492 Ernst Rabel.
den Kreditauftrag (§ 70) und das Constituere pro alio (§ 97). Einheitlich wird der Bürgschafts-
gedanke nicht durchgeführt, doch bilden die drei Stipulationen zusammengefaßt (Gai. 3, 115)
die eigentliche Bürgschaftslehre, der das Mandat sachlich (Jul. D. 17, 1, 32 u. a.), wenn auch
nicht oft in der äußeren Darstellung angeschlossen wird. Unter den Stipulationen ist die kice-
jussio die jüngste und bequemste Form, das Mandat aber ist noch schmiegsamer, das Constitut
schärfer.
Die stipulationsweise Verbürgung ist stets akzessorisch: verspricht dieselbe Leistung wie die
Hauptschuld sie enthält (z. B. idem, abgekürzt id fide tus esse iubes), nicht anderes oder mehr
(in aliam, in duriorem causam) bei sonstiger Nichtigkeit (Ulp. D. 46, 1, 8, 7); erfordert das Be-
stehen der Hauptschuld und begegnet grundsätzlich allen dem Hauptschuldner zustehenden Ein-
reden 1; verpflichtet den Bürgen wegen Verschuldens des Hauptschuldners, z. B. wegen mora
(Paul. D. 22, 1, 24, 1) und geht unter, wenn die Hauptschuld erlischt, sogar im Fall der Litis-
kontestation (Paul. S. 2, 17, 16). Diese den Bürgen befreiende Wirkung der gegen den Haupt-
schuldner gerichteten Klage kann auf verschiedene Weise vertragsmäßig beseitigt werden, wo-
durch zugleich unter Umständen der Gläubiger genötigt werden kann, vor dem Bürgen den
Hauptschuldner zu betreiben 2. Aber gesetzlich ist die Bürgschaft nicht subsidiär. Ja wie es scheint
wird sogar beim Kreditmandat (periculo meo crecas), wo der Gläubiger von Haus aus auf
den Mandator erst zurückgreifen kann, wenn er seinen Schaden aus der aufgetragenen Kredit-
gewährung erweisen kann, freie Wahl der Einklagung gelassen (Diocl. C. 8, 40, 19), ebenso scheint
sich in Agypten die hellenistische Bürgschaft seit der Verallgemeinerung des römischen Bürger-
rechts wie den übrigen römischen Grundsätzen so auch der primären Bürgenhaftung anzu-
passen 3. In der nachklassischen Zeit erfolgt freilich der Rückschlag. Hier ist es unter Einwirkung
der alten griechischen Vorstellungen die Tendenz der Praxis, dem Bürgen die Zeit zu lassen,
daß er den Hauptschuldner zur Leistung heranbringe, bis Justinian die konsumierende Wirkung
der Litiskontestation (C. 8, 40, 28) und die primäre Haftung (Nov. 4) aufhebt.
Eine zweite Entwicklung betrifft die Gesamthaftung mehrerer Bürgen. Für die sponsio und
fidepromissio in Italien ist schon seit einer republikanischen lex Furia Teilung verordnet, für die
fideiussio eine Verweisung des Gläubigers auf die anderen zahlungsfähigen (und anwesenden?)
Bürgen („beneficium divisionis“) durch epistula Hacriani (Gai. 3, 121), was auch auf
mandatores angewendet wird und Just. noch weiter führt und ummodelt.
Endlich wird sehr allmählich für einen Rückgriff des zahlenden Bürgen gegen den Haupt-
schuldner gesorgt, durch die lex Publilia für den per aes et libram zahlenden sponsor, durch die
lex Appuleia für mehrere sponsores und fideipromissores untereinander, falls einer mehr als
seinen Teil zahlt, sonst nur durch die Praxis mittels der Mandats-, Geschäftsführungs- und
Gesellschaftsklagen; inwiefern der Bürge den Gläubiger zwingen konnte, ihm die Klagen gegen
den Hauptschuldner und Mitbürgen abzutreten, ist nicht ganz klar 4.
Während die beiden älteren Stipulationen nach der lex Furia bloß zwei Jahre gültig
bleiben und mit dem Tode des Bürgen erlöschen, geben alle moderneren Formen dauernde
und vererbliche Klagen. Die Gefahren der Bürgschaft bekämpft eine lex Cornelia als letztes
der Gesetze noch, indem sie unbedingte Stipulationsbürgschaften an denselben Gläubiger inner-
halb desselben Jahres auf 20 000 Sesterzen einschränkt (Gai. 3, 124).
266. — Girtanner, Die Bürgschaft 1850/1!I; Hasenbalg, Die Bürgschaft 1870; Geib,
Zur Dogmatik des röm. Bürgschaftsrechts 1894; Pernice, ZSavöt. 19, 126; 179; Levy,
Sponsio, fidepromissio, fideiussio 1907. Zu den Gesetzen Polemiken zwischen Appleton,
Z Sav St. 26, 1; Mél. Gerardin 1 und Girard, Man. 758 f.; Mél. Fadda 2, 51; ZR Savt. 29,
135 = Mélanges 1, 134. — Partsch, Griechisches Bürgschaftsrecht 1909; Mitteis, Ggdz.
264 mit papyrol. Lit.
1 Zu den ausgenommenen persönlichen Einreden gehört das sog. „Beneficium competentiae“,
nicht aber die Exceptio pacti, Rotondi, Pactum de non petendo 29.
:2 Girard, Man. 756 f. (Pap.-Paul. D. 45, 1, 116 ist trotz Itp. beweisend für das Be-
treiben gegen den Hauptschuldner als Bedingung der kondizional gefaßten Schadlosbürgschaft
(fideiussio indemnitatisl). — Über die Anwendung der Grundsätze auf die Bürgen des Vor-
munds: Rotondi, Appunti sulla stipulatio rem pupilli salvam fore, Pav. 1913, 8.
Mitteis, Goz. 267.
" Val. Levy 49.