiebend be- 
dingten Ubereignung bereits abhebt, doch noch wie diese beiden der Einsatz einer Sache an Stelle 
des geschuldeten Gegenstands, eine eventuelle Hingabe an Erfüllungsstatt, für den Fall nämlich, 
daß der Schuldner nicht rechtzeitig leistet, was er schuldet. Der Verpfänder hat keine Zahlungs- 
pflicht, er hat nur ein Auslösungsrecht (reine Sachhaftung). Daraus folgt ein Dreifaches. Die 
Pfandsache fällt nach fruchtlosem Verstreichen der Zahlungsfrist ohne weiteres dem Gläubiger 
zu (Verfallpfand). Er ist aber damit abgefunden und hat keinen Schuldner, von dem er fordern 
könnte, was die Sache weniger wert ist als die Schuldsumme (religuum, ###, Ausfall) oder 
was ihm an Schaden erwächst, weil die Sache untergegangen oder verschlechtert ist (Gefahr, 
xalvöovoc). Umgekehrt genießt der Verpfänder nicht den UÜberwert der Sache (superfluum 
oder residuum, öns n, Überschuß). Dies alles spiegelt sich negativ in dem Vertragsstil wieder, 
wo vor allem der Gläubiger sich besser stellen, den Ausfall und die Gefahren abwälzen will und 
sich zu diesem Zweck das Recht des Verkaufs für Rechnung des Verpfänders (vendere licere) 
ausbedingt. Dies geschieht nicht bloß im hellenischen Verkehr, in griechisch gefaßten Pfand- 
verträgen von Römern (BG. 741), im römischen Fiduziarpactum (Vertrag der Poppaea 
Note), sondern selbst noch in den üblichen römischen Pfandverträgen des 2. Jahrhunderts 12 
der Gläubiger pflegt sich wegen des religuum zu sichern, wie Pomp. D. 20, 5, 9, 1 bemerkt, 
überflüssigerweise. Auch wenn das Nachpfand regelmäßig als Verpfändung des residuum 
oder dessen quod excedit priorem obligationem (sc.: rei) dargestellt wird (Gai. D 20, 1, 15, 2 
u. a.), zeigt sich ein Schritt eben von der Idee des Verfallpfands weg; dieses beschlägt die Sache 
völlig und macht eine zweite Verpfändung unmöglich; bekommt dann der Verpfänder einen 
Anspruch auf den Mehrwert, so kann er diesen im voraus verpfänden, noch nicht aber die Sache 
selbst ein zweites Mal. 
Der primitive Charakter trat, wie es scheint, bei den praedes praediaque, den Bürgen 
und Pfändern für Forderungen des Aerars herwvor; aber sie sind im 2. Jahrhundert schon ver- 
altet, der kaiserliche Fiskus bedient sich der Privatrechtsgeschäfte: — ein Grund mehr für die 
ausschließlich zivilistische Darstellung bei den ohnedies stark privatrechtlich orientierten Juristen. 
Dabei erscheint nun die persönliche Haftung durchaus in der ersten Reihe, die reale Sicher- 
heit in der zweiten, so sehr, daß z. B. jedes Pfandrecht nach altem Formular und nach der prä- 
torischen Pfandklage (mit der Bedingung nisi eco nomine satisfactum est) durch Bürgenkaution 
eingelöst werden kann, und daß der Prozeß und die Verwaltung dauernd im ganzen Reich 
Bürgschaften fordern und nur zur größeren Sicherheit noch Pfänder der Bürgen. Wenn es 
wahr ist, daß die Bürgschaft uralten, der Realkredit höheren Stufen der Wirtschaftskultur an- 
gehört, so zeigen sich die Römer recht konserwativ. Aber allerdings, ihr Kreditwesen war wenig 
ausgebaut, der Bodenkredit weder wirtschaftlich organisiert noch juristisch gesichert. 
§ 103. Bürgschaft". Die römische Praxis benutzt drei nacheinander in das Rechtsleben 
eingeführte Formen von Verbürgungsstipulationen: sponsio, fide promissio und fideiussio, 
1 Manigt in Realenz., hyperocha II 1, 4. 
2 Mommsen, Jur. Schr. 1, 357. 369. « 
IdoRugioro,studiFadd82,99;We1ß,Pfandrechtl.Fotsch.l,46.l4l. 
4 Zur ältesien (primären) Bürgenhaftung Mommsen, Stadtrechte (1855) 466 = Jur. 
Schr. 1, 357; Ihering, Geist des röm. R. " 3, XII; Mitteis, Festg. f. Bekker 120; P.
	        
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