Grundzüge des römischen Privatrechts. 511
zur Einziehung von Forderungen angestellt hat; und sie wirkt auch, wenn der Sklave in-
zwischen freikam (Jul.-Afr. D. 12, 1, 41; Ulp. D. 46, 3, 18).
d) Ganz ähnlich wird die Stellung des procurator 1 entwickelt. Ursprünglich ist es
ein Vertrauensmann, Freigelassener oder Freund, der ohne näher bestimmten Auftrag alle
Geschäfte eines Abwesenden nach seinem Ermessen versieht (procurator omnium bonorum).
In der Keiserzeit bedienen sich reiche Leute, oft auch begüterte Frauen, hohe Beamte, vor
allem nun der Kaiser und die Mitglieder der kaiserlichen Familie für räumlich oder sachlich
begrenzte ganze Vermögenskomplexe der procuratores genannten Verwalter. Gesetze,
Senatuskonsulte und das Edikt schreiben dem Prokurator omnium bonorum in mannigfachen
Anlässen aktive und passive Vertretungsfunktionen zu, aus welchen Gedanken ist fraglich.
Mindestens die Juristen aber unterlegen ihm ein Generalmandat und erkennen ihm wegen
der Anstellung (praepositio) zwanglos eine Reihe von Befugnissen zu, die zu einer ordent-
lichen Verwaltung gehören, z. B. Veräußerungsrechte und eben auch die Empfangnahme
von Zahlungen aus der Hand von Schuldnern mit befreiender Wirkung wie nach einer An-
weisung (Jul. D. 46, 3, 34, 3), Stundungen, Novationen, Eidesverträge. Diese Grundsätze
werden in geringerem Maße auf die vielfältigen Agenten und Verwalter mit beschränktem
Wirkungzkreise angewendet, je nach dem Bereich ihrer Anstellung; doch ist die nähere Durch-
führung in den interpolierten Quellen schwer erkennbar. Eines dürfte ziemlich sicher sein.
Den Prokurator, der für einen bestimmten Verwaltungszweig angestellt ist, stellt Pap. (D. 14,
3, 19 und in D. 19, 1, 13, 25) geradezu dem kaufmännischen Institor gleich, von dem er sich
bisher nach den Lebensverhältnissen unterschied, indem nun aus den sämtlichen Geschäften des
Betriebs eine der Actio institoria nachgebildete Haftung (sog. Actio quasi institoria) des
Dominus folgen soll.
e) Die gleiche Idee führt in Griechenland zunächst dazu, daß man haftbar wird, wenn
man einen Zahlungsempfänger dem Dritten persönlich vorstellt (oov###cwat), sodann dazu,
daß die schriftliche Erklärung an den Dritten (cöora##ch), die auch dem Vertreter eingehändigt
werden kann, den Aussteller bindet. Auch hier ist bei Verpflichtungsgeschäften mindestens
die Anfangsregel die gleichzeitige Haftung des Vertreters und des Prinzipals. Wo daher
das öffentliche Recht den Organen einer Korporation noch nicht eine eigene Macht zur Ver-
pflichtung derselben einräumt, werden durch Verträge des Beamten er selbst und die Korpo-
ration solidarisch verpflichtet. Auch bei den römischen Privatkorporationen tritt dies wohl
noch in der merkwürdigen Klausel hervor, daß der curator und der populus spondieren 2.
§ 120. Stellvertretung im modernen Sinne entwickelt sich in Rom auf denjenigen
Gebieten, wo der Prätor sich frei fühlt S. Nirgends ist auch von Juristen und Kaiserreskripten
das die Stellvertretung ausschließende Dogma so nachdrücklich und so lang proklamiert worden,
wie bei den Stipulationen, dem eigentlichsten Reich des strengen Zivilrechts. So wird un-
befangen Antrag auf prätorische Erbeinweisung, Anstellung eines Institor, Ubernahme eines
Receptum nautarum u. a. durch Vertreter zugelassen. Im großen Maßstabe leitet der Prätor
Klagen auf den Vertretenen über, die ein mittelbarer Vertreter während der Geschäftsführung
für sich begründet hat, in einigen Fällen auch solche, die gegen ihn entstanden sind. So
wird namentlich der Erfolg der Verträge von Gemeindebeamten diesen abgenommen und
der Regel nach jede nichtdeliktische Klage für und gegen den Vormund nach Beendigung der
1 Schloßmann, Besitzerwerb durch Dritte 89; Bonfante, Stud. Schupfer 1, 1;
Naber, Mnemos. 17, 388; Mitteis, PR. 232; Costa, Cicerone giurecons. 14
Rabel, a. a. O. 7. — Bei Just. ist häufig der Procurator (absentis) gestrichen, Solazzi,
Bull. 23, 174; vgl. aber Mitteis, N. 102.
: Material bei M itteis:. P. 380 N. 15, der es aber für sinnlose Floskeln hält. Für
die griechischen Gemeindestaaten s. Partsch, Er. Bürgsch. 357 N
2 Hierüber erstmals klar Mitteis, P. 220—224. Über * Klage gegen den dolosen
Scheinstlaven Ulp. D. 40, 12, 22, 1, dup ka, Vollmacht 66. Zu den Klagen für und gegen
den Pupillen Solazzi, Le azioni del pupillo contro ũ pupillo (aus Bull. 22—25); Debray,
Nouv. rev. 1911, 98. Besonders bestritten ist die Haftung des Mündels für den Dolus des
Tutors: Schulz, ZSavt. 27, 125; Solazzi, Bull. 24, 116; Albertario, Rend. Ist.
Lomb. 46 (1913) 575.