Grundzüge des römischen Privatrechts. 523
und Enterbungen bleiben dem Testament vorbehalten. Legate, Vormundsernennungen, direkte
Freilassungen können in Kodizillen erfolgen, die durch das Testament vorbehalten oder be-
stätigt sind, die ältere und gewöhnliche Art der codicilli (c. testamento confirmati; Bsp. Testament
des Longinus Castor). Fideikommissarische Verpflichtungen des Erben oder irgendwelcher
aus dem Nachlaß von Todes wegen etwas erhaltenden Personen zu Vermächtnisleistungen
oder Freilassungen lassen sich in jedem Schriftsatz begründen, und sie können sich auf die Weiter-
gabe ganzer Vermögensteile mit voller Wirkung bis zu drei Vierteln des dem Beschwerten
zugewendeten Vermögensanteils erstrecken (Universalfideikommisse). Eine Erbfolge im zivilen
oder auch nur prätorischen Sinne ist damit nicht zu erzielen, aber doch ein ihr soweit nahekommendes
Ergebnis, daß die römischen Testatoren häufig vorsichtsweise die „Kodizillarklausel“ beifügen,
um das Testament eventuell als Kodizill gegenüber den Intestaterben aufrecht zu halten: testa-
mentum etiam vice codicillorum valere (Ulp. D. 29, 1, 3); griechisch Paul. D. 28, 1, 29, 1.
Damit werden gerade die Formvorschriften minder schädlich gemacht. Noch mehr gilt dies von
Vermächtnissen und Auflagen; diesen wird daher regelmäßig die Anordnung nachgeschickt,
daß sie bei Ungültigkeit des Testaments als fideikommissarische Beschwerung der gesetzlichen
Erben gelten, z. B. quisquis mihi heres erit, damnas esto dare facere praestare omnia qunse
in hoc meo testamento scripta sunt et fidei eius committo (griechisch im Testament des Lon-
ginus Castor 1, 14).
Seit dem Erbschaftssteuergesetz (um 5 v. Chr.) ist die Eröffnung des Testaments genau
geregelt 1, da sie zur Kontrolle der 5 4% igen Steuer dient (Paul. 4, 6); auch legten ihr die Kadu-
zitätsgesetze zwecks Bestimmung der verfallenden Zuwendungen große Bedeutung bei, indem
sie verboten, die Erbschaft vorher anzutreten, und an sie den Anfall der Legate knüpften (Ulp.
17, 1; 24, 31), so daß die Bedachten diesen Moment erleben müssen.
* 128. Innere Erfordernisse des Testaments sind vor allem die Fähigkeit des Erblassers
zur Errichtung und des eingesetzten Erben, vom Erblasser bedacht zu werden; beide müssen
„miteinander“ die testamenti factio haben. Es ist die bedeutsamste Verfügung des römischen
Hausvaters, der wichtigste, grundsätzlich schrankenlose und mit Selbstgefühl geübte Gebrauch
der Hausgewalt. Dementsprechend muß der Erblasser (sog. „testamenti factio activa"“) im
Augenblick der Errichtung und des Todes — in der Zwischenzeit nach prätorischem Recht nicht;
Ulp. 23, 6 — nebstdem daß er Bürger und eigenberechtigt ist, die Mündigkeit haben. Daß der
Testator bei der Errichtung (Ulp. D. 37, 11, 1, 9) nicht erklärter Verschwender sein darf so wenig
wie er wahnsinnig sein dürfte, erklärt sich aus dem Verbote des Vermögensverkehrs (Ulp. 20, 13).
Frauen können seit Hadrian unter (erzwingbarer) Mitwirkung ihres Vormundes testieren (Gai.
2, 112; Ulp. 20, 15), allein, wenn sie das Kinderrecht haben und für die bon. possessio. Ein
Haussohn darf über sein peculium castrense testieren, ein Staatssklave über die Hälfte seines
Pekuliums (Ulp. 20, 10).
Der Erbe muß die Erbfähigkeit (sog. „testamenti factio passiva“) im Zeitpunkt der Ein-
setzung bereits haben — vom familiae emptor her? — und sie von der Berufung (Cels. D. 28,
5, 60, 4) bis zum Antritt behalten. Dazu gehört die physische Existenz und die Vorstellbarkeit
für den Erblasser (certa persona, Ulp. 22, 4), die den noch Ungeborenen und den Körperschaften
abgeht. Es sind aber Ausnahmen mancher Art zugelassen, für den Sklaven eines noch Un-
geborenen (Lab. in D. 28, 5, 65); nach langwieriger Vorgeschichte für die sui des Erblassers,
die bis zum Erbfall erzeugt sind und nachher geboren werden (Ulp. 22, 19); und nach prätorischem
Recht auch für anderer Leute Kinder 2 und für die Gemeinden (5 25). Ob der Staat jemals ein-
gesetzt wurde, ist fraglich S. Der Peregrine ohne Privileg kann nicht einen Römer beerben;
dagegen kann ein Hauskind oder Sklave eingesetzt werden, wenn der Gewalthaber die Fähig-
keit hat und zum Erbantritt zustimmt (jubere adire). Der eigene Sklave aber darf allen Grund-
sätzen zum Trotz unter gleichzeitiger letztwilliger Freilassung zum Erben bestellt werden (liber
1 Uber das zugehörige Edikt in Rom Lenel, Ed. 350; in Aebpten Mitteis, Gdz. 241.
Prozeß wegen Testamentseröffnung B U. 361 col. II, 10 a. 184; Eröffnungsprotokolle P. Ory.
907 -— Mitteis, Chrest. n. 317 a. 276; Bruns-Grad. 7 n. 123 a. 474.
1 Paul. D. 37, 11, 3; 37, 9, 10; NMühlenbruch-Glück 39, 362.
* Von Scialoss östers, zuletzt St. Moriani 2, 1. 20; St. Fadda 2, 3 (über Einsetzung
der Götter) mit guten Gründen bestritten.