Grundzüge des römischen Privatrechts. 515
Was die Frau sonst im Vermögen hat, ist allermeist nicht viel. Die Hauptsache pflegen
ihre persönlichen Gebrauchsgegenstände zu bilden, die sie dem Mann ins Haus bringt und
gewöhnlich in einem Libellus rerum (Ulp. D. 23, 3, 9, 3; P. Teb. 405, Z. 12 und offenbar
P. Oxy. 1051, 3. Jahrh.) verzeichnen läßt. Diese nennen die Griechen napcichea, und sie
sind von den übrigen res extra dotem wohl zu unterscheiden 1, um so mehr, da die nach-
klassische Gesetzgebung die Paraphernalforderung mit besonderen Kautelen umkleidet.
Die Vorsicht der Frau ist sehr angebracht, da in Rom seit O. Mucius die Vermutung
gilt, alles, was die Frau habe, gehöre dem Mann. Das dem Mucius beigelegte Motiv klingt
seltsam: der Frau soll der Anreiz zu schimpflichem Erwerb genommen werden (Pomp. D. 24,
1, 51). Die Praesumptio Muciana gilt doch, abgesehen von eben den Res usibus puellae
destinatae, noch heute (BG#B. F 1362) und hat ihren Sinn. In Rom wirtkt sie als weitere
Einschränkung der Ehegattenschenkung, immer aber als notwendiges Hilfsmittel der Gläubiger
des Mannes.
§ 123. Sheschenkungen 2, Gaben des Bräutigams an die Braut vor oder bei der Hoch-
zeit begegnen bei allen Völkern, jedoch auf verschiedenen Kulturstufen und unter verschiedenem
Brauch nicht in gleicher Bedeutung. Bei orientalischen Völkern finden sich in den Eheverträgen
häufig Zuwendungen, die teils der Versorgung der Witwe dienen, teils den Mann wegen
willkürlicher Scheidung strafen sollen. Die Römer versorgen ihre Frauen durch Legate und
verbieten Scheidungsstrafen. Die auch bei ihnen ganz übliche Liebesgabe an die Braut,
donum nuptiale, ist demgemäß, wie übrigens auch die altgriechischen 8ö##, eine verhältnis-
mäßig untergeordnete Aufmerksamkeit. In der Regel gilt sie als „gewöhnliche Schenkung“
(res simpliciter donatae) und darf auch wenn es nicht zur Ehe kommt, nicht zurückgefordert
werden (Pap. Vat. 262 u. a.). Dabei bleibt es praktisch im spätrömischen Abendland, während
die reichsrechtlichen Gesetze seit dem 4. Jahrhundert die morgenländischen Brautschenkungen
zur Grundlage einer sehr wechselreichen Ordnung machen. Wenn sich schon seit den Severen
die römischen Reskripte mit den östlichen 3 Gebräuchen beschäftigen müssen, so ist es wegen der
Sitte"", daß der Mann mangels einer standesgemäßen Aussteuer schriftlich als ihm eingebrachte
Mitgift einen höheren Betrag bestätigt, als er wirklich bekommt oder die Mitgift ganz fingiert.
Da die Kaiser von der verpflichtenden Wirkung der Skriptur nichts wissen wollen, verlangen
sie körperliche Ubergabe der Schenkung und Rücktradition in dotem (Sev. Car. C. 5, 3, 1;
5, 15, 1) für den Bestand der Mitgift. Ist durch Stipulationsklausel für die formelle Wirkung
der Schenkung gesorgt, so gilt diese nach allgemeinen Grundsätzen, also wenn bei währender
Ehe geschehen, mit dem Tode des Mannes (C. 5, 15, 2 llegitime confectamj itp., (stipulatione)
interposita).
§ 124. Schenkungen von Todes wegen 5. Zweifellos aus Zeiten, wo die einseitigen
letztwilligen Verfügungen durch Testament noch nicht genügend ausgebildet waren, stammen
in Rom wie anderwärts die Versuche, durch Verträge unter Lebenden Zuwendungen mit einer
erst vom Tode beginnenden Wirkung vorzunehmen. Gleiches begibt sich bei Griechen, Agyptern,
1 Dies weist Castelli, I parapherna nei papiri Preco-eFiri e nelle fonti romane 1913
nach. Zur Kritik von D. 23, 3, 9 etwas kühn S. 60; vgl. S. 67 gegen Pampaloni, Riv.
ital. 52, 162—168.
„ Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht 256; Holldack, Her- Geschichte der Donatio
ante nuptias und der dos. Betrachtungen über das Verhältnis des hellenistischen Rechts zu der
armeno-kaukasischen Rechtsbildung (aus Festgabe für Güterbock) 1910.
2 Bgl. aber auch Pius in D. 6, 2, 12 pr.; Paul. D. 24, 1, 59.
4* Mitteis, Reichsrecht 275; 297, Arch PapF. 1, 347; Gdz. 222; Brunner, SitzBer.
Berl Ak. 1894, 551; Ruggiero, Bull. 15, 212; Rabel, ZSavSt. 28, 329.
s Cohen, Die Lehre des röm. Rechts von der Schenkung von Todes wegen 1878;
Fadda, Stud. e quest. di dir. 1, 65 (ex 1888); Pernice, Lab. 3, 263; Karlowa, RR.
2, 944; Cugia, Indagini sulla dottrina della causa del negorio giuridico: Fespressione mortis
causa, Nap. 1910; Senn, Etudes Girard 1, 283; Nouv. rev. 1913, 169; 193; Bruck, Grün-
huts Z. 40, 551; Biondi , Appunti intorno alla donatio mortis causa (aus Ann. Univ. Perugia
1I) 1914.
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