Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

528 Ernst Rabel. 
und zwar eadueum im engern Sinn, wenn das Hindernis nach dem Tod des Testators ein- 
tritt oder sich entscheidet, insbesondere Tod des Bedachten vor Eröffnung des Testaments oder 
dem Eintritt der Bedingung, Vereitlung der Bedingung, Ausschlagung, Mangel der capacitas 
durch Zölibat oder Kinderlosigkeit in dem zur Beseitigung vorgeschriebenen Zeitraum; in 
causa caduci, wenn das Ereignis vor dem Erbfall eintritt, Vortod des Bedachten, Vereitlung 
der Bedingung. Durch eine Substitution kann der Erblasser dem entgegenwirken. Ferner 
werden Aszendenten und Deszendenten des Erblassers bis zum dritten Grad nach altem Recht 
(ius antiquum) behandelt, an sie als Miterben findet Akkreszenz statt, und wenn ihnen auf- 
erlegte Vermächtnisse hinfällig werden, kommt es ihnen zugute. Sonst aber findet ein Vindi- 
Care caducum statt. Ursprünglich haben dieses Recht die im Testament bedachten Personen, 
die den Ehegesetzen genügen. Es ist fraglich, ob diese Kindererzeugungsprämie noch zur Zeit 
Ulpians besteht, und damit wohl auch fraglich, wie weit der Begriff der Caduca damals reicht. 
Im allgemeinen vindiziert seit Caracalla jedenfalls der Fiskus (Ulp. 17, 2). 
Lobenswerte Regel ist aber die Rücksicht auf die Interessenten. Auch die keaiserliche 
Konfiskationspraxis läßt den Kindern des Verurteilten einen großen Teil, manchmal das 
ganze Vermögen, oft die Hälfte, dem Patron die Hälfte, d. i. seinen regelmäßigen Pflicht- 
teilsbetrag 1. Stets werden vorweg bis zur Höhe der Masse die Gläubiger und sogar die 
Vermächtnisse, Freilassungen und sonstigen Lasten eingezogener Teile befriedigt :. Eben- 
deshalb kann der Fiskus eine erblose Erbschaft ausschlagen (prät. Edikt, Call. D. 49, 14, 1, 1) 
und es seit Marc Aurel Dritten oder einem Sklaven überlassen, die Liquidation freiwillig zu 
übernehmen (addictio bonorum libertatum servandarum causa, J. 3, 11), er braucht nicht 
als notwendiger Erbe seine Beamten mit zahlungsunfähigen Erbschaften zu beschäftigen, wie 
nach BGB. F 1942 Abs. 2. 
* . 133. Noterbrecht 3. Es gehört zu den sittengemäßen Pflichten des sorglichen Haus- 
vaters, ein Testament zu errichten, Söhne und Freunde durch Erbeinsetzung zu ehren (honos 
institutionis), die Gattin und nicht ausgesteuerte Töchter mit Vermächtnissen zu versorgen, 
reichlich Sklaven freizulassen, wozu bei Höhergestellten nicht selten eine Einsetzung des Kaisers 
kommt, teils aus Liebedienerei, teils um die Durchführung des Testaments zu sichern. Von 
Frauen gilt dies weniger. Ihr Vermögen beschränkt sich meistens auf die Mitgift, deren 
Schicksal festgelegt ist, und ein geringes Sondergut. Reiche Frauen testieren aber auch und 
setzen normalerweise den Gatten oder die Kinder zu Erben ein. 
Leitsatz ist die freie Gewalt des Erblassers. Sie beruht recht eigentlich auf der weitest- 
gespannten Beherrschung des Hauses über den eigenen Tod hinaus, die stolze Freiheit des 
Testaments ist den nüchternen Römern im prosaischen Privatrecht das am meisten ans Herz 
gewachsene Stück. Gewiß deshalb kennen sie nicht die vertragsmäßige Bindung von Erb- 
und Vermächtnisanordnungen. Der Erblasser soll bis zum letzten Augenblick seine Gunst zu 
ändern vermögen; ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum 
(Ulp. D. 24, 1, 32, 3 + 34, 4, 4). So mag er sein Vermögen zuteilen, wem er will. Die 
Willkür ist vom älteren Recht her nur durch das sog. sormelle Noterbrecht“" be- 
schränkt. Der Hausvater muß sich die Mühe nehmen, seinen sui das Erbrecht, das er ihnen 
nehmen will, im Testament zu entziehen. Dazu aber braucht er keine Gründe. Die unbe- 
1 Paul. D. 48, 20, 7, 1 und 3; Call. D. 48, 20, 1, 3; Vermutungen dazu bei v. Woeß 254. 
2 Vacantiar Jul. D. 30, 96, 1 b. damnat, oder allg.: Jaov. D. 49, 14, 11; caduca: Ulp. 
17, 3. — Wegen der Gläubiger ogl. noch oben § 20 und Lenel, Ed. 212. 
3 Die Lehre ist neuestens von v. Woeß, Das römische Erbrecht und die Erbanwärter, 
1911, methodisch gefördert worden, indem die Wechselwirkung und der Zwiespalt zwischen dem 
Rechtsleben und den Rechtssätzen untersucht wurde. Freilich zeigt sich die Materie gegenüber 
den Folgerungen des Verf. großenteils recht spröde. 
* W. Francke, Das Recht der Noterben und Pflichtteilsberechtigten 1831; Ad. Schmidt, 
Das formelle Recht der Noterben 1862; Das Pflichtteilsrecht des Patronus und des Parens 
manumissor 1868; P. Krüger, Krit. Versuche 124; Schröder,. Das Noterbenrecht 1, 1877; 
Leist-Glück, 37/38, IV, V. Schirmer, ZSart. 2, 165; K. Demertzes, W 6 
dGvarudortz#sc #d#s#o##c Ath. 1901t v. Woeß 129 ff.; Knie p; Gaius 3, 88. Über die Wahrung 
der Vermächtnisse bei der Bon. poss. contra tabulas Moriau d, De I simple famille pater- 
neile 181.
	        
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