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Sachen des Mieters durch Beschlagnahme (percludere). Das sind alte Singularitäten aus einer
Zeit, die sonst kein Pfandrecht ohne Besitz kannte als diese, wo der Gläubiger Besitzer des Raumes
ist, in dem sich die Sachen befinden, bei der Sonderart dieser Verhältnisse aber nicht ohne dauern-
den Wert. Nach dem Muster der weiter für den Verpächter eingeführten actio Serviana gibt
der Prätor jedem Pfandgläubiger gegen jeden Dritten eine actio in factum concepta, die bei
Justinian actio quasi Serviana, bei Gaius und Marcian formula hypothecaria, oft einfach
auch actio Serviana heißt. Damit verschafft sich ein Faustpfandgläubiger entzogenen Besitz
zurück, ein Hypothekengläubiger den Besitz nach dem Ablauf der Zahlungsfrist.
Die Befriedigung regelt sich nach der von jeher wohl selten unterlassenen ausdrücklichen
Abrede im Pfandvertrag. In der Keiserzeit herrschen zweierlei Abreden vor: im Osten die
Verfallklausel (lex commissoria), in Rom die Verkaufsabrede (pactum de vendendo). Mangels
einer Vereinbarung würde bis ins 2. Jahrhundert der Pfandgläubiger auf die Auslösung durch
den Verpfänder oder Schuldner zu warten haben, falls er nicht zur persönlichen Klage greift;
für die Fiduzia versteht sich der Verfall von selbst. Aber der Pfandverkauf ist in Rom, wo er
ja auch dem akzessorischen Charakter des Pfandrechts entspricht, so gebräuchlich, daß man es
eigens ausmacht, wenn er ausgeschlossen sein soll (pactum de non vendendo), und daß die ver-
tragliche Erlaubnis schließlich als selbstverständlich unterstellt, also der Verkauf von Rechts wegen
gestattet wird (Ulp. D. 13, 7, 4; nach drei Mahnungen? Paul. 2, 5, 12 Syr. röm. Rechtsb. R. I
49 u. ö.). Die Verfallsabrede nimmt in Rom denn auch die Form an, daß der Gläubiger im
Pfandvertrag oder später die Sache um den Betrag der Forderung und Zinsen kauft (Pap.
Vat. 9); dies ist ein „gleichsam“ durch die Nichtzahlung bedingter Kauf, von den severischen
Kaisern 1 ausdrücklich anerkannt. Andererseits bleibt das Verkaufen mangels anderer Ver-
einbarung und wohl auch provinzieller Gewohnheit immer ein Recht des Gläubigers (Pomp.
D. 13, 7, 6 pr. bis caveatur). Deshalb muß dem Interesse des Verpfänders so geholfen werden,
daß er die Sache gegen Kaution zurücknehmen und selber verkaufen darf. Dies ist zwar bei
Pomp. D. 13, 7, 6 pr. nur in byzantinischer Darstellung überliefert, doch ist entsprechendes sogar
für die Fiduzia bezeugt (Paul. 2, 13, 3). Hat der Gläubiger verkauft, so darf der Verpfänder
mit seiner persönlichen Klage den Uberschuß des Erlöses über die Forderung beanspruchen. Das
gleiche wird wiederum vom Fiduzianten nach Verkauf der Sache gesagt (Paul. 2, 13, 1); es
ist aber nicht klar, in welcher praktischen Anwendung, da auch im übrigen der Quellenbestand
der Fiduzia etwas undurchsichtig bleibt. — Nachklassisch wird diese Entwicklung fortgeführt,
wegen der dringenden Wuchergefahr die Verfallklausel unter Constantin verboten? und der
Verkauf trotz eines pactum de non vendendo nach dreimaliger Androhung erlaubt (Ulp. D. 13,
7, 4, a. E. itp.).
Während die hellenistischen Gesetzgebungen den Pfandverkauf unter behördliche Aufsicht
zu bringen trachten, verkauft der Gläubiger nach römischem Recht die Sache noch eigenmächtig,
nur durch die persönliche Klage aus dem Vertrag dem Verpfänder verantwortlich. Nach dem
Recht der Severenzeit braucht er dem Ersteher nicht wegen Eviktion zu garantieren und haftet
dann auch nicht ihretwegen (Alex. C. 8, 45, 1; Tryph. D. 20, 5, 12, 1 itp.); nach einem Zwangs-
vollstreckungskauf kann sich aber der Käufer an den dadurch befreiten Schuldner halten (Herm.
D. 21, 2, 74, 1) 3. Selbst erstehen darf der Gläubiger nicht; findet sich kein Käufer, so kann Zu-
schlag an ihn durch kaiserliches Reskript erfolgen (impetratio dominüz.
§ 107. Mehrheit der Pfandrechte. Bei den Severischen Juristen" besteht kaum noch ein
Zweifel über die Natur der Verpfändung einer schon als Pfand haftenden Sache; sie wird als
eine unbedingte Verpfändung der Sache aufgefaßt, nicht als Verpfändung der persönlichen
2½0. D20, 1, 16, 9, wo rem — aestimandam itp., Lenel, Marcian 29; Costa, Bull. 17,
102 (gegen seine früheren Außerungen); Naber, Mnemos. 32, 82. Bei dem Restript Cara-
callas wirkte Papinian mit, Tryph. D. 20, 5, 12 pr. Vgl. noch Paul. D. 13, 7, 20, 3.
2 Gegen Ferrini, Pand. 514, N. 2 Costa, Storia 296 N. 2.
2 Ob er in anderen Fällen mit der Actio ex empto etwas anfangen kann, ist diskutiert, Ulp.
D. 21, 2, 38; zur Textkritik Schulz, ZSavt. 33, 63.
* Ob die gleiche Meinung schon im 2. Jahrhundert herrschte, ist bestritten; Manigk,
Hyperocha bejaht es gegen Dernburg, Pand. s 267 N. 9 und Herzen, Mél. Gérardin
299. Doch ist m. E. Gai. D. 20, 1, 15, 2 sehr verdächtig, bei Pomp. D. 20, 4, 4 et ideo —
potior itp.