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gegen wurde aber offenbar polemisiert, mindestens, wenn der Verkäufer die Qualität unrichtig
bezeichnet hat (Jul. D. 18, 1, 41, 1 mensam argento coopertam — pro solida vendidisti). Den
Versuch, den Irrtum über wesentliche Eigenschaften dem error in corpore gleichzusetzen,
sormuliert schließlich Ulpian 1 mehr, als daß er ihn noch unterstützen muß, mit den Unter-
scheidungen der Stoischen Philosophie zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen Eigen-
schaften der Sachen. Erstere (Kategorie ##0#é, Namen Eerc) sind solche, bei deren Vorhanden-
sein eacem prope oöcdlc vorliegt (D. 18, 1, 9, 2), z. B. Wein, Gold, männliches Geschlecht, sie
gehen aus der Grundeigenschaft selbsttätig herwor. Unwesentlich (Kategorie rbc &Ko, Namen
oX4#e½c) sind z. B. Süße des Weins — si vinum acuit 3 2 cit., Jorb Kgal #i##PS#Simplic. 426
— Jungfräulichkeit der Sklavin (I. 11 § 1), „äußere“, d. h. „zufällige“", zur Grundeigenschaft
hinzutretende Eigenschaften, sich mit ihr ebenso gut vertragend wie das Gegenteil. Diese Hilfe,
die die Jurisprudenz bei der Erkenntnislehre holt, ist später stets mißverstanden worden, man
begriff nicht, warum der Kauf ungültig ist, wenn gewöhnlicher Essig statt Weins, eine Sklavin
statt eines Knaben, gültig, wenn Weinessig statt Weins, eine mulier statt einer virgo gekauft ist.
Man darf aber die römische Methode verzeihen, da das sichere juristische Gefühl, mit dem die
Gemeinrechtler der krausen Formel die richtige Beschränkung der Ausnahme auf die „wesent-
lichen“ Eigenschaften entnahmen, doch selber eine völlig befriedigende neue Begrenzung der-
selben nicht verschaffte. Zweifelhaft mag bleiben, ob es überhaupt Segen brachte, die Fährte
Ulpians und Tribonians zu verfolgen, die Bedachtnahme auf unrichtige Vorstellungen einer
Partei vom Geschäftsinhalt in einem dem laienhaften Rechtsgefühl unerdenklichen Maße zu
steigern (vgl. §5 119 BG#B.). Aber die Willens- oder Vorstellungstheorie findet noch heute so
nachdrückliche und tiefdringende Verteidiger, daß ihr keinesfalls die Achtung versagt werden darf.
Sonstige Schulkategorien des Irrtums kennen die Juristen nicht. Doch fehlt ein Konsens
auch, wenn ein Darlehnsschuldner über die Person des Gläubigers irrt (arg. Cels. D. 12, 1, 32),
und wenn die Parteien über den Charakter des Geschäfts verschiedener Meinung sind, ohne diese
kundzutun (arg. Jul. D. 41, 1, 36, Ulp. D. 12, 1, 18).
Immer hindert der erhebliche Irrtum als Dissensus die Gültigkeit des Geschäfts. Daß
auch der Gegner des Irrenden sich auf die Unwirksamkeit hätte berufen dürfen, entspricht freilich
unseren Anschauungen sehr schlecht, und die Juristen hätten dies wahrscheinlich auch nicht zu-
gelassen 2. Aber ein solcher Fall liegt in den Quellen nicht vor.
§# 111. Bedingungen und Termine ?. Schon das republikanische Zivilrecht kennt die
Möglichkeit, die Geltung eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis
willkürlich abhängig zu machen (Bedingung) oder die Wirkung auf einen späteren Zeitpunkt
hinauszuschieben (Termin). Unzugänglich sind freilich den Bestimmungen dieser Art Geschäfte,
die Pap. D. 50, 17, 77 actus legitimi nennt, zu denen aber außer so bezeichenbaren gewohnheits-
rechtlichen Formalakten, wie Manzipation, Stabfreilassung, Iniurecessio, Cretio, Acceptilatio,
Expensilatio (Pap. Vat. 329), auch magistratische Vormundsbestellung und der formlose Erb-
schaftsantritt zählen und testamentarische Verfügungen nicht gehören. In dieser Liste der „be-
dingungsfeindlichen Akte“ kommen eben zwei einander ablösende Ideen zum Ausdruck, das
ursprüngliche Erfordernis vollkommener Bestimmtheit der Rechtsgeschäfte, das bei altertüm-
1 Wieweit Paulus eine ähnliche Theorie verfocht, bleibt nach D. 18, 1, 10, dag. D. 19,
1, 21, 2 (itp.) unklar. Auch Ulp. D. 18, 1, 14 ist teilweise itp. Das folgende habe ig in h#
"n wissenschaftliche Philosophie u. Soziologie, 1904, April, gegen Sokolowski, Die Philo-
ophie im Privatrecht 1, 238, dargelegt. Ganz anders Ehrlich, Studi Scialoja 2, 731.
2 Vgl. Mitteis, PR. 241. F. Hellmann, Terminologische Untersuchungen über
die rechtl. Unwirksamkeit (1914) 29 glaubt, „nulla emptio“ bedeute nur mangelnde Obligierung
gerade des Käufers: D. 18, 1, 41, 1; 11, 1; allerdings könnte D. 18, 1, 9, 2 venditio itp. sein.
„8 Mitteis, PHR. 11 (neu grundlegend). — Windscheid, Die Wirkung der erfüllten
Bedingung (1851); Fitting, ArchZiv Prax. 39, 305; v. Scheurl, - L. v. d. Nebenbestim-
mungen bei Rechtsgeschäften (1871); Czyhlarz, 8. L. v. d. Resolutivbedingung (1871);
Wendt, Die L. v. bedingten Rechtsgeschäfte (1875); Schulin, Resolutivbedingungen (1875);
Bechmann, Der Kauf 2, 1 (1884), 212, 395, 487; Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung
und Anfangstermin (1889); Artur Kohler, Arch Büurg R. 15, 1. Eb. F. Bruck, Bedingungs-
eindliche Rechtsgeschäfte 1904. Über den Ursprung der Lehre Vernay, Servius et son 6cole
1909), 3. Kap. (s. Peters, ZSavSt. 32, 469).