Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

526 Ernst Rabel. 
Auch die Ausschließlichkeit der testamentarischen Erbfolge gegenüber der gesetzlichen ist 
nie als naturnotwendiger Satz gemeint worden; sonst vertrüge er keine Ausnahmen 1. Es ist 
die allgemeine Weise der älteren Jurisprudenz, Willenserklärungen typisch auszulegen; und 
wer Intestaterben berufen wollte, setzte sie eben als Erben ein. Ihre UÜbergehung war deut- 
licher Ausschluß. Die sui hatten ohnedies ihr Sonderrecht. Danach konnte sich die Praxis sehr 
gut dauemnd richten, um so mehr als in der Kaiserzeit außer der Einsetzung der Intestaterben 
auf entsprechende Quoten auch die Universalfideikommisse zur Verfügung standen. Natürlich 
ist die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, daß irgendwie auf die Bildung dieser An- 
schauungen einstmals sehr alte Zustände Einfluß hatten, etwa daß nur der kinderlose Erblosser 
Testamentserben haben konnte und der geklirte (adoptierte?) Erbe die Agnaten beiseite schob. 
Doch ist ein solcher Zusammenhang unbeweisbar 2. 
Noch viel wahrscheinlicher dürfte ein rein doktrineller Ursprung für die römische Meinung 
sein: heredi a semet ipso legari non potest (Ulp. 24, 22). Der Erbe kann in Höhe seines Erb- 
teils nicht zu eigenen Gunsten beschwert werden, er kann nicht gleichzeitig Beschwerter und 
Bedachter sein. Das will sagen, ein Vorausvermächtnis ist, um den krassesten Fall zu nennen, 
wenn einem Alleinerben eine Forderung gegen sich selbst (Damnationslegat) oder eine Sache 
aus dem Nachlaß (Vindikationslegat) extra zugedacht werden soll, nichtig. Man kann sagen, 
die Erbeneigenschaft verträgt sich insofern nicht mit einem besonderen Titel, aber das hat nicht 
das geringste Mystische, so seltsam die Konsequenzen sind, die schließlich in den Quellen daraus 
bei Mehrheit der Erben und Prälegatare gezogen werden. Der Grundsatz scheint den Juristen 
einfach selbstverständlich, das Damnationslegat ist unmöglich, weil eine Obligation gegen sich 
selber undenkbar ist, und das Vindikationslegat aus analogen Erwägungen einer sich an Dogmen 
festigenden Jurisprudenz, aus denen der Eigentümer nicht gleichzeitig Nießbrauch an seiner 
Sache haben darf und einem Legatar nicht dessen eigene Sache vermacht werden kann. 
§ 130. Bedingung. Substitution. Erlaubt ist eine aufschiebende Bedingung der Ein- 
setzung von extranei. Dadurch schiebt sich die Berufung hinaus, und sie müssen desgalb den Ein- 
tritt der Bedingung erleben. Einstweilen scheint der Prätor stets die bonorum possessio secundum 
tabulas zu geben. Sicher geschieht dies, wenn im Testament für den Gegenfall ein Ersatzerbe 
bestellt ist, gegen Kaution an diesen (Ulp. D. 2, 8, 12). Die Ernennung eines Ersatzerben (sub- 
stitutus) für den Fall, daß ein Erbe (institutus) wegfällt, ist selber die häufigste Verwendung 
der bedingten Einsetzung, z. B.: Titius heres esto. Sj Titius heres non erit, Seius heres esto; 
darauf folgen auch entsprechende Substitutionen fernerer Grade, zum Schluß gern die Be- 
stellung des eigenen Sklaven als unfreiwilligen Retters. Nach der weiten Fassung si heres 
non erit wird der Substitut berufen, wenn der Institut vor oder nach dem Erbfall stirbt oder 
aus sonst einem Grund nicht Erbe sein kann oder endlich ausschlägt, und nach prätorischem Recht 
auch wenn der Erbgang prätorisch rückgängig gemacht wird (beneficium abstinendi, in integrum 
restitutio). Kompliziertere Anordnungen veranlassen scharfsinnige, mitunter befremdliche Aus- 
legungen; manche dürfen noch heute Geltung beanspruchen, zumal die Regel „substitutus 
substituto substitutus mstituto" in dem Sinn, daß zufolge einer Verfügung: B. soll dem A., 
C. soll dem B. substitut sein, C. nach dem Vorwegfall des B. als Substitut des A. gilt (Jul. D. 
28, 6, 27). Freilich hat die Regel heute ein kleineres Anwendungsgebiet, weil nach BG. F§ 1953 
ein Substitut nicht mehr „fortfällt", wenn er den Erbfall erlebt hat, und hinterher vor dem Weg- 
fall des Instituten stirbt, vielmehr seine Erben an seine Stelle treten. — Daß an den Sub- 
stituten der Erbteil mit seinen Lasten anfällt, ist durch ein severisches Reskript (Ulp. D. 31, 61, 1) 
festgelegt und bietet das Beispiel für andere Übergänge von Anteilen cum onere. 
—6 — –4 
1 Betreffs der sui Gai. 2, 24. oben S. 518. Entsprechende, aber spätere Ausnahmen, die mit 
einem Verblassen des Dogmas erklärt werden könnten, ergeben sich zufolge des Pflichtteilsrechts 
aus der teilweisen Reszission eines lieblosen Testaments; Plin Ep. 6, 33, 5; Pop. u. Ulp. D. 5, 
2, 15, 2; 24; 25, 1; hierzu in verschiedenem Sinn Costa, hepinieno 3, 16; Fadda, Concetti 
fond. 1, 341. Bei Fadda 334 ff. Verzeichnis der unendlichen Erklärungsversuche für die 
Regel nemo pro parte. Eigenartig v. Woeß 167. 
: Auch bie ehre Bonfantes, die jetzt mehrfach angenommen wird, der Satz erkläre 
sich aus der Souveränität der Familie, hat m. E. bisher noch keine einleuchtende Gestalt ge- 
wonnen.
	        
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