Grundzüge des römischen Privatrechts. 497
Klage des Verpfänders auf die Hyperocha aus dem vorgehenden Pfand, nicht als Verpfändung
der Sache unter der Bedingung der Befriedigung des ersten Gläubigers. Die letzteren Kon-
struktionen sind allerdings Brücken im geschichtlichen Wege, benützt von früheren Juristen und
lange durch die Geschäftspraxis. Davon wird die Auffassung mitgenommen, daß die Aus-
übung des zweiten Pfandrechts von der Abfindung des ersten abhängt. Der Nachhypothekar
darf den Vormann jederzeit selbst abfinden (i4us ofkerendi); solange er es nicht tut, kann er nicht
gültig das Pfand verkaufen 1, und mit seiner dinglichen Pfandklage stößt er gegenüber dem
Vormann auf dessen Einrede des besseren Pfandrechts (Marcian D. 20, 4, 12 pr.). — Der Rang
der Pfandrechte richtet sich nach dem Zeitpunkt der Begründung: prior tempore potior iure
(Carac, C. 8, 17, 3). Es gibt aber eine Anzahl von Rangprivilegien, die sich nachmals in der
byzantinischen Epoche vermehren 7.
§ 108. Erlöschen. Das Pfandrecht endigt als dingliches Recht durch Vereinigung mit
dem Eigentum („dingliche Confusio“) und als akzessorisches Recht durch Endigung der Forderung,
also auch, wenn diese mit der Schuld in einer Hand zusammentrifft („obligatorische Confusio“).
Aber beides verursacht Härten und wird in bemerkenswerten Neuerungen überwunden. Das
technische Mittel bietet die Formel der Pfandklage, die nur bei Zahlung oder Kautionsstellung
Abweisung des Klägers vorsieht. Daher gibt Paul. D. 44, 2, 30, 1 a. E. die Klage einem Gläu-
biger, der in Unkenntnis seines Pfandrechts Eigentümer geworden ist, gegen den nachstehenden
Pfandgläubiger — sachlich bedeutet das ein Eigentümerpfandrecht, und das Vorbild des §1256
Abs. 2 BGB. —i und gibt D. 36, 1, 61 die Klage einem Gläubiger, der gemäß des SC. Pega-
sianum gezwungen die Erbschaft des Schuldners angetreten hat, um sie dem Universalfidei-
kommissar zugänglich zu machen, wo also die Forderung aus formalen Gründen durch Confusio
erlosch. Auch sonst setzt man sich über die Akzessorietät hinweg. So kann 1. die Forderung, z. B.
behufs Konvertierung, durch Novation ersetzt werden und die neue das Pfandrecht im alten
Rang weitergenießen (Pap. D. 20, 4, 3 pr.; 12, 5; Gord. C. 8, 26, 1). 2. Wer zur Bezahlung eines
Pfandgläubigers Geld gibt, rückt mit seinem Vertragspfandrecht in den Rang des Abgefundenen
ein (Paul. D. 20, 3, 3; C. 8, 18, 1 a. 209). Noch weiter geht es, daß 3. der Käufer eines Grund-
stücks, der gemäß Erfüllungsübernahme den Vormann abfindet, außer seinem Eigentum die
Pfandklage gegen Nachmänner erhält 2. In allen diesen Fällen, sowie wenn 4. ein nachstehender
Pfandgläubiger kraft des jus ofkerendi das vorstehende Pfandrecht ablöst (Marcian D. 20, 5,
5 pr.; Diocl. C. 8, 18, 4) reden die Quellen von succedere in locum creditoris. Das gemein-
rechtliche Problem aber, was das heiße, ob denn nun das Pfandrecht oder nur sein Rang über-
geht, ist guellenmäßig gar nicht lösbar. Die Römer fragen überall nur prozessual um das Durch-
greifen der actiones und exceptiones, die Reskripte zum Teil vielleicht um den formloseren
Schutz im außerordentlichen Verfahren. Damit finden sie genügendes auszurichten.
Mit gleichen Mitteln behandelt man es, wenn der Pfandgläubiger zu einer neuen Ver-
äußerung oder Belastung der Sache zustimmt. Dies begründet eine exceptio gegen seine Klage
(Formel in D. 16, 1, 17, 1), insofern es regelmäßig als Verzicht auf das Pfandrecht aufgefaßt
wird. Das stimmt zu der einfachen Gestaltung in den älteren Zeiten, die mit dem Verfall-
pfandrecht ein neues Pfandrecht oder selbst Eigentum für unverträglich hält und daher, z. B.
in Griechenland, dem Pfandgläubiger anheimgibt, eine Veräußerung der Sache zu verbieten
oder sich seines Rechts zu verschweigen. Die römischen Fortschritte vertragen aber auch eine
veränderte Stellungnahme zu jener Zustimmung; die Exzeption kann unschädlich sein, weil
der Vertrag anders zu verstehen (Ulp. D. 20, 6, 4, 1, obwohl itp.), zumal als Vorrangseinräumung
1 Pap. D. 20, 5, 1; Marcian D. 20, 4, 12, 10. Ferrini, Pand. 515; Manigk, Pfdr.
Unters. 1, 45. 111. Ausgenommen ist der Fiskus, er befriedigt aber den vorgehenden Gläubiger
selber aus dem Erlös, Severisches Reskript bei Marcian D. 49, 14, 22, 1.
DPappulias, ZBSavöt. 29, 370.
* Alex. C. 8, 18, 3 a. 224. Danach wäre der wenig frühere P. Hamb. 1, 15, Z. 15 zu
beurteilen, wenn dort wirklich der Pfandgläubiger zu bezahlen ist, wie der Hsg. glaubt. — Ganz
allgemein soll nach Paul. D. 20, 4, 17 der Käufer eines mehrfach hypothezierten Grundstücks in
dem Betrag, den er dem Primus zahlt, gegen den Sekundus geschützt werden. Herkunft und
Tragweite dieser Sätze dürfte demnächst von anderer Seite neu untersucht werden.
Cnzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band I. 92