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wicklung. Der geschichtliche Verlauf vollzieht sich in starker Analogie mit andern Völkern, beginnt
mit dem Besitzpfand und (später!) der Sicherungsübereignung, und gelangt allmählich zur
Anerkennung der Verpfändung ohne sofortige Besitzübertragung an den Gläubiger (Hypotheh;
beginnt mit dem Verfall der Sache, wohl an Erfüllungsstatt 1 und endet in der Anschauung, daß
das Verkaufen der Sache und das Verteilen des Erlöses unter Gläubiger und Verpfänder das
Selbstverständliche sei, nachklassisch sogar, daß es das einzig Zulässige sei. Die große Folge-
richtigkeit der römischen Jurisprudenz bewährt sich immerhin durch die Klarheit, mit der sie das
vor dem Zahlungstermin bestehende Recht des Pfandgläubigers aus einer Anwartschaft mit
Hilfe der prätorischen Pfandklage zu einem gegen alle dritten Erwerber der Sache wirkenden
dinglichen Recht herausarbeitet, Nachverpfändungen ermöglicht, Pfandrecht und sogar Fiducia
in gehörige Abhängigikeit von der zu sichernden Forderung bringt, ja diese gewonnene Akzessorietät
gelegentlich auch wieder zu überwinden vermag. Nur wurden diese Fortschritte nicht genügend
von der Reichsgesetzgebung begleitet. Die unsichtbare Hypothek hätte nicht an der formlosen
Bestellung des prätorischen Rechts teilnehmen dürfen; nur in Agypten fand sich während der
Blütezeit des Grundbuchs eine Abhilfe. Die Unsicherheit des Realkredits wurde aber im Laufe
der Jahrhunderte immer verhängnisvoller, je mehr die eben durch die Hypothek ermöglichten
mehrfachen Pfandrechte an derselben Sache und Pfandrechte am ganzen Vermögen zunahmen
und vollends die Spätzeit immer mehr gesetzliche Generalpfandrechte einführte, das Urkunden-
wesen mit seinen Kautelen aber in Verfall geriet. Im späten 5. Jahrhundert, wo das Gesetz
K. Leos a. 472 (C. 8, 17, 11) aus öffentlichen Urkunden ein Vorzugspfandrecht heworgehen
ließ, mag der Mißstand schlimmer gewesen sein als im Prinzipat.
§ 105. Entstehung des Pfandrechts erfolgt durch Verpfändungsvertrag; zweifelhaft
ob durch Legat; durch Vollstreckung; von Rechts wegen insbesondere: nach einem aus üblichen
Klauseln hervorgegangenen Gewohnheitsrecht zugunsten des Vermieters an den eingebrachten
Sachen des Mieters und für den Verpächter an den Früchten; nach einem SC. unter Marc
Aurel (D. 20, 2, 1) zugunsten eines Darlehens, das zum Wiederaufbau eines Hauses gewährt
ist; nach severischen Reskripten zugunsten des Mündels an den mit seinem Geld gekauften Sachen
(C. 7, 8, 6 u. a.); und wie es scheint, in der Severenzeit zugunsten des Fiskus an dem Ver-
mögen seiner Steuer- und Kontraktsschuldner 2.
Die Verpfändung fordert gemäß der Schriftformel der Pfandklage (Lenel Ed.
§267) 1. den Vertrag, 2. eine in bonis des Verpfänders befindliche Sache, 3. eine zu sichernde
Forderung.
1. Der Vertrag ist formlos. Der Besitz der Sache kann dem Gläubiger eingeräumt werden
und wird zuweilen dem Verpfänder zu prekaristischer oder andersartiger Inhabung, z. B. zur
Miete, zurückgeliehen. Es ist aber längst auch möglich, ein Pfandrecht ohne Besitzüberlassung
zu bestellen. Diese Abart des neueren pignus wird in Ermanglung eines lateinischen Sonder-
namens seit Julian bisweilen, von griechisch beeinflußten Schriftstellern öfter hypotheca ge-
nannt ?.
2. Als Gegenstand kann alles dienen, was verkauft werden kann (Gai. D. 20, 1, 9, 1).
Natürlich ist die körperliche Sache das älteste und wichtigste Objekt, von wo aus die Regeln ent-
1 Über die letztere Hypothese & 102; der Verfall der Fiduzia ist sicher, derjenige des pignus
auf Grund der durchaus gewöhnlichen Abreden sehr wahrscheinlich, wie jetzt, mir beistimmend,
auch Manigk in Realenz., hyperocha II 1 annimmt (anscheinend aber, indem er weitergehend
als ich gesetzlichen Verfall behauptet).
* Dagegen Mitteis, PR. 373, N. 68 rücksichtlich der Vertragsschuldner, bes. wegen
C. 7, 8, 2. Diese Const. erklärt sich aber m. E. aus einer Schwäche der generellen Pfänder, die
auch die vertragsmäßigen gemäß C. 7, 8, 3 teilen, obgleich sie allerdings ursprünglich davon her-
kommt, daß die Generalhypothek nur Aussetzung eines Vermögens zu exekutivem Zugriff war.
Analoges ist daher beim ebenso entstandenen Vermieterpfandrecht bis zur Beschlagnahme (per-
clusio) wahrzunehmen (Verfügungsbeschr. 89). — Eine Legalhypothek am Vermögen des Tutor
und Kurator adulescentis (Const. Cod. Theod. 3, 30, 3) läßt sich aus C. 4, 53, 1 für die Severen
nicht folgern (bestritten), ebensowenig aus Scaev. D. 20, 4, 21 eine vertragsmäßige Übung; anders
Weiß, Pfandr. Unters. 1, 129. 142.
* Gegen Fehrs allzuweit gehende Interpolationsannahmen s. Manigk, Hpypotheca,
noch anders Erman.